Monotheismus
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besucht hat. Lessing bekennt sich mit dieser Formel zu seinem Spi-
nozismus.44 Wir betreten hier ein umkämpftes Terrain. Έν καί παν
steht für einen neuen „Cosmo-Theismus“45, in dem man die Rück-
kehr zum Ursprung, zu Ägypten erblickte. „Ägypten“ bezeichnet
hier kein Forschungsgebiet, sondern eine polemische Position, die
Utopie einer natürlichen Theologie oder „universellen Religion“.46
Wenn man das übersieht, versteht man auch nicht, warum inner-
halb der späteren Ägyptologie die Monotheismus-Debatte bis
heute mit so viel Engagement geführt wird.47
Zu Schillers Quellen gehört vor allem auch Plutarchs Schrift De
Iside et Osiride. Die Legende vom verschleierten Bild zu Sais, die
dort im 9. Kap. erzählt wird, hat er ja zu einer berühmten Ballade
verarbeitet. In diesem Kapitel behandelt Plutarch das Prinzip der
verhüllten Wahrheit und nennt drei Beispiele, wie die Ägypter die-
ses Prinzip zum Ausdruck bringen: 1. durch die Sphingen vor den
Tempeln, womit angezeigt wird, daß „ihre Theologie eine rätsel-
volle Weisheit enthält“, 2. durch das verschleierte Bild zu Sais, und 3.
durch den Gottesnamen Amun, der nach Manetho „das Verbor-
gene“ bedeuten soll, was übrigens völlig korrekt ist. Das verschlei-
44 A. Altmann, „Lessing und Jacobi. Das Gespräch über den Spinozismus“, in:
Lessing Yearbook 3 (1971), 25-70 (nach Folkers). U. Hölscher, Empedokles, 49 m.
Anm. 116 vermutet als Lessings Quelle den Cambridger Theologen Ralph Cud-
worth, dessen Werk Systema intellectuale huius mundi, Cambridge 1680, von J. L.
Mosheim 1773 in lateinischer Übersetzung publiziert wurde, und als dessen
Quelle Simplizius (über die Lehre des Xenophanes, „dies Eine und Allganze, το
έν τοϋτο καί παν, sei Gott“)· Aufschlußreich ist ein Brief Hamanns an Jacobi
vom 1. 12.1784, worin er zu dessen Buch Stellung nimmt (Briefe, ausgewählt,
eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von A. Henkel, Frankfurt 1988,
130-133).
45 Der Ausdruck „Cosmo-theismus“ wurde von F. H. Jacobi auf Spinoza geprägt,
und zwar im negativen Sinne von „Welt-Vergötzung“, aber von den Zeitgenos-
sen wurde Jacobis Spinoza-Kritik im positiven Sinne mißverstanden und als
neues, pantheistisches Evangelium mit Begeisterung aufgenommen. Vgl. H.
Timm, Gott und die Freiheit, Bd. I: Die Spinozarenaissance, Frankfurt 1974,226 ff.
46 Das wichtigste Werk dieser Richtung ist C.F. Dupuis, Origine de tous les cultes,
ou la religion universelle, 12 Bde. in 7, Paris 1795; 1822, vgl. hierzu Μ. Bernal,
Black Athena I: The Fabrication ofAncient Greece, New Brunswick 1987,181-183.
47 In diesen Zusammenhang gehört die Rolle der Freimaurer, die sich einerseits
auf Ägypten beriefen und andererseits einen aufklärerischen Rationalismus
kultivierten. Schiller verweist a.a.O., S. 481 ausdrücklich auf die Freimaurer als
die Erben der ägyptischen Mysterien.
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besucht hat. Lessing bekennt sich mit dieser Formel zu seinem Spi-
nozismus.44 Wir betreten hier ein umkämpftes Terrain. Έν καί παν
steht für einen neuen „Cosmo-Theismus“45, in dem man die Rück-
kehr zum Ursprung, zu Ägypten erblickte. „Ägypten“ bezeichnet
hier kein Forschungsgebiet, sondern eine polemische Position, die
Utopie einer natürlichen Theologie oder „universellen Religion“.46
Wenn man das übersieht, versteht man auch nicht, warum inner-
halb der späteren Ägyptologie die Monotheismus-Debatte bis
heute mit so viel Engagement geführt wird.47
Zu Schillers Quellen gehört vor allem auch Plutarchs Schrift De
Iside et Osiride. Die Legende vom verschleierten Bild zu Sais, die
dort im 9. Kap. erzählt wird, hat er ja zu einer berühmten Ballade
verarbeitet. In diesem Kapitel behandelt Plutarch das Prinzip der
verhüllten Wahrheit und nennt drei Beispiele, wie die Ägypter die-
ses Prinzip zum Ausdruck bringen: 1. durch die Sphingen vor den
Tempeln, womit angezeigt wird, daß „ihre Theologie eine rätsel-
volle Weisheit enthält“, 2. durch das verschleierte Bild zu Sais, und 3.
durch den Gottesnamen Amun, der nach Manetho „das Verbor-
gene“ bedeuten soll, was übrigens völlig korrekt ist. Das verschlei-
44 A. Altmann, „Lessing und Jacobi. Das Gespräch über den Spinozismus“, in:
Lessing Yearbook 3 (1971), 25-70 (nach Folkers). U. Hölscher, Empedokles, 49 m.
Anm. 116 vermutet als Lessings Quelle den Cambridger Theologen Ralph Cud-
worth, dessen Werk Systema intellectuale huius mundi, Cambridge 1680, von J. L.
Mosheim 1773 in lateinischer Übersetzung publiziert wurde, und als dessen
Quelle Simplizius (über die Lehre des Xenophanes, „dies Eine und Allganze, το
έν τοϋτο καί παν, sei Gott“)· Aufschlußreich ist ein Brief Hamanns an Jacobi
vom 1. 12.1784, worin er zu dessen Buch Stellung nimmt (Briefe, ausgewählt,
eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von A. Henkel, Frankfurt 1988,
130-133).
45 Der Ausdruck „Cosmo-theismus“ wurde von F. H. Jacobi auf Spinoza geprägt,
und zwar im negativen Sinne von „Welt-Vergötzung“, aber von den Zeitgenos-
sen wurde Jacobis Spinoza-Kritik im positiven Sinne mißverstanden und als
neues, pantheistisches Evangelium mit Begeisterung aufgenommen. Vgl. H.
Timm, Gott und die Freiheit, Bd. I: Die Spinozarenaissance, Frankfurt 1974,226 ff.
46 Das wichtigste Werk dieser Richtung ist C.F. Dupuis, Origine de tous les cultes,
ou la religion universelle, 12 Bde. in 7, Paris 1795; 1822, vgl. hierzu Μ. Bernal,
Black Athena I: The Fabrication ofAncient Greece, New Brunswick 1987,181-183.
47 In diesen Zusammenhang gehört die Rolle der Freimaurer, die sich einerseits
auf Ägypten beriefen und andererseits einen aufklärerischen Rationalismus
kultivierten. Schiller verweist a.a.O., S. 481 ausdrücklich auf die Freimaurer als
die Erben der ägyptischen Mysterien.