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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0038
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Jan Assmann

tion herkommt und wohin sie führt. Früher stand sie wie ein errati-
scher Block in der ägyptischen Religionsgeschichte. Nichts älteres
führte auf sie hin, nichts späteres ließ sich auf sie zurückführen.
Dieses Bild hat sich nun durch die systematische Erforschung der
Sonnenhymnik und die Auffindung zahlreicher neuer Texte erheb-
lich differenziert. Wir sehen jetzt, daß sie in den Kontext einer
„Neuen Sonnentheologie“ gehört, die vor Amarna aufkommt, nach
Amarna weiter entwickelt wird und als Ausdruck einer tiefgreifen-
den „Krise des polytheistischen Weltbilds“ gesehen werden muß.85
Das polytheistische Weltbild deutet die Welt als göttlich und gestal-
tet die Göttlichkeit der Welt als das Zusammenwirken vieler, diffe-
renzierter Gottheiten. Diese Vielheit ist unhintergehbar, aber es
gibt immer, von allem Anfang an, die Vorstellung eines einzigen
Schöpfers, der diesem differenzierten Pantheon als Höchster vor-
steht und eine vertikale Spannung in die Vielheit bringt. Im Laufe
der 18. Dynastie wächst der Abstand und damit die Spannung zwi-
schen Gott und Göttern, dem Einen und den Vielen. Die Neue Son-
nentheologie entwickelt eine radikal andere Vorstellung des „Son-
nenlaufs“, der scheinbaren Bewegung der Sonne um die Erde. Sie
wird nun nicht mehr als ein Zusammenwirken der polytheistischen
Götterwelt gedeutet, sondern als die alleinige Handlung des Schöp-
fer- und Sonnengottes, der der von ihm geschaffenen Welt in einsa-
mer Höhe gegenübersteht. Noch gehören die anderen Götter zu
dieser Schöpfungswelt dazu. Die Amarna-Religion vollzieht dann
die letzte Konsequenz und verbannt die Götter aus der Welt. Was
nun aus neugefundenen Hymnentexten in aller Klarheit hervor-
geht, ist die theologische Arbeit, die hinter diesen religiösen
Umwälzungen steht.86 Das betrifft nicht nur die Entstehung, son-
85 Dieser These habe ich 1983 mein Buch Re und Amun. Die Krise des polytheisti-
schen Weltbilds im Ägypten der 18.-20. Dynastie gewidmet. Der Alttestamentler
Johannes D. de Moor hat u. a. auch auf dieser Grundlage ein neues Bild der
Frühgeschichte des israelitischen Monotheismus entworfen: The Rise of Yah-
wism. The Roots of Israelite Monotheism, Leuven 1990.
86 Den Aspekt der „theologischen Arbeit“, den man im Zusammenhang einer
wachsenden Professionalisierung des Priestertums im Ägypten des Neuen
Reichs sehen muß, habe ich behandelt in „Arbeit am Polytheismus. Die Idee
der Einheit Gottes und die Entfaltung des theologischen Diskurses in Ägyp-
ten“, in: H. v. Stietencron (Hrsg.), Theologen und Theologien in verschiedenen
Kulturkreisen, Düsseldorf 1986, 46-69. Man muß die Entstehung von „Theolo-
gie“ im Zusammenhang sehen mit zwei anderen Prozessen, die beide für das
Neue Reich kennzeichnend sind: die Professionalisierung des Priestertums
 
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