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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 1. Abhandlung): "Entartete Kunst" und internationales Privatrecht: vorgetragen am 6. November 1993 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48170#0024
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Erik Jayme

Im deutschen Recht beträgt die Ersitzungszeit 10 Jahre, in der
Schweiz dagegen nur fünf Jahre (Art. 728 ZGB).
Der Ablauf der Zeit kommt aber selbst Bösgläubigen zugute. Im
deutschen Recht kann sich sogar der Dieb nach 30 Jahren auf die
Verjährung des dinglichen Herausgabeanspruchs (§ 985) berufen.34
Er wird dann zwar nicht Eigentümer, darf aber die Sache behalten.
Im Schweizer Recht dagegen sind die Herausgabeansprüche des
Eigentümers unverjährbar.35
3. Vier Grundfragen und ein Beispiel: Das Aquarell „Zwei schwarze
Flecken“von Kandinsky
Es gibt also vier Grundfragen, die sich in den Einzelfällen stellen
können:
a) Äußern nationalsozialistische Gesetze, die fundamentalen
Gerechtigkeitsvorstellungen zuwiderlaufen, heute Rechtswir-
kungen? Konkret: Beeinflussen solche Gesetze die heutige
Bewertung der Eigentumslage bei Werken der entarteten
Kunst?36
b) Die zweite Frage betrifft die Anforderungen, die an den guten
Glauben bei Werken der entarteten Kunst zu stellen sind.
c) Wie steht es mit der Ersitzung solcher Werke?
d) Schließlich geht es um die Möglichkeit der Verjährung bei ding-
lichen Herausgabeansprüchen.
Es sind dies Fragen des bürgerlichen Rechts, deren praktische
Bedeutung fast vergessen schien, die aber im Kunstrecht zu unge-
ahnter Bedeutung zurückfinden.
Außer Klees Sumpflegende ist etwa das Aquarell „Zwei
schwarze Flecken“ von Kandinsky (1923) betroffen.37 Dieses Bild

Das RG hat im Menzel-Fall (RG, 6.10.1930, RGZ 130,69) entschieden, daß eine
Geschäftsunfähige, die auf Grund nichtiger Schenkung den Besitz übertragen
hat, trotz der Ersitzung „die Herausgabe der Bilder (nicht nur Wertersatz)
verlangen kann.“
M.E. handelt es sich hier um eine Krypto-Regel des Kunstrechts.
34 Vgl. oben Note 28.
35 Vgl. BG, 15.2.1922, BGE 48 II (1922), 38ff., 44-47.
36 Vgl. hierzu Reich/Fischer, oben Note 8.
37 Vgl. art 3/93, S. 137.
 
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