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Fuhrmann, Manfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 4. Abhandlung): Alexander von Roes - ein Wegbereiter des Europagedankens?: vorgetragen am 16. Februar 1991 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48173#0025
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Alexander von Roes

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Verhältnis zu ihm nehme der Bischof als Stellvertreter Christi nur
die zweite Stelle ein: Cathwulf zielt auf ein theokratisches System,
innerhalb dessen Karl an der Spitze sowohl der weltlichen als auch
der geistlichen Gewalt stehen soll. Karl, fährt Cathwulf fort, habe
allen Grund, Gott unaufhörlich zu ehren: quod ipse te exaltavit in
honorem glorie regni Europae - „weil er dich zu der ruhmreichen
Ehre der Herrschaft über Europa erhoben hat.“48 Regnum Europae'.
die kühne Formel umschreibt offensichtlich die Herrschaft, die
Karl, der höchste weltliche und geistliche Fürst in einer Person,
ausübt.
Fünfzehn Jahre später verwendet Alkuin, der Ratgeber und
engste Mitarbeiter Karls, den Europa-Namen: die Kirche, schreibt
er in einem Brief, der für einen Angelsachsen bestimmt ist, genieße
in partibus Europae, „im europäischen Bereich“, Frieden, ja sie
wachse und gedeihe dort, während in Afrika und Asien die male-
dicti Saraceni das Heft in Händen hielten.49 Alkuin verknüpft
Europa mit der Kirche, Afrika und Asien mit dem Islam; er weist
hiermit zum ersten Male auf den Antagonismus der beiden Reli-
gionen hin, der in der späteren Geschichte des Europagedankens
eine bedeutende Rolle gespielt hat. Außerdem nennt er Karl, der
die Sachsen und Friesen zum Christentum bekehrt habe, als
Garanten des Friedens und Wachstums der Kirche; Karls Reich,
die Christenheit und Europa sind identisch, sind nichts als drei ver-
schiedene Ausdrücke für dieselbe Sache.
Die Karlspanegyrik spiegelt die Erfolge einer langwährenden,
umsichtigen Herrschaft und nicht zuletzt die Tatsache, daß Karl
den territorialen Bestand seines Reiches nahezu verdoppelt hatte.
Der Europa-Name begegnet dort gleichwohl nur selten, in einem
einzigen Gedicht; offensichtlich machte ihm die Anknüpfung an
Rom, an das römische Kaisertum, welche die Kaiserkrönung im
Jahre 800 mit sich gebracht hatte, erfolgreich Konkurrenz. Jenes
Gedicht, ein anonymes Epos-Fragment, dem man den Titel Karo-
lus magnus et Leo papa gegeben hat, enthält immerhin einige ein-
drucksvolle, Karl mit Europa verbindende Formeln. Die Metapher
Europae... celsa (veneranda)pharus - „Europas hochragender (ehr-
würdiger) Leuchtturm“ ahmt Venantius Fortunatus nach, der den
48 MGH, Ep.Bd. 4, Epistolae Karolini aevi 2, ed. E. Dümmler et alii, Berlin 1895, p.
502 f.
49 Ebendort (Anm. 48), p. 32.
 
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