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Fuhrmann, Manfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 4. Abhandlung): Alexander von Roes - ein Wegbereiter des Europagedankens?: vorgetragen am 16. Februar 1991 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48173#0026
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Manfred Fuhrmann

heiligen Martin als Gallica celsa pharus bezeichnet hatte.50 An
anderer Stelle wird Karl mit einem geläufigen Bilde Europae vene-
randus apex - „Europas ehrwürdiger Gipfel“ genannt, und schließ-
lich heißt er kurz und monumental pater Europae, womit der Autor
offenbar den antiken Ehrentitel pater patriae zu überbieten sucht.51
Der Glanz von Karls Regiment ging zunächst ungemindert auf
Ludwig den Frommen über, und so preisen Theodulf von Orleans
und Ermoldus Nigellus, zwei zeitgenössische Panegyriker, auch
den Nachfolger aus vollem Munde als Herrscher über Europa.52
Der Name scheint indes auch damals nie in offizielle Verlautbarun-
gen - in amtliche Schreiben, in Urkunden oder Titulaturen - ein-
gedrungen zu sein; er blieb Ausdruck spontaner und gewisser-
maßen unverbindlicher Bewunderung. Daher war er auch in
besonderem Maße geeignet, den Stimmungsumschwung zu spie-
geln, der die Auflösung des karolingischen Reiches begleitete: der
Rekurs auf Europa nahm nach dem Tode Ludwigs rasch und ein-
deutig eine von der bisherigen Verwendungsweise verschiedene
Gestalt an. Man konnte nicht mehr von einem gegenwärtigen
regnum Europae reden; man mußte sich mit einem reduzierten
Europa-Begriff begnügen. Die Reduktion trat in zweierlei Formen
auf. Ein Teil der Zeugnisse hielt am Gegenwartsbezug des Europa-
Namens fest; dann sah man sich genötigt, das regnum Europae
durch weniger verbindliche Kategorien, wie Glanz, Ruhm oder
Ansehen in Europa, zu ersetzen. Ein anderer Teil der Zeugnisse
hielt am strikt politischen, herrscherliche Macht beanspruchenden
Charakter des Europamotivs fest; dann blieb den Autoren nur
übrig, von einer Vergangenheit zu sprechen, die mit dem Regiment
Karls identisch war. Die an erster Stelle genannte Reduktionsform
findet sich vor allem in panegyrischen Äußerungen, etwa in
Gedichten des Sedulius Scottus (Mitte des 9. Jahrhunderts),53 wäh-

50 MGH, AA Bd. 4,2 (Anm. 43), p. 296.
51 MGH, Poetae Lat. Carol, aevi Bd. 1, ed. E. Dümmler, Berlin 1881, p. 366ff.: v.
12 und 169 (pharus)', 93 (apex); 504 (pater).
52 Theodulf: Ebendort (Anm. 51), p. 531, c. 39,5. Ermoldus Nigellus: MGH, Poe-
tae Lat. Carol, aevi Bd. 2, ed. E. Dümmler, Berlin 1884, p. 32, In honorem Hludo-
wici 2,272; vgl. ebendort, p. 48, In honorem Hludowici 3,267.
53 MGH, Poetae Lat. Carol, aevi Bd. 3, ed. L. Traube, Berlin 1896, p. 183, c. 2,5,13;
p. 195, c. 2,30,27. Vgl. Hrabanus Maurus an Ludwig den Deutschen, MGH, Ep.
Bd. 5 (Anm. 46), p. 472, sowie Notker über die Prinzen Ludwig III. und Karl-
mann, MGH, Script. Bd. 2, Scriptores rerum Sangallensium etc., ed. G. H. Pertz
et alii, Hannover 1829, p. 330.
 
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