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Meuthen, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 5. Abhandlung): Die Acta Cusana: Gegenstand, Gestaltung und Ertrag einer Edition — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48174#0020
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Erich Meuthen

Als ich seinerzeit Italien nach „Briefen“ des Cusanus für die Hei-
delberger Edition durchzukämmen hatte, stieß ich in den oberitalie-
nischen Fürstenarchiven auf eine ganze Reihe unbekannter Cusa-
nuskorrespondenz. Interessanter als diese Korrespondenz waren
jedoch oft eben die Berichte, die von den in Rom weilenden Für-
stengesandten an ihre Herren gingen, nämlich über das, was der
Kardinal ihnen vertraulich-mündlich zukommen ließ, und nicht
zuletzt, was andere von ihm hielten.37
Damit nicht genug, muß aus den Quellen wohl auch nachgefragt
werden - es kam schon zur Sprache -, wieweit seine Anordnungen
als Kirchenmann, als Reformer, als Landesfürst in die Tat umgesetzt
wurden. Zustimmung wie Protest erfolgten stets sehr rasch. Für die
epochale Beurteilung des Cusanus ist diese spontane Reaktion der
Zeitgenossen sicher aufschlußreich: Wie und wo man ihn kritisch
ablehnte, man ihm - immer wieder auch hymnisch - zustimmte.
Ein weiteres fällt auf, nämlich wie häufig seine schriftlichen
Äußerungen aufbewahrt worden sind, im besonderen auch in
eigenhändiger Überlieferung. Offensichtlich genoß er schon zu sei-
ner Zeit einen gewissen Ruhm, wenn man gerade seine Briefe oder
gar Notizen für aufhebenswert hielt. Natürlich bedarf es eines
gewissen Spürsinns, um zu diesem oder jenem Aktenbündel zu
greifen. Und dennoch überrascht, wie unvermutet sich dann Cusana
darin finden. Die philosophische Genialität wird ergänzt durch eine
immer wieder in Erstaunen setzende Breite der alltäglichen Bemü-
hung. Zum Wesen solchen Schriftwerks gehört es, daß das einzelne
Stück nicht schon eine Spitzenleistung zu sein braucht. Vielmehr
ergibt sich die Bedeutung der Persönlichkeit erst aus dem Ensemble
ihrer verschiedenartigen Äußerungen. Und sicher ist darin noch
nicht deruomo universale der Renaissance realisiert. Aber alles zielt
doch dahin. Und es scheint mir nicht ohne Belang, auch diese Breite
in einer Edition wie den „Acta Cusana“ einzufangen. Was ihn ande-
rerseits von dieser Welt gewiß noch trennt: Es fehlt das ganz große,
sich selbstdarstellend stilisierende Vergnügen an der eigenen
Lebensgeschichte, wenngleich seine autobiographische Kurzvita
von 1449 auch solches schon andeutet.38
37 Meuthen, Letzte Jahre 127-314. Hier im besonderen die Berichte des mantuani-
schen Gesandten Bartolomeo Bonatto (329 s.v.) sowie der Mailänder Otto de
Carreto (329 s.v.) und Sceva de Curte (331 s.v.).
38 AC 1/2 Nr. 849. - Vgl. hierzu auch oben Anm. 22.
 
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