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Heckel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1995, 3. Abhandlung): Die deutsche Einheit als Verfassungsfrage: wo war das Volk? ; vorgetragen am 11. Februar 1995 — Heidelberg: Univ.-Verl. Winter, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.48183#0018
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Martin Heckel

fernerer Zukunft durch einen aus den allgemeinen Wahlen nachwach-
senden Konsens zu kompensieren sei.
Die Volksabstimmung wird freilich mit gegensätzlicher Zielsetzung
gefordert: Von den einen zur Bestätigung und dauernden Legitimierung
des Grundgesetzes, von den anderen zu seiner Beseitigung im Dienst der
prinzipiellen Veränderung der Verhältnisse, um plebiszitär mit einfa-
cher Mehrheit Ziele zu erreichen, die keine parlamentarischen Zwei-
Drittel-Mehrheiten erhoffen können. Volksabstimmung also zur Be-
wahrung des bewährten oder zur Ablösung des veralteten Grundgeset-
zes? Dafür sind - wie zu zeigen sein wird - ganz verschiedene juristische
Figuren und Prozesse nötig.
Aber war nicht das Volk im Grunde doch als Träger der Verfassung-
gebenden Gewalt am Handeln seiner Repräsentanten beteiligt?
Das Faktum der deutschen Teilung zwingt dazu, Ost und West ge-
sondert zu betrachten.
3. Im Osten nahm die Revolution einen in der Geschichte beispiello-
sen friedlichen Verlauf, ohne Bürgerkrieg und Regierungssturz, Mach-
tergreifung und Liquidierung der bisher herrschenden Kräfte 1
a) Immerhin war es eine echte Revolution, wenn man darunter im
Rechtssinn den breiten Bruch des Legalitäts-Systems und seiner Legiti-
mitäts-Grundlagen zu verstehen hat. Die reale Verfassung der DDR
zeigte deshalb nach der Wende schizophrene Züge'. Das revolutionie-
rende Volk hat die Strukturen des Staates und der Partei verlassen und
ihren Machtwillen gebrochen. Aber es organisierte sich nicht zur revo-
lutionären Willens- und Handlungseinheit, sondern verharrte im diffus
wogenden Diskussionsprozeß. Es setzte sich nicht in den Besitz der
Macht, sondern an viele Runde Tische. Die Revolution mündete nicht
in den Willensakt einer neuen Verfassungsgebung. Die alte Verfassung
galt fort trotz oder besser zwecks der Revolutionierung ihres Inhalts, die
von den alten Machthabern selbst als Wendehälsen mit vorauseilender
Gefügigkeit betrieben wurde. Die alte Volkskammer wurde nicht auf-
13 Statt anderer vgl. Helmut Quaritsch, Eigenarten und Rechtsfragen der DDR-Revolu-
tion, in: VerwArch 83 (1992), S. 314 ff.; Uwe Thaysen, Der Runde Tisch. Oder: Wo blieb
das Volk?, Opladen 1990; Bernhard Schiink, Deutsch-deutsche Verfassungsentwick-
lungen im Jahre 1990, in: Der Staat 30 (1991), S. 163 ff.; Bernd Guggenberger/Tine Stein
(Hrsg.), Die Verfassungsdiskussion im Jahr der deutschen Einheit, München/Wien
1991; Wilhelm Henke, Das Ende der Revolution und die Verfassunggebende Gewalt
des Volkes, in: Der Staat 31 (1992), S. 265 ff.; Ingo v. Münch, Dokumente der Wider-
vereinigung Deutschlands, Stuttgart 1991.
 
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