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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0090
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86

6. ERSTES GUTACHTEN FÜR DEN ULMER RAT

versprochen vnd mit dem kirchgang162 oder byligen163 noch nit voll zogen ist vnd
furfiele, das eynem oder beiden teylen ein mergliche rew vnd vnwillen164 gepure165,
Darauß schwere ergernuss vnd vnradt zu besorgen, nach gelegenheit166 der sachen,
wenns die Ehnchter besserhch167 erkennen mochten, vergunnet wurde, solich eh-
beredung168 ein ander wider vff zu sagen169, Nemlich wo das mochte mit beider
parth6 verwilligung vnd memansc nachteyl oder ergernuß beschehen. Dann ser
schimpflich lst, das in allen anderen contracten vnd zusagungen sich die, so einander
I I etwas versprochen11, selbe auch wider loedigen1170 mögen, Wo das Inen bai-
den gelegen171 vnd sust meman dadurch nachteyl zu eiwartten hat, vnd allein in der
ehversprechung, welche das hochst fursehen172 bedarffe, solle das nicht gelten, ob
gleich mcht allain syeg, die den heyradt einander zügesagt, sonder auch menglich
des173 einigen nachteil nit174 zü besorgen hetteh, sy auch noch in keinem verdacht
sind leyphcher vermischung175.
Die kayserhchen recht geben zü, wo die zügesagte Eh mit der heymfurüng176
oder beyhgen noch mt volzogen ist vnd zway auß bewilligung der elteren oder
b) danach gestr.: »w-«: a.
c) von Bucer übergeschr. und eingewiesen für gestr.: keines: a.
d) versprechent: b.
e) von Bucer übergeschr. und eingewiesen m a.
f) korr. aus: »le-«(?)= a.
g) siehe[!]: b.
h) von Bucer korr. aus: hat: a.
162. In der frühen Neuzeit besaß eine Ehe schon anhand des gegenseitigen Eheversprechens und
durch das faktische Zusammenleben Rechtsgültigkeit und bedurfte mcht eines Kirchgangs. Die öf-
fentliche kirchliche Einsegnung verschaffte jedoch der Ehe ein größeres Maß an Legitimation. Vgl.
van Dülmen I, S. 141 und 144; Ozment^ When Fathers ruled, S.25. Außerdem drängte die Kirche
(trotz der Anerkennung heimlicher Eheschließungen) auf die öffenthche Trauung »in facie eccle-
siae« vor Pfarrer und Zeugen. Vgl. Kanon 51 des vierten Laterankonzils von 1215, Liber Extra,
lib. 4, tit. 3, c. 3, Friedberg II, Sp. 679 f. = DS 817.
163. Beilager, Vollzug des ehelichen Beischlafs. Die kanomsche Rechtsschule Gratians betrach-
tete den Vollzug der copula carnalis als definierendes Moment der Eheschließung. Vgl. Decr. Grat.
II, C. 27, qu. 2, c. 34 und 39, Friedberg I, Sp. 1073 f.; Liber Extra, lib. 4, tit. 1, c. 30, Friedberg II,
Sp. 672.
164. Nichtwollen.
165. zuteil würde, entstünde; vgl. Grimm 4 (=IV,i,i), Sp. 1892.
166. den Umständen, der Beschaffenheit.
167. als besser, nützlich.
168. Ehezusage.
169. Zu dieser Frage vgl. auch das Gutachten Bucers in diesem Band, »Ob den Christen zieme«,
Nr. 4, S. 55-57.
170. befreien.
171. passend, willkommen ist.
172. die größte Voraussicht, den höchsten Bedacht.
173. davon.
174. memand eines einzigen Nachteils.
175. d. h. nicht m Verdacht stehen, die Ehe vollzogen zu haben.
176. »Führung nach Hause; besonders das feierliche Geleiten der Braut nach ihrer neuen Heimat
und das bei dieser Gelegenheit veranstaltete Fest«. Grimm 10 (=IV,2), Sp. 870.
 
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