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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0109
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8. REGI QUALEM TU HUNC PRAEDICAS

!°5

nur eine Tochter, Maria4; alle anderen Kinder starben bei der Geburt.5 Heinrich war
es aber ein politisch dringendes Anliegen geworden, einen männlichen Thronfolger
zu haben. Daß er sich darüber hinaus von Katharina innerlich entfremdet hatte und
eine Beziehung mit der viel jüngeren Anna Boleyn6 pflegte, war auch kein Ge-
heimms. Es waren aber Gewissensbisse wegen der Verletzung des in Lev 18,16
enthaltenen Verbotes, die Heinrich in seinem Bestreben, die Ehe annullieren zu las-
sen, geltend machte. Außerdem schien die in Lev 20,21 bei einer solchen Ubertre-
tung angedrohte Strafe der Kinderlosigkeit ja gerade für ihn und Katharina von Ara-
gon zuzutreffen.7 Im März 1527 setzte Heinrich VIII. Verhandlungen mit dem
Papst in Gang, um seine 1509 eingegangene Ehe von der Kirche ungültig erklären zu
lassen.8 9
Die allgemeine pohtische Lage in Europa war aber für sein Anliegen denkbar un-
günstig. Katharina von Aragön war eine Tante des zunehmend mächtiger werden-
den Kaisers Karl V. Nach der Niederlage des französischen Königs Franz I. gegen
den habsburgischen Kaiser m der Schlacht bei Pavia 1525, vor allem aber nach dem
Sacco di Roma 1527 mußte der Papst - 1m französisch-habsburgischen Konflikt
konnte er bisher lmmer m seiner neutralen Position den Ausschlag geben — nunmehr
die Interessen Karls stärker berücksichtigen und sich seiner Macht beugen. Unter
diesen Umständen war eine eherechthche Entscheidung Clemens’ VII. zugunsten
der von Heinnch VIII. beantragten Nichtigkeitserklärung alles andere als wahr-
scheinlich. Tatsächlich endeten zäh gefiihrte Verhandlungen mit dem päpstlichen
Legaten Lorenzo Campeggio 1529 mit einer Blamage für den enghschen König.
Heinnch VIII. setzte seine Bestrebungen aber noch entschlossener fort, zögerte
auch nicht, ab November 1529 die allmähliche Abkoppelung der englischen Kirche
von der römischen Kurie durch Maßnahmen des »Reformations-Parlaments« ein-
zuleiten. Anfang 1530 bat er außerdem zahlreiche Umversitäten, Stellung zu semer
beantragten Nichtigkeitserklärung10 zu nehmen. Diese Konsultation blieb nicht
ohne die erwünschte Frucht: Die Universitäten Oxford, Cambndge, Paris, Orleans,
Angers (dort nur die juristische Fakultät), Bourges, Toulouse, Bologna, Padua und
Ferrara äußerten sich insgesamt positiv zu dem könighchen Begehren. Nur die
4. Die künftige englische Königin Maria I., die Katholische oder die Blutige, geb. am 28. Februar
1516, gest. am 17. November 1558.
5. Katharina erlitt eine Fehlgeburt im Flerbst 1517; im November 1518 kam ein Sohn tot zur
Wcll. Diesen beiden sicher dokumentierten Fällen waren aber schon zahlreiche weitere Fehlgebur-
ten, die Heinrich VIII. als Strafe Gottes auffaßte, vorausgegangen. Vgl. Dickens, English Reforma-
tion, S. 152; Scarisbrick, Henry VIII, S. 150; TRE 15, S.9.
6. Geboren um 1507, hingerichtet am 15. Mai 1536.
7. Vgl. oben Anm. 5.
8. Heinrich strebte eme Annullierung und keine Ehescheidung an; nach kanonischem Recht war
eine Scheidung vom Bande (separatio a vinculo matnmonu, divortium quoad vinculum), die eine
Wiederheirat ermöghcht hätte, ausgeschlossen. Die einzige Möghchkeit, eme neue Ehe eingehen zu
dürfen, bestand m der kirchenrechthchen Feststellung, daß die vermeintliche Ehe von Anfang an
keme eigentliche gewesen war.
9. Vgl. Scarisbrick, Henry VIII, S. 198—228.
10. Bei dieser Anfrage ging es m erster Lmie darum, ob der Papst das Recht habe, das m Lev
18,16 und 20,21 enthaltene Verbot zu erlassen.
 
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