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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0561
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17. RATSCHLAG TJBER DIE BEGEHRTE EHE

557

Dieweil dann ausfundig32, das der schererr - als der noch seinen vatter hat, welcher
ein solich ehe mit der frouen nit verwilliget - kein ehe hat beschliessen konden, ver-
möge33 mt allein der von Bern34 vnd vnserer herren35, sonder auch götlicher36 vnd
gemeiner37 K[aiserliche]r rechten38, findet sichs, das, da die Frou mit dem kachlerr
die ehe abgeredt, des scherers halb vnverbunden gewesen ist, als der mit ir keyn ehe
hatt beschliessen mogem’9. Wol irtheils'40 ist sie bunden gewesen, dann sie noch nit,
wie recht, erfaren hat, das der schererr ein vatter gehebt vnd des orts sein selb mt ge-
wesen ist, Darumb sie auch als, die zwen menncr zur ehe genommen41, billich ge-
straffet worden ist.
Noch142, seitemal43 das ann im44 selb gut vnd lm rechten bestendig durch ein zu-
fallenden45 mißbrauch vnd mangel nit arg vnd lm rechten vnbestendig werden mag,
Auch die erkantnus46 des richters die sach an ir selb weder böß noch gut, krefftig
oder vnkrefftig machet, sonder allein, wie sie ann lr selb lst vnd ers findet, erken-
net47, so folget, das die eheberedung, durch den kachlerr mit der Frouen beschehen,
binden vnd bestohn muss, Dann er die selbig eingangen, so ferr der handel mit dem
schererr nit binde. Nun hat er nit bmden mogen, wie hernaher lm rechten erkant ist,
I 729’ I Ob dann schon das selbige die froue noch mt mit recht aus findig gemacht
vnd des halb, wie gesagt, so fil an ir, dieweil sie, mit einem anderen verhafft, ein ande-
ren zur ehe genommen vnd m beiden handlungen wider die ehehche erbarkeit
schwerlich gesundiget; so ist sie doch auch hierumb zimhch48 gestraffet, vnd mag,
wie gemeldet, dis ir vnrechte handlung nit ein ehe machen, dauon von natur der ehe
keine hat sein konden oder gemacht werden. Dann die ehe mcht lst, es bewilhge
e) korr. aus: »irtheil bvn-«.
f) Vor die folgenden drei Zeilen von anderer Hand an den linken Rand geschneben: Utile per
mutile non soluitur.

32. offenkundig, bekannt.
33. kraft.
34. Gemeint ist das Berner Ehegencht. Zur Entstehung desselben vgl. oben S. 138—140 und Köh-
ler, Zürcher Ehegericht I, S. 308 —357. Da Aarau sich 1m Berner Landgebiet befand, hat sich das
Aarauer Ehegericht an das Chorgericht m Bern gewandt. Zur Zusammenarbeit zwischen beiden
Ehegerichten vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht I, S. 352.
35. Vgl. oben Anm.27.
36. Vgl. oben S. 78,16-79,14.
37. allgemeiner.
38. Vgl. etwa Inst. 1,10, ClCiv I, S. 4 und Dig. 23,2,2, ClCiv I, S. 330.
39. können.
40. ihresteils. Vgl. Grimm 10 (= IV,2), Sp. 2056.
41. sc. durch Beilager. — Diese juristische Wertung hat die oben angegebene Prangerstrafe be-
gründet.
42. Dennoch.
43. weil.
44. sich.
45. vorfallenden, vorkommenden, eintretenden.
46. das Urteil.
47. (be-)urteilt, entscheidet.
48. gebührend, angemessen.
 
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