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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Wilhelmi, Thomas <PD Dr.> [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 13): Unionsschriften 1542 - 1545 — Gütersloh, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30650#0244
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5. EIN CHRISTLICHE ERINNERUNG

Allgemeiner Bi-
schoue lst ein titel
eins vorleuffers
Antichnsti. Epi-
stola 30. lib. 6

worden sein, wie es dann die Canones vnnd Leges züm ernstlichsten erforde-
ren. Noch dorffen sie in disem so hellenn liecht der warheit solich onuer-
schamt ding fürgeben, Der Papst habe allein zü reformierenn. Lehret man
dann kein bessere lehre in der Sapientz1 zü Rom, dann die also schleusset,
Alles das S. Peter bindet vnd loset, das müß gebunden vnd geloset sein2 vnd
er solle des Herren schaflin weidenn?3 Darumb, was S. Paulus I vj / C iij b I
bindet vnd loset, solle nit gebunden vnd geloset sein, vnd er solle dem Herren
seine schaflin nit weiden. Hat doch der Herre nit gesagt: »Du, Petre, sollt
meine schaflin alle vnnd die allein weidenn; niemand solle dir daran helffen.«
Oder: »allein dein binden vnd losen solle gellten; one dich solle niemand bin-
den oder losen.« Aber diser nichtiger dampff solicher losen Sophisterei ist
lengist bey allen kinderen Gottes verrochen4.
Also sihet auch ein jeder wol: wan schon diser Papst Paulus mit den seinen
werenn ware Papst, Bischoue vnd Priester vnnd hetten gleich alles, das sie
jnen selb zümessen, das darumb doch gar nit folgete, das sie allein reformieren
sollen, vnd nit ein jeder Christ vnd kirch vnd jedes land für sich vnd vor allen
anderen seine mangel besseren vnd bey sich, was jmer mage deformiert sein,
wider reformieren.
Nun aber ist auch offentlich5 onwar vnnd gottloßlich erdichtet das jenige,
auß dem sie schliessen wollen, das dem Papst alle religion sachen allein sollen
befolhen sein, Nemlich, das sie sagen, der Papst seye ein allgemeiner Bischoue
der gantzen allgemeinenn kirchen Christi; Er seye das haupt vnnd ein Fürste
aller Priester, ein vatter aller vetter; Er habe die fülle des gantzenn priester-
thumbs vnnd allen gewallt. Diß I vij / C iiij a I ist aber so onwar, das der
H. Papst Gregorius zeuget6, das der dem Antichrist vorlauffe, wer sich ein
universalem, ein allgemeinen Bischoue, heisse oder begere, also geheyssen
werden. Jnn dem er wol geweyssaget hat, dann Johannes7, der Constantino-
politanisch Bischoue, der im8 disen titel öxopevixoü, allgemeinen oder der
gantzen wellt Bischoue, züm erstenn angemasset, dem Papst zü Rom in dem
wie Johannes der teuffer Christo vorgelauffen ist. Dann die Papst solichen ti-
tel gar bald nach disem Johanne durch hilff des frommen Keysers Phoce9,

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IO

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1. (angeblichen) Weisheit.
2. Mt 16,19.
3. Vgl.Joh 21,15-19.
4. mcht beachtet, verachtet, vergessen. Lexer 3, Sp. 208.
5. offensichtlich, offenbar.
6. Gregor /., Epistola V,43 (PL 77, Sp.774; MGH Ep. 1,2, S.335 [hier V,4i]). Vgl. auch
Epistola V,i8 (PL 77, Sp. 741-742; MGH Ep. 1,2, S.342 [hier V,44]); Epistola V,20 (PL 77,
Sp. 746; MGH Ep. 1,2, S. 322 [hier V,37]).
7. Johannes IV. (Ieiunator), gest. 595, Patriarchvon Konstantinopel 582—595. Er heß sich
zum allgemeinen Mißfallen »umversaler Bischof« und »ökumenischer Patriarch« nennen.
Bautz 3, Sp. 394-399.
8. sich.
9. Phokas, geb. nach 547, gest. 610, byzantimscher Kaiser 602—610. LThK3 8, Sp. 264.
 
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