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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0050
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

seines gedichts, als ob er sich bei ihnen so gar keines rechtens hab zu getrosten25 ge-
habt, das er sich auch müste in gefahr setzen leibs und guts, wa er die warheit gegen mir
frei und gantz anzeigte. Da aber er und meniglich wol weiß, wa er einige wäre anklage
wider mich hette, das er auch bei unseren christlichen Oberen mich zu gepürender straff
und sich seines anzeigens halben zu besonderer ehren bringen kondte. 5
Derwegen ein jedes erbar hertz gegen disem und allen solchen Schandgedichten und
schmehschrifften gedencken und sagen solle, wie im gesetz der Keiser Valentiniani und
Valentis ist gemeldet26: Ligt solchen Lesterdichtern etwas an gemeiner wolfart und
habend, des sie die leut vor jemands lästeren und schaden verwarnen sollen, so setzen sie
ihre namen darzü, damit sie, ob sich die warheit von inen angezeiget erfindet, des gros 10
lob und lohn empfangen. Wollen sie aber iren namen nit darzü thün, so sollen sie sich
aller solcher schmehschrifften enthalten oder einer hauptstraff underworffen und ehrlos
sein. Welcher straffen die Keifserlichen] recht auch underwerffene alle, die solche
schmehschrifften haben, kauffen oder verkauffen oder, das solchs geschehe, verschaf-
fen27, ja, auch die solche schandgedicht nit, so bald sie die finden, zerreissen oder ver- 15
brennen, sonder iren inhalt offenbaren.
| D 2 b | Dis Kaiserliche] gesetz ist gegründet in gemein ein gesetz der liebe und
menschlicher gemeinschafft, wie das ein jeder aus natürlicher billichkeit wol erkennen
kan. Derhalben haben alle frommen wol zü sehen, was erbarkeit und ehr sein konde
bei allen denen, die diß Colnischen Vorfechters so mörderisch lestergedicht haben 20
gedrucket, feilgetragen und ausgebreitet28.
Nun ich mich aber habe lassen bereden, den einfeltigen zur besserung, den güthertzi-
gen zum tröst und den feinden Christi zü geringerung ires trutzes etwas auff dises
Colnischen Vorfechters schandgedicht zü antworten, will ich die Ordnung halten, Das
ich erstlichen antworte uff das er mich lesteret der lehr und Christlicher reformation 25
halben, in dem er nit mich allein, sonder mit mir beleuget29 und lestret alle diener
Christi, Fürsten, Völcker und Stett, die unsere reine lehre und besserung Christlicher
d) hahen.
e) underwerf-: das »en« fehlt am Anfang der folgenden Zeile.
25. Erhoffen, erwarten (im Zusammenhang: als hätte er damit nicht rechnen, es nicht erwarten
können, bei den Oberen Recht zu bekommen).
26. Qodex] de famosis lihellis. [Marg.]. — Die Gesetze der Kaiser Valentinian und Valens gehö-
ren zu den Authenticae leges. Aus ihnen stammt der in der Randglosse zitierte Codex de famosis
libellis, der sich im Codex Justiniani findet. Vgl. Corpus Iuris Civilis, Cod. IX, 36. - Zu den Au-
thenticae leges vgl. Pauly-Wissowa 17,1, Sp. n62ff. bes. nöyf. Dort auch kritische Bemerkungen
zur angeblichen Authenzität, die im Grunde ein Irrtum der Bologneser Glossatoren (Irnerius,
Accursius) war. Die Humanisten und Reformatoren des 16. Jhdts. hatten Tradition und Sprachge-
brauch von Bologna übernommen. - Bei Tacitus und Sueton bezeichnet famosum libellum eine
Kontrovers- oder Schmähschrift (vgl. K. E. Georges: Lateinisch-deutsches Wörterbuch 1. Hanno-
ver 1969. Sp. 2685). Der Sinn der Vorschrift aus dem Codex Justiniani ist dieser: Schriften, die
(sachliche oder auch ehrenrührige) Angriffe auf Personen, die mit Namen genannt werden, enthal-
ten, haben mit dem vollen Namen des Verfassers zu erscheinen.
27. Ermöglichen, bewirken. Götze, S. 81.
28. Zum Kauf angeboten (verkauft) und verbreitet. Lexer 3, Sp. 48.
29. Verleumdet (von beliegen: Lexer 1, Sp. 173).
 
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