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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0129
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EIN SUMMARISCHER VERGRIFF

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der jene zu Münster getriben hat, auch uns treibe. Und disen seinen erbaren billichen
verstand26 understaht diser lesterer zu beweren mit vier argumenten.
Das erste, das wir den spruch: Man müsse Gott mehr dann den menschen gehorchen21
sollen wider seinen rechten natürlichen verstand dahin anziehen und deüten, das wir die
5 underthonen, so vil an uns, wider ire ordenliche Oberkeiten zu ungehorsame, abfall und
rebellion erwecken, wie die zu Münster auch gethon.
Das ander argument, das wir auch lehren sollen wie | B ia | die zu Münster, das die
Oberkeiten und underthonen schuldig seien, bei verlust irer seelen Seligkeit, die statt,
alles ir vermögen, leib, leben, ehre und güt daran zu hencken, das sie bei dem Evangelio
10 und Gottes wort bleiben mögen, mit angehenckter Verheissung, das sie Gott darbei nit
verlassen werde.
Das dritt argument, das wir, wie die zu Münster, unseres beruffs, lehre und handlung
keine andere beweisung darthün28 konden dann die heilige Schrifft.
Das vierde, das wir unsere lehre, wie auch die zu Münster gethon, nit allein auff die
15 innerliche Reformation des innerlichen tempels - die der Herre und die Apostel Peni-
tentiam heissen, welche einem jeden Christen zustande und gebotten seie - richten und
treiben11, sonder auff die Reformation des eüsseren tempels und kirchen, die von stein
und holtz gebawen ist, und auff iren eüsseren Ceremonischen Gottsdienst, welche
Reformation allein dem höchsten gewalt und den oberkeiten zustande29.
20 Und hierauff ermanet dann diser dichter gantz fleissig, das alle undere oberkeiten und
regenten mit iren underthanen an dem exempel der statt Münster lernen wollen, wie
sorglich30 und gefehrlich seie, sich den Schrifftgelehrten, Theologen und Predicanten
vertrawen und auff ir anweisen und anhalten ein verenderung im eüsseren Gottsdienst
one der hohen oberkeiten willen fürnemmen, dieweil zu Münster solicher jamer und
25 mord hieraus erfolget seie. In welcher statt auch vil wolgeachter, dapfferer, verstendiger,
weiser menner gewesen seien, die doch mit den anderen verdorben sind dadurch, das sie
iren Predicanten, dieweil die in der Schrifft gelert und dieselbige mit grossem ernst
angezogen, so vil geglaubet haben.
Dabei vermanet er, der gehorsame Christi under Pontio | B ib | Pilato zu volgen und
30 dem h. Geist gehorchen, der da lehret, alle seelen der Oberkeit sollen underthon sein
etc.31.

h) zweite Klammer irrtümlich hinter »treiben« gesetzt.
26. Gutartiges (aber) primitives Verständnis. Dazu Lexer 1, Sp. 607.276; 3, Sp. 249.
2-7- Apg 5,29.
28. Begründen, rechtfertigen. Götze, S. 31.
29. Diese Argumentation findet sich schon auf der Straßburger Synode von 1533 in der Diskus-
sion um die drei letzten Artikel des Glaubens und der Lehre. Dort wird sie von Wolfgang Schult-
heiß stärker als von Anton Engelbrecht vorgebracht. Vgl. Täuferakten 8, S. 39ff. 43ff. 55ff.;
W. Bellardi, Anton Engelbrecht, S. 191 ff. Die hier gebrauchten Termini wie »innerlicher - eusserer
tempel« usw. haben ihre Heimat in der spiritualistischen Mystik. Vgl. ders.: Wolfgang Schultheiss.
Wege und Wandlungen eines Straßburger Spiritualisten und Zeitgenossen Martin Bucers. In:
Schriften der Erwin von Steinbach-Stiftung 5. Frankfurt a. M. 1976.
30. Besorgniserregend, gefährlich. Götze, S. 203.
31. Vgl. Mt 27,11 ff.; Ro 13,1.
 
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