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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0148
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

heiligen Evangelio und Gottes wort mögen bleiben, Und, wo sie das thün, das sie Gott
nimmer lassen kan. Der Herre hat je gesagt: Wer nit wisse, umb seinet und seines lieben
Evangelions willen zu verlassen und zu verlieren vatter, muter, weib, kinder, brüder,
Schwester und sein eigen leben, der möge nit sein junger sein. Math, x [37]; Luc. xiiii
[2.6.27]. 5
Und hie magstu wol sehen, wes glaubens diser Lesterer seie, was er von Christo dem
Herren und seinem heiligen Evangelio und darumb auch vom künfftigen leben halte,
der das für ein Münsterische auffrurische lehr dargibt, so man eben das lehret, das unser
lieber Herre Christus hat gelehret: Das man ja alles auffsetzen muss und solle, damit
man bei dem heiligen Evangelio und Gottes wort bleiben möge. 10
Aber der geist reget sich hie, der lengest200 sich nicht gescheühet hat zu lehren: Die
eüssere Religion möge ein jede Oberkeit ires gefallens anrichten, und deren möge sich
ein jeder halten, sie seie Jüdisch, Türckisch, Bäpstlich oder Lutherisch, - wann er allein
Gott lieb habe und thüe dem nechsten guts, ob er schon von Christo, unserem Herren,
wie in | E 2a | die heiligen Evangelisten beschreiben, nichts wisse noch glaube, so werde 15
er dennocht selig201.
Wer nun ein ander himelreich weis, dann das uns unser Herre Christus hat bereitet,
oder einen andern mitler, der im zu Gott helffe, der suche denselbigen. Wir wissen
keinen anderen himel, dann in den unser Herre Christus ist gefaren, und niemand, der
auch uns darein verhelffe dann in. So hat er uns so ernstlich gezeüget: Wer sein leben hie zo
wolle finden und enthalten202, der werde es in ewigkeit verlieren. Wer es aber umb
seinet und seines heiligen Evangelions willen hie verlieret, der werde es in ewigkeit
finden203.
Diser Epicurischen leüth204 Gott ist der Mammon und bauch, sind feinde des creüt-
zes Christi, die müssen faren205 lassen alle, die dem Herren Christo wollen nachvolgen. 2.5
Da sollen wir aber wol auffsehen, das wir bei dem einigen waren Evangelion bleiben
und bei dem allein alles auffsetzen. Welches die zu Münster nit gethon, sonder haben die
heilige Schrifft und das geschriben Evangeli verachtet und ein newes Evangelion von

200. Seit langem.
201. Seit den Tagen der ersten Straßburger Synode (1533) stand B. in offener Auseinanderset-
zung mit der Gruppe, die er unter dem Namen »Epikuräer« zusammenfaßte. Vgl. Anm. 71, S. 68
dieses Bandes. Vgl. dazu Wendel, eglise, S. 38f.; Gerbert, S. i6off.; Schieß 1, S. 442. 459. 466 u. a.;
K. Deppermann'. Melchior Hoffmans letzte Schriften aus dem Jahre 1534. In: ARG 63. 1972. S. 73;
W. Bellardi, Anton Engelbrecht, S. 190f. (dort auch Angabe weiterer Quellen und Abgrenzung
gegen Wendeis Darstellung in Anm. 24 und 25). W. Bellardi, Wolfgang Schultheiss. — Gerade an
dieser Stelle gibt B. eine gute Charakteristik der Grundhaltung dieser humanistischen Kreise, deren
Toleranz sehr weit ging und die für die spiritualistischen Gedanken und Begriffe anfällig waren.
Darum kamen sie auch immer wieder — meist wohl zu Unrecht — in den Verdacht, wiedertäuferische
Sympathisanten zu sein. Das hier Gesagte würde zweifellos gut auf Wolfgang Schultheiß zutreffen.
Vgl. Einleitung, Anm. 10 und 12.
202. Erhalten, bewahren. Götze, S. 64.
203. Das Zitat ist kombiniert aus Mk 8,35; Mt 10,39; Lk 9,24.
204. Vgl. Anm. 201.
205. Möglicherweise ist hier auch das Verb »vären« = »nachstellen« gemeint. Im späteren
Textzusammenhang gilt nur die Bedeutung »fahren lassen«.
 
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