HANDEL MIT CUNRAT TREGER
167
durch das alle Christen kinder Gottes geboren werden, neme sein krafft
von menschen? Ist nit das die menschen über Gott gesetzet? Wer hat
doch von anfang der welt ye ein solche grewliche gottslesterung gehöret
von eim, der christlichs glaubens ein fürfechter wil sein? Lassz und gib
5 doch deiner Kirchen allen gewalt über die schrifft, so du nur selb wilt, was
wiltu ir doch mer geben, dann das ir zustande zu urteylen, welche bücher
das wort Gottes seind oder nitt, würt darumb folgen, das alle ire krafft
von der Kirchen sey ? Ein goldtschmidt erkennt, das ein guldin gerecht
ist, hatt darumb der gulden all sein krafft vom goldtschmidt? Macht
10 er, das er guldin ist? wer hat doch ye freveler und dabey tölpischer Gott
gelestert?
Ich meynt die heyligen schrifft hetten ire krafft von Gott, des wort sye
seind, ee auch dann die Kirch von ym etwas wissen künde. Dann das
die Gemeyn ein gesponß Christi ist, hat sye durch den glauben, der glaub
15 kompt uß der predig, die predig uß dem Gottswort. Roman, x. [17]. Diß
ist die schrifft. Und du armer ellender mensch solt sagen, die schrifft
häb all ir krafft von der Kirchen? So hör ich wol, die Kirch der Juden,
die das kalb anbetteten, haben den Zehen gebotten und schrifften Mose
ire krafft geben 353? Secht, dohyn kummen die armen leüt, die sich der
20 heylsamen leer des Evangelii entgegensetzen, das sye nit wissen, was
sye sagen oder was sye setzen. Welcher baur ist so grob uff dem Schwartz-
waldt 354, der do sagt, ob ym schon sein bryeff nichts gülte, das gericht
erkante yn dann gerecht, das sein bryeff drumb alle krafft hette vom
gericht, so er vor ein rechtfertiger, worhaffter, versigelter brieff gewesen
25 wer? Nun ist es dennest kein gleichs. Dann die schrifft Gottes bey allen
gottseligen ye und ye als das wort Gottes ist angenommen worden
on einig annemen der Concilien oder einiges rechtfertigen. Für
welches Concilium seind die Juden kummen, eh sye die bücher
Mose haben angenommen? Desgleichen der Propheten? Wohyn haben
30 die Galater, Corinther, Epheser und vil andere die Epistolen Pauli
geschickt, sye zu bekrefftigen ? Weh, weh der stoltzen gottslesterlichen
unsynnigkeit.
353. Vgl. Ex 32.
354. Der grobe Bauer war eine beliebte und ob seiner Dummheit, Unbildung und
Tollpatschigkeit viel belachte Figur der Fastnachtsspiele. Obschon B. hier diesen
Typ des »hinterwäldlerischen« Bauern bemüht, ist doch diese Wertung der Bauern
für ihn nicht charakteristisch. Vielmehr gibt er sich in der Regel als der Anwalt der
»Gutherzigen und Einfältigen« - zu denen man doch wohl gerade auch die Bauern
wird zählen müssen-, die von den »Papisten« oder auch von den Wiedertäufern ver-
führt werden (vgl. dazu F. Besold: Die »armen Leute< und die deutsche Literatur
des späten Mittelalters. In: Aus Mittelalter und Renaissance, 1918, S. 48-81,
und P. Böckmann: Der gemeine Mann in den Flugschriften der Reformation. In:
Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaften und Geschichte 22, 1944,
S. 186-230).
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durch das alle Christen kinder Gottes geboren werden, neme sein krafft
von menschen? Ist nit das die menschen über Gott gesetzet? Wer hat
doch von anfang der welt ye ein solche grewliche gottslesterung gehöret
von eim, der christlichs glaubens ein fürfechter wil sein? Lassz und gib
5 doch deiner Kirchen allen gewalt über die schrifft, so du nur selb wilt, was
wiltu ir doch mer geben, dann das ir zustande zu urteylen, welche bücher
das wort Gottes seind oder nitt, würt darumb folgen, das alle ire krafft
von der Kirchen sey ? Ein goldtschmidt erkennt, das ein guldin gerecht
ist, hatt darumb der gulden all sein krafft vom goldtschmidt? Macht
10 er, das er guldin ist? wer hat doch ye freveler und dabey tölpischer Gott
gelestert?
Ich meynt die heyligen schrifft hetten ire krafft von Gott, des wort sye
seind, ee auch dann die Kirch von ym etwas wissen künde. Dann das
die Gemeyn ein gesponß Christi ist, hat sye durch den glauben, der glaub
15 kompt uß der predig, die predig uß dem Gottswort. Roman, x. [17]. Diß
ist die schrifft. Und du armer ellender mensch solt sagen, die schrifft
häb all ir krafft von der Kirchen? So hör ich wol, die Kirch der Juden,
die das kalb anbetteten, haben den Zehen gebotten und schrifften Mose
ire krafft geben 353? Secht, dohyn kummen die armen leüt, die sich der
20 heylsamen leer des Evangelii entgegensetzen, das sye nit wissen, was
sye sagen oder was sye setzen. Welcher baur ist so grob uff dem Schwartz-
waldt 354, der do sagt, ob ym schon sein bryeff nichts gülte, das gericht
erkante yn dann gerecht, das sein bryeff drumb alle krafft hette vom
gericht, so er vor ein rechtfertiger, worhaffter, versigelter brieff gewesen
25 wer? Nun ist es dennest kein gleichs. Dann die schrifft Gottes bey allen
gottseligen ye und ye als das wort Gottes ist angenommen worden
on einig annemen der Concilien oder einiges rechtfertigen. Für
welches Concilium seind die Juden kummen, eh sye die bücher
Mose haben angenommen? Desgleichen der Propheten? Wohyn haben
30 die Galater, Corinther, Epheser und vil andere die Epistolen Pauli
geschickt, sye zu bekrefftigen ? Weh, weh der stoltzen gottslesterlichen
unsynnigkeit.
353. Vgl. Ex 32.
354. Der grobe Bauer war eine beliebte und ob seiner Dummheit, Unbildung und
Tollpatschigkeit viel belachte Figur der Fastnachtsspiele. Obschon B. hier diesen
Typ des »hinterwäldlerischen« Bauern bemüht, ist doch diese Wertung der Bauern
für ihn nicht charakteristisch. Vielmehr gibt er sich in der Regel als der Anwalt der
»Gutherzigen und Einfältigen« - zu denen man doch wohl gerade auch die Bauern
wird zählen müssen-, die von den »Papisten« oder auch von den Wiedertäufern ver-
führt werden (vgl. dazu F. Besold: Die »armen Leute< und die deutsche Literatur
des späten Mittelalters. In: Aus Mittelalter und Renaissance, 1918, S. 48-81,
und P. Böckmann: Der gemeine Mann in den Flugschriften der Reformation. In:
Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaften und Geschichte 22, 1944,
S. 186-230).