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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528
ziehen, es ist uns noch tröstlicher. Darumb was nit wider die gnad ist,
sol man seiner und seiner mutter natur gar nichts ablegen «. Nun frag
ich dich, lieber Seboldt, ists nit die natur menschlichs leibs, das derselbig
leiblich 6 nur f eynig sey und zumal nur g an eynem ort?
Seb.: Ich muß es bekennen. 5
Arb.: Gibt nu die schrift h Christum nit allenthalben dar, als der nur i
an eynem ort zumal leiblich sey?
Seb.: Ja, on an disem ort, doj er selbs sagt, sein leib sey im brot.
Arbo.: Neyn, Bruder. Er spricht, das brot sey k sein leib.
Seboldt: Das gilt mir gleich. 10
Arb.: Er spricht aber nit, das das brot leiblich sein leib sey. Und
wenn du es leiblich verstehn wilt, so machstu Christo zwen l leib und
laßt in nit eyn naturlichen menschen bleiben, dem du alles, das nit sünd
ist, zugebest, wie dir und mir, wie dich doch der Luther selbst leret m.
Seboldt: Du machst mich irr. Ich weyß schiern 116 nit, welchem teyl 15
ich zufallen sol.
Arbo.: Christo selb und keynem menschen. Der gibt sich selb dar,
als der umb unsertwillen unser eyner worden ist. Und leret Luther
darin wol11 7, das er schreibt, »wir kunden o Christum nit so tieff ins
fleysch und die natur ziehen, es ist uns noch tröstlicher «. So laß in nun 20
eyn waren naturlichen menschen sein. So dann solcher nit mag zugleich |
C 5 a mehr dann an eynem ort leiblich sein (dann sunst p hett er nit nur q
eynen leib) so bekenn, das dise wort: Das ist mein leib etc. nit mögen
leiblich r verstanden werden. Lieber, do s er sagt: Ich bin eyn warer rebstock
[Jo 15,1], was ist doch die ursach, das du es nit auch also verstehst, das 25
er eyn leiblicher rebstock gewesen sey, aber doch unsichtbarlich ?
Seboldt: Das der Herr ein mensch ist, und kan nitt zumal eyn reb
sein.
Arb.: So kan er eben t als wenig brot sein.
Sebo.: Er kann aber im brot sein. 30
Arb.: So lauten die wort nit.
Seb.: In den worten: Ich bin eyn rebstock [Jo 15,5], kan ich wol sehen,
das es eyn verwendte red ist, und das rebstock nit in seiner natürlichen
deuttung genommen wirt u.
Arbo.: Woher ? 35
Seb.: Ey, do v ist ein gleichnüß: Wie der rebstock die schoß11 8 haltet
e) leiplich B. - f) nur B. - g) nur B. — h) schrifft B. - i) nur B. — j) da B. -
k) sie A. — l) zween B. — m) lernt A. - n) schir B. - o) künnen B. - p) sonst B. -
q) nur B. - r) lieblich A. - s) da B. - t) aber B. — u) würt B. - v) da B.
116. Beinahe, eigentlich.
117. Vgl. WA 10, I, 1 S. 68, 6-7.
118. Sproß, Rebe.
SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528
ziehen, es ist uns noch tröstlicher. Darumb was nit wider die gnad ist,
sol man seiner und seiner mutter natur gar nichts ablegen «. Nun frag
ich dich, lieber Seboldt, ists nit die natur menschlichs leibs, das derselbig
leiblich 6 nur f eynig sey und zumal nur g an eynem ort?
Seb.: Ich muß es bekennen. 5
Arb.: Gibt nu die schrift h Christum nit allenthalben dar, als der nur i
an eynem ort zumal leiblich sey?
Seb.: Ja, on an disem ort, doj er selbs sagt, sein leib sey im brot.
Arbo.: Neyn, Bruder. Er spricht, das brot sey k sein leib.
Seboldt: Das gilt mir gleich. 10
Arb.: Er spricht aber nit, das das brot leiblich sein leib sey. Und
wenn du es leiblich verstehn wilt, so machstu Christo zwen l leib und
laßt in nit eyn naturlichen menschen bleiben, dem du alles, das nit sünd
ist, zugebest, wie dir und mir, wie dich doch der Luther selbst leret m.
Seboldt: Du machst mich irr. Ich weyß schiern 116 nit, welchem teyl 15
ich zufallen sol.
Arbo.: Christo selb und keynem menschen. Der gibt sich selb dar,
als der umb unsertwillen unser eyner worden ist. Und leret Luther
darin wol11 7, das er schreibt, »wir kunden o Christum nit so tieff ins
fleysch und die natur ziehen, es ist uns noch tröstlicher «. So laß in nun 20
eyn waren naturlichen menschen sein. So dann solcher nit mag zugleich |
C 5 a mehr dann an eynem ort leiblich sein (dann sunst p hett er nit nur q
eynen leib) so bekenn, das dise wort: Das ist mein leib etc. nit mögen
leiblich r verstanden werden. Lieber, do s er sagt: Ich bin eyn warer rebstock
[Jo 15,1], was ist doch die ursach, das du es nit auch also verstehst, das 25
er eyn leiblicher rebstock gewesen sey, aber doch unsichtbarlich ?
Seboldt: Das der Herr ein mensch ist, und kan nitt zumal eyn reb
sein.
Arb.: So kan er eben t als wenig brot sein.
Sebo.: Er kann aber im brot sein. 30
Arb.: So lauten die wort nit.
Seb.: In den worten: Ich bin eyn rebstock [Jo 15,5], kan ich wol sehen,
das es eyn verwendte red ist, und das rebstock nit in seiner natürlichen
deuttung genommen wirt u.
Arbo.: Woher ? 35
Seb.: Ey, do v ist ein gleichnüß: Wie der rebstock die schoß11 8 haltet
e) leiplich B. - f) nur B. - g) nur B. — h) schrifft B. - i) nur B. — j) da B. -
k) sie A. — l) zween B. — m) lernt A. - n) schir B. - o) künnen B. - p) sonst B. -
q) nur B. - r) lieblich A. - s) da B. - t) aber B. — u) würt B. - v) da B.
116. Beinahe, eigentlich.
117. Vgl. WA 10, I, 1 S. 68, 6-7.
118. Sproß, Rebe.