Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0139
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BERICHT AUSS DER HEYLIGEN GESCHRIFT

135

wolte sy Paulus als liebe brüder uffgenommen und mit keinem unzeitigen dispu-
tieren bekümmert haben. Saget, sy essen dem Herren nicht, als wol als die andern
dem Herren assen, wolte also, das man sy dem Herren solte stehn lassen.
Dise meinung hat es auch warlich jetz diser zeit. Es ist wol vil schwerer miß-
breuch und aberglauben vil er Ceremonien in die kirch kommen95, wievil seind
aber deren, die von altem här Christlich gehalten und noch Christlich gehalten
werden möchten. Ob dann in solichen Ceremonien etliche leut die gehorsame der
kirchen durch unwissen noch erhaltet, die man doch sunst wol sicht, das sy ir
vertrawen und gantze säligkeit auff unseren Herren Jesum Christum setzen, be-
weysends durch die liebe, soll man warlich mit denselbigen seer freuntlich faren
und sy in allweg als liebe brüder erkennen und halten.
96Zum vierden so volget, das, welche der kirchen im wort zu auffbawung dienen
sollen, das die der Herr selbs geben, die gemein annemen und darfurhalten muß,
und sy alle ire leere dahinrichten, das man in einigkeit komme des glaubens und
erkantnuß unsers Herren Jesu Christi, das nemlich er uns alles das allein ist und
thut, dadurch wir sälig werden. Auß welchem dann folget, das man in der liebe
warhafft und thätig erfunden wurt. Der grund dises allen ist klärlich in vorge-
setzten worten Pauli und zwar in aller schrifft.
Derhalb so folget nun, lieben Herren, freund und brüder, alle, die ir unseren
Herren Jesum Christum als eweren einigen und gemeinen heyland erkennen und
anrüffen, das ir euch allzumal als Christen und glider eins leibs undereinander er-
kennen und halten sollen, onangesehen, ob ihr schon neben | c 2 b | disem einigen
glauben, durch den ir das ewig leben habet und Christen seind, in eusserlichen
übungen97 noch nit alles gleich verstehn künden. So verr ir nur Christum von
hertzen suchet.
98Warlich, lieben freund und brüder, wir werdens nimmermer verantworten,
so unser Herr Jesus nit mer forderet dann glaub an sich, aber waren und leben-
digen glauben, der durch die liebe thätig ist, das wir einander weiter treiben wöl-
len. Welchs auch warlich nierget herkommet, dann das man noch des glaubens nit
recht gefület hat und noch nit erkennet, das in disem glauben allein das ewig leben
steht. Dann wer warlich erkennet, das er sein und aller creaturen halb ewigklich
verdammet sein müßte, wann im nit durch den tod unsers Herren Jesu Christi
geholffen wurde, glaubet aber, das er nun ein erb seye des ewigen lebens, seitemal
unser Herr Jesus fur uns den tod gelitten, wie solte sich ein solicher unserem
Herren Jesu nit gentzlich ergeben, uff in alles setzen und sich in seinem gebot der
lieb gegen menigklich mit höchstem ernst üben, geschlacht99 und gelassen, auch
gegen allen irrenden so mitleidig sein und mit seinem Herren und heyland die
neün- und neuntzig schaff verlassen und das hundertist suchen100, das er sich mit
95. Mißbrauch und Aberglaube in der Kirche.
96. Woher und welche rechte prediger. [Marg.].
97. Zur Verschiedenheit in äußeren Bräuchen vgl. CA7. BS, S.61.
98. Wie warer glaub zu einigkeit treibet. [Marg.].
99. Geartet; hier prägnant: von guter Art, gesittet.
100. Vgl.Lk 15,4ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften