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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0282
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IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN

unseren. Solten wir, lieber Gotprächt, das ausser79 leben auff ewer seiten ansehen,
weistu wol, wie es bey den besten ewers theils staht, bey den aller heyligsten, aller
würdigsten, würdigen, geystlichen, andächtigen, Päbsten, Cardinälen, ertz- und
anderen Bischoffen, ertzpriesteren, äpten, prioren, Gardianen, äptissen, priorissen
und dem gantzen genanten80 geystlichen hauffen81?
Gotp.: Es verneynet niemand, das der geystlich stand vor allen anderen einer
guten, strengen reformation bedörffe; dieweil ir Lauterischen aber euch sölicher
reformation underziehen, ja besserung fürgebt aller gesetzen, leren, gepreuchen,
stenden, was? nit allein der gantzen kirchen, sonder auch der gantzen welt,
müsten ir nit selb so grob fehlen82 und der besserung sowol als andere und etwan
mer dann andere bedörffen.
Goth.: Hab ich nit gesagt: Viel berüffet, wenig erwelet [Mt20,16]? dis ist leyder
auch unsers teyls war, der acker des herren by uns hat auch sein unkraut, unser
Evangelisch garn zeucht auch faule fisch83.Wir wöllen uns aber aller deren, die
unseren Herren Jesum nit in der warheit lieben, gar nichts beladen; soliche söllen
uns verbannet sein zum todt, 1. Corinth. 16 [22]. Wie aber umb deine Byschoffe,
prelaten und besten des genanten geystlichen standts, die ir nicht allein nit ver-
bannen, sonder dafür halten, das, weliche sie wöllen, von Christo verbannen oder
zu Christo bringen mögen, für wen geben sich nun dieselbigen aus? Nennen sie
sich nit stathalter Christi, nachkommen der Apostolen84, hirten und seelsorger,
die zwar das saltz der erden [Mt 5,13] und |B2b | der welt sein sollen, massens inen
an, wellens auch allein sein, die leib und seel aller welt zu reformieren und zu
regieren haben und die auff erden überall nieman zu straffen oder besseren, bey der
höchsten ungenaden Gottes und S.Peter und S.Paul, understohn solle85. Aber,
mein Gotprächt, wie ich vor gesägt, laß uns die streytigen religionhendel, deren
halb wir nun lengest uns miteinander besprechen wolten, im grund und an inen
selb ansehen. Der menschen wolhalten86 machet nichts gut, das an im selb bös, so
machet auch ir übelhalten nichts bös, das an im selb gut ist. War ists: von früchten
kennet man den baum [Mt 12,3 3]; man muß aber auch drauff sehen, das man ein
yeden baum bey denen früchten kenne und richte, die er in der warheyt tregt, nit,
die man im zumesset und fürgibet, er trage sie, so er sie doch nit tregt. Das einer
79. Äußere.
80. (So)genannten.
81. Zu den sittlichen Zuständen der Straßburger Kleriker und Mönche im 16. Jahrhundert vgl.
Adam, S. 11-21; K.Hahn: Die katholische Kirche in Straßburg unter dem Bischof Erasmus von
Limburg (1541-1568). Frankfurt a.M. 1940. S.36f. 69-71. 82.
82. Sündigen.
83. Vgl.Mt 13,24-30. 47f.
84. Als Nachfolger der Apostel kennt die Kirche ihre Bischöfe schon seit den ältesten Zeiten;
vgl. Clemens Romanus: Epist. ad Corinthos 42; Mirbt-Aland I, S. 13. Statthalter Christi jedoch ist
der Papst allein; vgl. Donatio Constantini II; Mirbt-Aland I, S.253.
85. Den Papst als Richter aller selbst zu richten verbietet das Decretum Gratiani. Mirbi- Aland I,
S.303. Pius II. untersagt in seiner Bulle >Execrabilis< von 1460 die Appellation vom Papst an
ein Konzil. Mirbt-Aland I, S.490.
86. Wohlverhalten.

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