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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0286
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282

IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN

von lieb, so ist es liebe nach dem rechten natürlichen verstand diser wörter; der-
gleichen haltet es sich auch in anderen worten und namen. So frage ich dich nun,
was heysset uns zu gutem teutsch »glauben«?
Gotp.: Etwas, so gesaget oder anzeyget ist, für gewiß und war halten.
Goth.: Wol geantwortet. Was heysset dir »disem oder jhenem glauben«?
Gotp.: Seine rede als war on allen zweyfel annemmen.
Goth.: Was dann »an disen oder jhenen glauben« oder »glauben haben«? Als
man sagt »an den artzet hab ich guten glauben«.
Gotp.: Einen sonder zweyfel dafür halten, dafür er sich außgibt.
108aGoth.: Gut, wolan, eben die meynung hat es in der schrifft des alten testa-
ments mit dem wort NJMAH, des newen pisteuein, wie auch des Lateynischen
»credere«, welche alle drey zu teutsch »glauben« heyssen. Gott schickete den Mose
zum volck Israhel, als es in Aegypto so grausam quelet warde, und ließ inen sagen,
er wolte sie von | C1 a | dem qual und kummer erlösen und ins land Canaan füren,
darin sie im von allen heyden frey und mit allen gütern reychlich begabet109 in
warer gotsforcht dienen solten. Moses klaget, sie wurden im nit glauben und in
nit hören. Got gabe110 im zeychen zu thun, damit er beweisen solte, das in Got
gesendet hat, die thet er durch seinen bruder, den Aaron, vor dem volck, als er
inen die zusage und das anbieten Gottes durch denselbigen fürtragen hat. Daruff
folget in der schrifft: Das volck hat geglaubet und haben gehöret, das Got die kinder
Israhel heymgesuchet hat und iren qual angesehen, seind uff die erd gefallen und haben Got
geeret, Exo.4[31].
Gotp.: Wie volget, das sie solich zusage Gottes für war erkennet und, allen
zweyfel hyndan gesetzet, für gewiß gehalten, wie sie vom Aaron gehöret, also
solte es inen ergohn. Darumb haben sie dann Got mit dem niderfallen und an-
betten gedancket.
Goth.: Wol geredt. Hat es aber nun nit eben dise meynung mit dem wort
»glauben«, als der Herr zun Juden sagte: Warlich, sag ich euch, die zöller und üp-
pigen111 weiber werden euch ins reich Gottes vorgohn. Dann Johannes ist zu euch kommen im
wege der gerechtigkeyt, und ir habt im nit glaubet, Matth. 21 [3 1f.].
Gotp.: Ich achte ja.
Goth.: Warin haben sie es bewisen?
Gotp.: Mit der besserung ires lebens, zu deren sie Johannes berüffet hat mit
fürhaltung: Das reich Gottes were herbey kommen und auch die axt an die wurtzel
des baums gesetzet, wo man das anbotten reich Gottes verachtete112.
Goth.: So volget, wo glaub, das ist, wo man gehörte red für gewiß und war
und uff den, der sie geredt, das haltet, des er sich außthut113, so wirdt man sich
108 a. Was warer glaub. [Marg.].
109. Beschenkt.
110. Das -e (gabe) ist hyperkorrekt und damit ein Zeichen der Unsicherheit. Es erscheint in
Sprachlandschaften, deren Mundart auslautendes -e in der Regel beseitigt hat. Es finden sich in
diesem Text viele Beispiele mit hyperkorrektem -e.
111. Leichtfertigen.
112. Vgl.Mt 3,2.10.

113. Ausgibt.
 
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