Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0023
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung
i. Die weltliche Ohrigkeit und das Ius Reformationis
Das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Obrigkeit zu Beginn der Reformation
gehört zwar nicht zu den zentralen Kontroversthemen, wohl aber zu den schwierigsten
Gegenständen jener Zeit. Die Kritik an der Verflochtenheit von kirchlichem und
weltlichem Regiment im Mittelalter konnte nicht ausbleiben. Zu groß und zu offen-
sichtlich waren die Mißstände. Das Reich Gottes und das Reich der Welt waren zur
Unkenntlichkeit miteinander vermischt und verwischt. Besonders in den Reichsstäd-
ten, die eine in gewissem Maße geschlossene und überschaubare christliche Gesell-
schaft bildeten, war die Verquickung beider Bereiche, die besonders in der geistlichen
Gerichtsbarkeit und der kirchlichen Immunität zum Ausdruck kam, für den Stadtma-
gistrat schon längst zum Stein des Anstoßes geworden 1 .
Tatsächlich jedoch war die Frage, ob und in welchem Maße die weltliche Obrigkeit
sich der Sache des Glaubens und der Religion anzunehmen habe, schon im 15. Jahr-
hundert mehr und mehr zugunsten des landesherrlichen Kirchenregiments entschie-
den worden. Durch den Humanismus wurde diese Tendenz noch verstärkt: besonders
Erasmus hatte in der Schrift >Institutio principis christiani< (1516) durch die Rückkehr
zum natürlichen Staatsbegriff der Antike Wichtiges dazu beigetragen, dem weltlichen
Regiment einen von der Kirche unabhängigen Status zu geben 2 .
Auch Martin Luther hatte sich schon bald mit dieser heiklen Frage auseinanderzu-
setzen. In seiner Schrift >Von weltlicher Oberkeit< (1523), die im Grunde einer Kon-
fliktsituation ihr Entstehen verdankt, geht es dem Reformator einerseits um eine klare
und prinzipielle Trennung der beiden Reiche, andererseits — und dies nicht weniger —-
um die Verantwortung des Christenmenschen für das Reich der Welt (Zwei-Reiche-
Lehre) 3 .
Dieser Verantwortung war sich der politisch stark engagierte Bucer in besonderem
Maße bewußt. Die Einführung der Reformation in Straßburg und bald darauf in einer
anderen wichtigen Reichsstadt, Augsburg, brachte ihn in unmittelbarer und intensiver

1. Wie erstaunlich weit sich die geistliche Gerichtsbarkeit erstreckte, ist umfassend von
K. Sten^el: Die geistlichen Gerichte zu Straßburg im 15. Jahrhundert. In: ZGO. N. F. 29.
1914/15. S. 366 — 446, 52 — 95, 201—253 und 343 — 383 dargestellt worden. Vgl. auch: P. Levresse:
L’officialite episcopale de Strasbourg de ses origines a son transfert a Molsheim (1248—1597).
Diss. Kan. Recht. 2 Bde. Straßburg 1972. — Die Immunität kirchlicher Amtsträger und die
Verwendung der Kirchengüter für weltliche Zwecke war oft ärgerniserregend. Vgl. J. Rott:
Pfaffenfehden und Anfänge der Reformation in Straßburg. In: Landesgeschichte und Geistesge-
schichte. Festschrift für O. Flerding. In: Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche
Landeskunde in Baden-Württemberg 92 (Reihe B). Stuttgart 1977. S. 279—294. F. Rapp:
Reformes et Reformation ä Strasbourg. Eglise et societe dans le diocese de Strasbourg (1450 —
1525). Paris 1974. S. 199 — 203, 281—318. W. S. Stafford: Domesticating the Clergy: The Incep-
tion of the Reformation in Strasbourg 1522—1524. In: American Academy of Religion. Diss.
Series 17. Missoula, Montana 1976. Bes. S. 22ff. und 109ff.
2. Erasmus: Institutio principis christiani; ASD 4,1. S. 95 — 291.
3. M. Luther: Von weltlicher Oberkeit; WA n, S. 245 — 281.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften