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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0089
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DIALOGI

85

Hart: Wie aber, so ainer ain oberkait hette, die in wol zu gehorsame der beschwer-
den, die die genandten gaystlichen auß ir angemaßten Tyranney den leüten auflegen,
nitt tribe, sy freyeten in aber derselbigen nit? Frid: Wa Gott den Tyrannen nit gibt, das
sy yeman mit der that vergewaltigen und beschwären mügen, da wil Gott sein gnad
; und gute befmden lassen und dorffen die kinder Gottes nyeman seines mutwillens an
inen selb raum geben, Da sy anders des wol mügen über sein209, | [G 1 b] | Gottes
ordnung in dem unverletzet210, das ist, der ordenlichen gehorsame und allem guten,
das sy zu thun und fürderen schuldig seind, on abbrochen.
Hart: Wie aber, So ainer obren hatt, die in woi zu den beschwärnussen der genanten
10 gaistlichen nit treiben, sy schützen in aber auch nit, wenn die gaistlichen etwan in andre
weg die nachlassung irer Tyrannischen gebott rechten. Als ich wol Closterleüt waiß,
die sich zü gemainem Christlichen leben gethon. Item die Ehen in graden, welche der
Bapst verbeüttet, eingangen seind und anders nach Christlicher freyhait gethon und
solchs dem Bapst züvor nit erkauffet haben. Denen haben wol ire obren solche freyhait
15 gegunnet und inen dieselbige irethalb unverhindert gelassen, hernaher aber, da die
gaystlichen durch andre obren weg gefunden, das sy solche, die inen ire freyhait nit
züvor abkauffet, in allerlay unrhat211 bracht haben, da in Erbfällen, da in andren. In
demselbigen seind sy dann von iren ordenlichen obren verlassen worden. Wenn es nun
der obren halben ain solche gestalt hat, wie ist im dann zu thün?
20 Frid: Nyeman kan etwas an dir rechen oder dich in unrhat bringen, er habe dann
gewalt über dich. Den habe er joch durch sich selb oder durch andre. Alsbald dann
gewalt da ist, so ist Gott da, und müß der Christ seinem Gott und Herren stillhalten.
Also, wa der Herr freyhait gibt, wie ferr und wie lang er die gibt, hat der Christ sich
derselbigen freyhait auch zü gebrauchen, aber so ferr und so lang im die der Herr
25 vergunnet. Denn die gantze welt und alles dem menschen zu dienst und gütem ge-
machet ist212. Da gilts aber aufsehen, wieweytt Gott ainen vor bosem gewalt freye.
Wenn dir schon dein rechte oberkait etwas freyhait vergunnet, die obre oberkait aber
vergunnet dirs nit, und dein nächste oberkait weyßt dich gegen der obren oberkait bey
zügebner freyhait nit zu schirmen und müß sorgen, die genandten gaistlichen werden
30 dich durch hilff der obren oberkait in mehreren unrhat füren, dann du dir durch brauch
deren freyhaiten, die dir dein nächste oberkait irethaib nachgibt, magst rhat schaffen.
Allda hastu zu sehen, das dich Gott in solchen sachen noch nit gefreyet hat.
| G 2a j Hart: Nach diser mainung müsten etliche vil in dem gemainen Priester-
stand, Closterleben und andren unchristlichen gehorsamen bleyben, ja auch vil, die
3; von solchem abtretten seind, sich wider dahin begeben. Frid: Nit also, der Priester-
stand und Closterleben, wie die yetz gemainlich gehalten werden, seind layder dem
widerchristlichen wesen also verhafftet, das die Christum recht erkennen darin nit
bleiben mügen. Dann sy thün und gedulden müssen, das sy mit Got weder thün noch
gedulden mügen, bede in Cerimonien und andrem leben. Da müß man eh leib und

209. Des Mutwillens (des Tyrannen) leid sein.
210. Latinisierende Formulierung (Ablativus Absolutus); s. oben S. 53, Anm. 25.
211. Not, Unheil, Nachteil, Schaden.
212. Vgl. Ps 8,7.
 
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