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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0114
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I IO

OBRIGKEITSSCHRIFTEN

worten offenbar anzaiget, das er sollich gebott nit allain den weltlichen, sonder auch
den Priesteren und Mün- | L 2 a| chen gebe, so er spricht: Ain yede seel seye den obren
gewalten underthon, Du seyest gleich ain Apostel, ain Evangelist, ain Prophet und wer
du wollest, dann durch dise underthenigkait wirt die Gottsaligkait nit verhinderet
noch zerstoret. Diß seind die wort Chrysostomi und auch der recht aygentlich verstand 5
der leere des hailigen gaysts an disem ort Pauli. Und ist also auß dem gewiß und onwi-
dersprechlich, das Got den obren gewalten, so das schwerdt tragen, alle menschen
underworffen hat, wenns gleich lauter Apostel, Evangelisten, Propheten, Priester und
Münch wären. Sinnp: Ich waiß es nicht zü widersprechen.
388 Frid: Warzü sollen aber nun die obren disen gewalt über alle menschen üben? 10
Sinnp: Zü irer besserung. Frid: Sy sollen ye hyrten und vätter sein irer underthonen.
Sinnp: Also ist ir berüffung von Gott. Frid: Nun, du bist vatter in deinem hauß, mainst
auch, Got wurde es gelten lassen, wenn du dein vätterlich ampt yemand anders woltest
übergeben und es verschweren? Sinnp: On besonderen bevelch Gottes kan ich nit
gedencken, das es mir gebüren mochte. Frid: Wie hat dann mogen den Kaiseren 1;
gebüren, ir vätter- und hyrtenampt über die gaistlichen und volgends der Religion halb
über jederman zü begeben und zü verschweren, an dem gar vil mehr dann an dem
deinen gelegen ist?
Sinnp: Die Kaiser haben villeicht gesehen, das die gaistlichen sich selb baß haben
regieren und die religion zur besserung anrichten künden denn sy, die mit weltlichen 20
geschefften beladen waren, das hetten mogen verschaffen. Frid: Solang dann die
gaistlichen sich selb recht gezogen und gehalten und die Religion getrewlich und wol
versehen hetten, wären die Kaiser der mühe und arbait, sy auf rechten weg zu richten
und zü irem ampt der Religion halb zu halten, überhaben 389 gewesen, hetten aber
darumb nit dorffen iren gewalt und oberhand über die gaistlichen und die Religion 2;
begeben müssen. Flart: Das ampt der oberkait ist auch zum lob des güten 390 . Frid:
Aygentlich und darumb, wenn die gaistlichen gleich als hailig wären gewesen als die
Apostolen, noch haben die Kaiser nit ursach ge- | [ L 2 b] | habt, ire oberkait über sy zü
begeben 391 , ich schweyg zü verschweren.
Hart: Dann sy auch wol zu gedencken gehabt, das die gaistlichen mochten in solcher 30
hailigkait und gerechtigkait nit allweg verharren. Frid: Ja, lieben brüder, eben da die
Kaiser ir ampt über die gaistlichen verschworen haben, da ware es schon bey den
gaistlichen laider dahin kommen, das sy zuvor nye so wol ainer oberkait bedorfft
hetten. Hart: Und ja nur ainer strengen!
Sinnp: Anders lesen wir di[stinctio] 63. Frid: Wie lesen wir dann? Sinnp: Das die 35
Kaiser sich ires gewalts mißbraucht, die Kirchen zerstoret, den Ketzeren fürschub
gethon gaben, und derohalb haben inen die hailigen väter den gewalt über die wahl
und andere geschäft der gaistlichen genommen. Diß billicht der Bapst Stephan 392 auß

388. Die Kayser baben ir ampt der oberkait über die gaistlichen nit gehabt yu begeben. [Marg.].
389. Zu erhaben, zu hochgestellte Persönlichkeiten für diese Mühe und Arbeit.
390. Vgl. Ro 13,3.
391. Auf ihre obrigkeitliche Gewalt zu verzichten.
392. Decr. Grat., D. LXIII. c. 28.
 
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