VON DER WAREN SEELSORGE
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haben, dann die, nachdem sie gefallen, recht und gepürlich gebüsset
hetten 280.
Und derhalben haben die lieben alten Vätter von der Apostel zeit her
nit den sünden für sich selb, wie die farlessigen Bischöff hernaher
5 gethon, sonder den menschen, die gesündiget, wie sie einen jeden in
Sonderheit befunden, die büß gemessiget; Eines jeden gelegenheit und
vermögen in Christlichem thün, und auch der gantzen Kirchen, haben
sie getrewlich angesehen und erwegen 1, und dann zeit und maß der
büß also fürgeschriben, das es bede, denen, die gesündiget, und der
io gantzen Kirchen dazü hat dienen mögen, das sie den sünden feinder
und von derselbigen lüsten und begirden freier und in aller Gotseligkeit
eifriger würden.
Darumb auch die lieben Vätter die grosse büß, die sie wie ein ne wen
tauff und ein gentzliche widerkere zü Got von sünden gehalten, nieman
15 in seinem leben meer dann einmal uffgelegt oder zügelassen haben,
domit soliche büß nit, wie der Augustinus ad Macedonium schreibt,
gering geschetzet und ein eusserlich [67 (S 3) a] thün würde, und die
wäre ernewerung zur Gotseligkeit weder brechte noch fordrete 2Sl.
Also ist das der ander fei an der büß, und fast der geferliehest, wa
20 sye zü einem eusseren gleisnerischen thün mißbrauchet würdt und nit
dazü recht gebrauchet, darzü sie Got geordnet und seiner Kirchen
befolhen hat. Nemlich den menschen einzüfüren in tieffere, aber gleubige
betrachtung seines onrechten und in dem der schweren Verletzung Güt-
licher güte und sein selbs verderben; Dadurch er auch der gnaden
25 Gottes so fil begiriger, den sünden so fil feinder werde, Sich got desto
hertzlicher und volkomner begebe“ 282, liebe in desto inbrinstiger, so
fil er erkennet im mehr vergeben sein. Creutzige und tödte also in im
selb alle arge lüst und begirden, erwecke und entzünde allen eyfer zü
dem willen und gefallen Gottes, ii. Corinth. vii. [iof.].
30 Der dritte fei der büß ist, wenn mans so streng machet, das die
büssenden in allzü großer traurigkeit versincken und verzweiflen, welches
der liebe Paulus an dem Corinthier besorget 283. Auß dem glauben an
Die bescheidenbeit der
alten Vätter in ujflegung
der büß.
Humillima poenitentia,
August, ad Macedonium
Epist. J4
Der rechte brauch
der büß.
1) ut cuiusque conditionem et vires in vita Christiana ... fideliter respexerint ac
perpenderint. — m) qua consideratione in eo excitetur maius desiderium gratiae
Dei, maiusque peccati odium: quo sese Deo eo magis ex animo addicat.
280. Ambrosius: De poenitentia II, 10 (MSL 16,541!.).
281. Der früher als Epist. 54 bezeichnete Brief Augustins wird in MSL 33, 653 und
demzufolge in CSEL 44, 401 als ep. 153 bezeichnet. Im Gegensatz zu MSL 33, 656
fehlt CSEL 44, 402, 5 der Ausdruck »humillima poenitentia«; es bleibt nur »poeni-
tentia «.
282. Ergeben.
283. Wirkungen der falschen Bußpraxis: Überheblichkeit oder Verzweiflung. Vgl.
Luthers Kampf im Kloster, R. Seeberg IV, 1, S. 63 ff. Vgl. 2 Cor 2,7.
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haben, dann die, nachdem sie gefallen, recht und gepürlich gebüsset
hetten 280.
Und derhalben haben die lieben alten Vätter von der Apostel zeit her
nit den sünden für sich selb, wie die farlessigen Bischöff hernaher
5 gethon, sonder den menschen, die gesündiget, wie sie einen jeden in
Sonderheit befunden, die büß gemessiget; Eines jeden gelegenheit und
vermögen in Christlichem thün, und auch der gantzen Kirchen, haben
sie getrewlich angesehen und erwegen 1, und dann zeit und maß der
büß also fürgeschriben, das es bede, denen, die gesündiget, und der
io gantzen Kirchen dazü hat dienen mögen, das sie den sünden feinder
und von derselbigen lüsten und begirden freier und in aller Gotseligkeit
eifriger würden.
Darumb auch die lieben Vätter die grosse büß, die sie wie ein ne wen
tauff und ein gentzliche widerkere zü Got von sünden gehalten, nieman
15 in seinem leben meer dann einmal uffgelegt oder zügelassen haben,
domit soliche büß nit, wie der Augustinus ad Macedonium schreibt,
gering geschetzet und ein eusserlich [67 (S 3) a] thün würde, und die
wäre ernewerung zur Gotseligkeit weder brechte noch fordrete 2Sl.
Also ist das der ander fei an der büß, und fast der geferliehest, wa
20 sye zü einem eusseren gleisnerischen thün mißbrauchet würdt und nit
dazü recht gebrauchet, darzü sie Got geordnet und seiner Kirchen
befolhen hat. Nemlich den menschen einzüfüren in tieffere, aber gleubige
betrachtung seines onrechten und in dem der schweren Verletzung Güt-
licher güte und sein selbs verderben; Dadurch er auch der gnaden
25 Gottes so fil begiriger, den sünden so fil feinder werde, Sich got desto
hertzlicher und volkomner begebe“ 282, liebe in desto inbrinstiger, so
fil er erkennet im mehr vergeben sein. Creutzige und tödte also in im
selb alle arge lüst und begirden, erwecke und entzünde allen eyfer zü
dem willen und gefallen Gottes, ii. Corinth. vii. [iof.].
30 Der dritte fei der büß ist, wenn mans so streng machet, das die
büssenden in allzü großer traurigkeit versincken und verzweiflen, welches
der liebe Paulus an dem Corinthier besorget 283. Auß dem glauben an
Die bescheidenbeit der
alten Vätter in ujflegung
der büß.
Humillima poenitentia,
August, ad Macedonium
Epist. J4
Der rechte brauch
der büß.
1) ut cuiusque conditionem et vires in vita Christiana ... fideliter respexerint ac
perpenderint. — m) qua consideratione in eo excitetur maius desiderium gratiae
Dei, maiusque peccati odium: quo sese Deo eo magis ex animo addicat.
280. Ambrosius: De poenitentia II, 10 (MSL 16,541!.).
281. Der früher als Epist. 54 bezeichnete Brief Augustins wird in MSL 33, 653 und
demzufolge in CSEL 44, 401 als ep. 153 bezeichnet. Im Gegensatz zu MSL 33, 656
fehlt CSEL 44, 402, 5 der Ausdruck »humillima poenitentia«; es bleibt nur »poeni-
tentia «.
282. Ergeben.
283. Wirkungen der falschen Bußpraxis: Überheblichkeit oder Verzweiflung. Vgl.
Luthers Kampf im Kloster, R. Seeberg IV, 1, S. 63 ff. Vgl. 2 Cor 2,7.