VON DER WAREN SEELSORGE
I97
hiezu die ewige noturfft, Christlich zu leben und die armen schaffin
Christi zu heylen, nit vil mehr darzü treiben ? Was kan doch der Antichrist
zu seinem seel verderben? Hat der könden alle winckel vol pfaffen,
mönich, nunnen, brüder und Schwestern stecken, damit er sein seelen-
5 gifft eynem yeden zübrechte. So wee uns, wo wir uns das seelenhelffen
und heylen nit lassen vil ernstlicher angelegen sein.
Ja, spricht man, wo wille man so vil der geschickten seelartzet
finden, wie dann der blinden vernunfft alles möglich und leicht ist, on
das Gott befilcht. Antwort: Sind bei uns der Christen yetzt vil, so würt
io man auch vil haben, die zu solchem dienst der [8 x (Y i) a] seelartznei
tauglich sein mögen und die der Herr mit seinem geyst dazu, wol
rüsten und geschickt machen würde, wann mans alleyn in im eynmal
recht angriffe 334; Sind dann under uns der Christen nit so vil, so be-
darffe man auch der seelartzet nit so vil. In allen Stetten und commu-
15 nen? 333 findet man, die sich zu den weltlichen geschefften der gemeynden
brauchen lassen, wie solte man dann bei den Christen nit vil ehr finden,
die sich zu fürderung der seelen heyl brauchen Hessen, wo allein die
gemeynschafft Christi uns recht wider bekant were und wir uns in die
begeben wolten 336 ? Es bedörffte auch der leuten nit so überauß vil,
20 wann die Kirchen wider ire Ordnung hetten.
Also ists ja offenbar, das die menge der Christen in unseren Kirchen
daran nit hindert, sonder mehr fordert, das allen verwundten schafen
zeitiger raht beschehe 2. Also hinderet auch nit, das sie mit vilen und
schweren gebrechen behafftet sind. Dann sie seien so brechhafft, ver-
25 letzet und verwundt sie wöllen, weil sie noch dennoch schaf und im
schafstall Christi bleiben, so werden sie auch sein stimm hören und in
der gehorsame des Evangelii zu behalten sein.
Derhalben, wo man inen dise seelartznei alleyn mit der massen und
dem fleis, wie oben gemeldet, anbieten und mitteylen würde, könde
30 und möchte es anders nit sein, dieweil diß ye eyn werck und befelch
Christi ist, es würde grossen frommen und besserung bringen und nit
allein nit schaden oder unmöglich sein. Es würde auch das nit weren,
das leyder deren vil in unseren Kirchen sind, die sich Christlichs na-
[81 (Y 1) b] mens vergeblich rhümen. Dann welche die stimm Christi
35 unsers Herren und hirten, so man sie nach iren offenlichen schweren
y) in omnibus civitatibus et communionibus. — z) (ut) cura tempestiva adhibeatur.
334. Vgl. W.Pauck, a.a.O. S. i6ff. - R.Stupperich in: Das diakonische Amt.
S. 163 f.
335. Gemeinde.
336. Sich ans Wort, in den Willen des Herren oder in die Gemeinschaft ergeben,
ist ein täuferischer Ausdruck; vgl. Mich. Sattlers »Brüderliche vereynigung etzlicher
Kinder Gottes«, In; Flugschr. d. Reform. II. S. 321.
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hiezu die ewige noturfft, Christlich zu leben und die armen schaffin
Christi zu heylen, nit vil mehr darzü treiben ? Was kan doch der Antichrist
zu seinem seel verderben? Hat der könden alle winckel vol pfaffen,
mönich, nunnen, brüder und Schwestern stecken, damit er sein seelen-
5 gifft eynem yeden zübrechte. So wee uns, wo wir uns das seelenhelffen
und heylen nit lassen vil ernstlicher angelegen sein.
Ja, spricht man, wo wille man so vil der geschickten seelartzet
finden, wie dann der blinden vernunfft alles möglich und leicht ist, on
das Gott befilcht. Antwort: Sind bei uns der Christen yetzt vil, so würt
io man auch vil haben, die zu solchem dienst der [8 x (Y i) a] seelartznei
tauglich sein mögen und die der Herr mit seinem geyst dazu, wol
rüsten und geschickt machen würde, wann mans alleyn in im eynmal
recht angriffe 334; Sind dann under uns der Christen nit so vil, so be-
darffe man auch der seelartzet nit so vil. In allen Stetten und commu-
15 nen? 333 findet man, die sich zu den weltlichen geschefften der gemeynden
brauchen lassen, wie solte man dann bei den Christen nit vil ehr finden,
die sich zu fürderung der seelen heyl brauchen Hessen, wo allein die
gemeynschafft Christi uns recht wider bekant were und wir uns in die
begeben wolten 336 ? Es bedörffte auch der leuten nit so überauß vil,
20 wann die Kirchen wider ire Ordnung hetten.
Also ists ja offenbar, das die menge der Christen in unseren Kirchen
daran nit hindert, sonder mehr fordert, das allen verwundten schafen
zeitiger raht beschehe 2. Also hinderet auch nit, das sie mit vilen und
schweren gebrechen behafftet sind. Dann sie seien so brechhafft, ver-
25 letzet und verwundt sie wöllen, weil sie noch dennoch schaf und im
schafstall Christi bleiben, so werden sie auch sein stimm hören und in
der gehorsame des Evangelii zu behalten sein.
Derhalben, wo man inen dise seelartznei alleyn mit der massen und
dem fleis, wie oben gemeldet, anbieten und mitteylen würde, könde
30 und möchte es anders nit sein, dieweil diß ye eyn werck und befelch
Christi ist, es würde grossen frommen und besserung bringen und nit
allein nit schaden oder unmöglich sein. Es würde auch das nit weren,
das leyder deren vil in unseren Kirchen sind, die sich Christlichs na-
[81 (Y 1) b] mens vergeblich rhümen. Dann welche die stimm Christi
35 unsers Herren und hirten, so man sie nach iren offenlichen schweren
y) in omnibus civitatibus et communionibus. — z) (ut) cura tempestiva adhibeatur.
334. Vgl. W.Pauck, a.a.O. S. i6ff. - R.Stupperich in: Das diakonische Amt.
S. 163 f.
335. Gemeinde.
336. Sich ans Wort, in den Willen des Herren oder in die Gemeinschaft ergeben,
ist ein täuferischer Ausdruck; vgl. Mich. Sattlers »Brüderliche vereynigung etzlicher
Kinder Gottes«, In; Flugschr. d. Reform. II. S. 321.