CONSILIUM BUCERJ (1539/1540)
73
| [1] | Consilium Bucerj
Suchet man die eynickeit vnnd friden nicht mit der Reformation, So wird got seine
gnade nit dorzu gebenn, Vnd nicht allein nichts ausgericht, Sonder ane zweiffel das
gefordert werden, das die Stiefft entweders vf hispanische vnd frantzosische weys
eingetzogen ader gar zustöret werden1. Welche beide denn kirchen vnd gemeiner
dewtzscher nation, auch allen Stenden derselbigen, zu höchstem nachteil reychenn
wirde.
Nue were aber ein ware Christliche reformacion, wa die recht erkant vnd vorgege-
ben wurde diser tzeit, nach dem der herre erkantnis seiner h. religion allenthalben ßo
reichlich austeylet, nicht ßo schwer zuerlangenn.
Doch must erstlich das gemiet2 daa sein, das man auch wolle Christen sein vnd
doch allein3 das zubessernb willigen, das ein jder bekennen muß, der anders die
götliche schrift, Canones vnd h. veter lesen vnnd vorstehenn kann, allen gotlichen
vnd kirchen recht vnd Ordenungen offentlich entgegen sein.
Zum andern wirdet man mussen die protestirenden lassen ein mals pleyben bey
allem dem, des man jnenn nit konde mit gotlicher schrift widerlegenn vnnd vne recht
sein beweisen.
Zum andern musten die andern die justificacion rein vnd getrewlich predigen, das
man das folck eigentlich vnd clar lehret, alle frömkeit vnd selickeit allein aus der
erbermde gots vnd durch den verdinst Christj suchen, erwarten vnd hoffe ane eynige
vortrosten vf alle vordinst aller Creaturenn.
| [2a]| Doch das man daneben zu allen gutten wercken durch alle die vorheischung
vnd bedrawung, ßo die schrift hat, getrewlich vermanetc.
Zum drittenn, weil die heilligen tauf vnd das Sacrament des leibs vnd bluts Christj
von heubtstuckenn sind Christlicher haushaltung derd kirchen: das die gereicht wer-
den, wie das die schrift vnd alt h. veter clerlich leren, mit geburender andacht, ernst-
licher vnd getrewer erclerunge zum volck bede des, das derr herr inn beiden sacra-
menten vbergibt vnd das er vonn vnns fordert.
Vnd derhalb must man das h. sacrament vf disem teil auch in beider gestalt geben,
Die winckelmeß zufallen4 lassenn vnd die gemeine empter dermassen halten, wie
man doch das clerlich vorgeschriben hat jnn allen meß ordenungen, lere vnd gepet-
ten, die mann hieuor hat bey allen alten vettern, jnn allenn canonib[us] vnd legib[us],
auch in den gemeinen meßbuchernn5:
a) unsichere Lesung, wohl korr. aus: de... .
b) korr. aus: zubesserer.
c) Lesung unsicher. - d) verschmiert.
1. Vgl. für derartige Befürchtungen B.s Lenz 1, Nr. 24, S. 72-73: »Solle auch keine gemeine
reformation durch ein solichen convent erlanget werden, so wurdt der keiser und könig on zweivel
die hohen stifft allgemach an sich ziehen...«.
2. Innere Einstellung, Sinn.
3. Wenigstens, bloß; vgl. Reichmann 1, Sp. 782 Pos. 5.
4. Aufgeben, zuende gehen lassen; »zufallen« ist etymologisch mit »zerfallen« identisch.
5. Vgl. für das Folgende den ausführlichen Passus im Leipziger Reformationsentwurf, S. 30, Z. 1
- S. 36, Z. 19.
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| [1] | Consilium Bucerj
Suchet man die eynickeit vnnd friden nicht mit der Reformation, So wird got seine
gnade nit dorzu gebenn, Vnd nicht allein nichts ausgericht, Sonder ane zweiffel das
gefordert werden, das die Stiefft entweders vf hispanische vnd frantzosische weys
eingetzogen ader gar zustöret werden1. Welche beide denn kirchen vnd gemeiner
dewtzscher nation, auch allen Stenden derselbigen, zu höchstem nachteil reychenn
wirde.
Nue were aber ein ware Christliche reformacion, wa die recht erkant vnd vorgege-
ben wurde diser tzeit, nach dem der herre erkantnis seiner h. religion allenthalben ßo
reichlich austeylet, nicht ßo schwer zuerlangenn.
Doch must erstlich das gemiet2 daa sein, das man auch wolle Christen sein vnd
doch allein3 das zubessernb willigen, das ein jder bekennen muß, der anders die
götliche schrift, Canones vnd h. veter lesen vnnd vorstehenn kann, allen gotlichen
vnd kirchen recht vnd Ordenungen offentlich entgegen sein.
Zum andern wirdet man mussen die protestirenden lassen ein mals pleyben bey
allem dem, des man jnenn nit konde mit gotlicher schrift widerlegenn vnnd vne recht
sein beweisen.
Zum andern musten die andern die justificacion rein vnd getrewlich predigen, das
man das folck eigentlich vnd clar lehret, alle frömkeit vnd selickeit allein aus der
erbermde gots vnd durch den verdinst Christj suchen, erwarten vnd hoffe ane eynige
vortrosten vf alle vordinst aller Creaturenn.
| [2a]| Doch das man daneben zu allen gutten wercken durch alle die vorheischung
vnd bedrawung, ßo die schrift hat, getrewlich vermanetc.
Zum drittenn, weil die heilligen tauf vnd das Sacrament des leibs vnd bluts Christj
von heubtstuckenn sind Christlicher haushaltung derd kirchen: das die gereicht wer-
den, wie das die schrift vnd alt h. veter clerlich leren, mit geburender andacht, ernst-
licher vnd getrewer erclerunge zum volck bede des, das derr herr inn beiden sacra-
menten vbergibt vnd das er vonn vnns fordert.
Vnd derhalb must man das h. sacrament vf disem teil auch in beider gestalt geben,
Die winckelmeß zufallen4 lassenn vnd die gemeine empter dermassen halten, wie
man doch das clerlich vorgeschriben hat jnn allen meß ordenungen, lere vnd gepet-
ten, die mann hieuor hat bey allen alten vettern, jnn allenn canonib[us] vnd legib[us],
auch in den gemeinen meßbuchernn5:
a) unsichere Lesung, wohl korr. aus: de... .
b) korr. aus: zubesserer.
c) Lesung unsicher. - d) verschmiert.
1. Vgl. für derartige Befürchtungen B.s Lenz 1, Nr. 24, S. 72-73: »Solle auch keine gemeine
reformation durch ein solichen convent erlanget werden, so wurdt der keiser und könig on zweivel
die hohen stifft allgemach an sich ziehen...«.
2. Innere Einstellung, Sinn.
3. Wenigstens, bloß; vgl. Reichmann 1, Sp. 782 Pos. 5.
4. Aufgeben, zuende gehen lassen; »zufallen« ist etymologisch mit »zerfallen« identisch.
5. Vgl. für das Folgende den ausführlichen Passus im Leipziger Reformationsentwurf, S. 30, Z. 1
- S. 36, Z. 19.