Minuskel, die Großbuchstaben entstammen eher einem älteren Schreibmeisteralphabet als den schon zeit-
üblichen Frakturformen. Im einzelnen verraten nur das offene und meist mit Bögen gestaltete d und das g
mit offener und weit nach links ausschwingender Schlinge die fortgeschrittene Zeit.
Stärker durchsetzt mit Frakturversalien erscheint bereits die gotische Minuskel auf dem Grabmal des
Abtes Johannes Leiterbach von Ebrach, 1533, Nr. 134. Auch einzelne Kleinbuchstaben zeigen Bögen statt
Brechungen; so steht ein mandelförmiges o in Domini neben einem gebrochenen o in Anno und ein
gebogenes e in Die neben gebrochenen e. Da aber die Kennbuchstaben a, f und langes s in den Formen der
gotischen Minuskel erscheinen, ist die Schrift der Substanz nach noch als gotische Minuskel anzusprechen.
Merkwürdig ist, daß p und q ähnlich wie in frühen Minuskelschriften in die Mittelzeile gestellt sind.
Ein ganz anderes Gepräge zeigt die Inschrift auf dem Grabmal des Abtes Konrad Hartmann von Ebrach
von 1551, Nr. 150. Während die Großbuchstaben der Fraktur nahestehen, sind die Kleinbuchstaben streng
nach dem Schema der gotischen Minuskel gebaut, und zwar mit stark betonten Brechungen, die vielfach
konkav ausschwingend hervortreten; die Unterlängen und Schleifen von g, h, p, q, x, teilweise der us-
Kürzung und auch anderer Buchstaben und Zeichen, bilden zusätzliche Schleifen und Ranken; diejenige
des p ist gespalten, ebenso die Oberlängen von b, h, 1, t. Der Kürzungsstrich hat vielfach in der Mitte eine
Ausbuchtung. Die kapriziöse Schrift steht in der Tradition jener „domspitzigen Textur“17, wie sie die
Titelschriften von Dürers „heimlicher Offenbarung Johannis“ von 1498 und der „Apocalypsis cum figuris“
von 1511 aufweisen. Auch sonst war diese kalligraphische Art der Textur als Titelschrift nicht nur in
deutschen Druckerzeugnissen, sondern auch in Frankreich und Italien verbreitet; ein besonders schönes,
unserer Inschrift nahestehendes Beispiel bietet Giambattista Palatino in seinem Schreibmeisterbuch von
1540/4518.
Zwei Inschriften mit einer Mischschrift von gotischer Minuskel und Fraktur, Nr. 151 von 1552 und
Nr. 164 von um 1558, sollen unter den Frakturschriften behandelt werden.
Die Glocken
Die zahlreichen Glocken mit Inschriften in gotischer Minuskel können hier nur noch summarisch
behandelt werden. Bei der Gruppierung des Materials und Abgrenzung nach Gießhütten und Meistern
müssen alle Einzelheiten des Schmucks, der Zeichen, der Schreibweise, der wenig variierenden Schrift
und ihrer Größenverhältnisse sorgsam abgewogen werden, eine Arbeit, die dem Deutschen Glockenatlas
Vorbehalten bleiben muß, dessen Band Oberfranken sich in Bearbeitung befindet. Ein größerer regionaler
Rahmen ist auch deswegen erforderlich, weil stets auf das mittel- und unterfränkische Material zurück-
zugreifen ist, das die Zentren des fränkischen Glockengusses, Nürnberg und Schweinfurt, umschließt19.
Drei Glocken sind von Albert Eulensmid aus Kulmbach signiert und mit seinem Zeichen, einem
Schildchen mit Eule, gekennzeichnet, Nr. 48, 61 und 63 von 1429, 1464 und 1465. Die älteste Glocke
zeigt nur Kleinbuchstaben, auf den jüngeren sind kleine Majuskeln für einige Anfangsbuchstaben ver-
wendet. Die Unterlängen der Kleinbuchstaben sind auch in den jüngeren Schriften sehr kurz, ragen nicht
unter die Schriftzeile. Im Namen Eulensmid ist jedesmal ein rundes s verwendet. Die Glocken des Eulen-
smid sind die einzigen im Bearbeitungsgebiet, die in dieser Zeit noch keine andere Zier als einfache Wülste
kennen.
Die unsignierte Glocke in Pettstadt von 1433, Nr. 50, mit Maßwerk und Zinnenfries, dürfte nach
Ausweis der zur Worttrennung verwendeten Lilien von Conrad Gnotzhamer in Nürnberg stammen20.
Auch bei ihm sind die Buchstaben mit Unterlängen noch ganz in die Schriftzeile gestellt. Dies scheint
auch für die ältere Glocke in Oberhaid, Nr. 57t, zu gelten. Auch die Steinfelder Glocke von 1497, Nr. 81,
und die beiden eng zusammengehörigen Glocken von Bischberg, Nr. 85, und Oberhaid, Nr. 104t, sind
Nürnberger Erzeugnisse, wie vor allem der Ornamentschmuck ausweist.
Der Adler der Reichsstadt Schweinfurt als Gußmarke, kleine Kännchen, die sich überkreuzenden
Girlanden des Kleeblatt-Bogenfrieses und die fehlenden Zinnen kennzeichnen die Erzeugnisse des Schwein-
furter Gießers Hans Zeitlos, der 1524 starb21. Ihm sind außer Nr. nof von 1507, 113 von 1510, 118 von
17 Vgl. Frantisek Muzika, Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets, Bd. 1, Hanau 1965,
391 f-
18 Libro... nel quäl s’insegna ä scriver ogni sorte lettera. Faksimile-Druck von Oscar Ogg, Three Classics of
Italian Calligraphy: Arrighi, Tagliente, Palatino, Toronto 1953, nach der Auflage von 1561, hier S. i86f. Auch
Vicentino (Arrighi) und Tagliente hatten Proben dieser Schrift gegeben; für die Italiener war die Schrift eine
„lettera francese“. Eine vorzügliche Abbildung aus Palatino bei Jan Tschichold, Meisterbuch der Schrift, Ravens-
burg 2I9Ö5, 91. Ebenda 69 eine ebenso gute Wiedergabe einer der älteren italienischen Schriften dieser Art, des
Titels von De pluris claris... mulieribus des Jac. Phil. Bergomensis, Ferrara, Laurentius de Rubeis de Valentia 1497.
19 Auf die äußerst dankenswerten Vorarbeiten, die in den bisherigen drei Bänden des Deutschen Glockenatlas
durch Frau Dr. Sigrid Thurm geleistet worden sind, sei hier nochmals ausdrücklich hingewiesen.
20 Vgl. Deutscher Glockenatlas, Mittelfranken 28 f.
XXV
üblichen Frakturformen. Im einzelnen verraten nur das offene und meist mit Bögen gestaltete d und das g
mit offener und weit nach links ausschwingender Schlinge die fortgeschrittene Zeit.
Stärker durchsetzt mit Frakturversalien erscheint bereits die gotische Minuskel auf dem Grabmal des
Abtes Johannes Leiterbach von Ebrach, 1533, Nr. 134. Auch einzelne Kleinbuchstaben zeigen Bögen statt
Brechungen; so steht ein mandelförmiges o in Domini neben einem gebrochenen o in Anno und ein
gebogenes e in Die neben gebrochenen e. Da aber die Kennbuchstaben a, f und langes s in den Formen der
gotischen Minuskel erscheinen, ist die Schrift der Substanz nach noch als gotische Minuskel anzusprechen.
Merkwürdig ist, daß p und q ähnlich wie in frühen Minuskelschriften in die Mittelzeile gestellt sind.
Ein ganz anderes Gepräge zeigt die Inschrift auf dem Grabmal des Abtes Konrad Hartmann von Ebrach
von 1551, Nr. 150. Während die Großbuchstaben der Fraktur nahestehen, sind die Kleinbuchstaben streng
nach dem Schema der gotischen Minuskel gebaut, und zwar mit stark betonten Brechungen, die vielfach
konkav ausschwingend hervortreten; die Unterlängen und Schleifen von g, h, p, q, x, teilweise der us-
Kürzung und auch anderer Buchstaben und Zeichen, bilden zusätzliche Schleifen und Ranken; diejenige
des p ist gespalten, ebenso die Oberlängen von b, h, 1, t. Der Kürzungsstrich hat vielfach in der Mitte eine
Ausbuchtung. Die kapriziöse Schrift steht in der Tradition jener „domspitzigen Textur“17, wie sie die
Titelschriften von Dürers „heimlicher Offenbarung Johannis“ von 1498 und der „Apocalypsis cum figuris“
von 1511 aufweisen. Auch sonst war diese kalligraphische Art der Textur als Titelschrift nicht nur in
deutschen Druckerzeugnissen, sondern auch in Frankreich und Italien verbreitet; ein besonders schönes,
unserer Inschrift nahestehendes Beispiel bietet Giambattista Palatino in seinem Schreibmeisterbuch von
1540/4518.
Zwei Inschriften mit einer Mischschrift von gotischer Minuskel und Fraktur, Nr. 151 von 1552 und
Nr. 164 von um 1558, sollen unter den Frakturschriften behandelt werden.
Die Glocken
Die zahlreichen Glocken mit Inschriften in gotischer Minuskel können hier nur noch summarisch
behandelt werden. Bei der Gruppierung des Materials und Abgrenzung nach Gießhütten und Meistern
müssen alle Einzelheiten des Schmucks, der Zeichen, der Schreibweise, der wenig variierenden Schrift
und ihrer Größenverhältnisse sorgsam abgewogen werden, eine Arbeit, die dem Deutschen Glockenatlas
Vorbehalten bleiben muß, dessen Band Oberfranken sich in Bearbeitung befindet. Ein größerer regionaler
Rahmen ist auch deswegen erforderlich, weil stets auf das mittel- und unterfränkische Material zurück-
zugreifen ist, das die Zentren des fränkischen Glockengusses, Nürnberg und Schweinfurt, umschließt19.
Drei Glocken sind von Albert Eulensmid aus Kulmbach signiert und mit seinem Zeichen, einem
Schildchen mit Eule, gekennzeichnet, Nr. 48, 61 und 63 von 1429, 1464 und 1465. Die älteste Glocke
zeigt nur Kleinbuchstaben, auf den jüngeren sind kleine Majuskeln für einige Anfangsbuchstaben ver-
wendet. Die Unterlängen der Kleinbuchstaben sind auch in den jüngeren Schriften sehr kurz, ragen nicht
unter die Schriftzeile. Im Namen Eulensmid ist jedesmal ein rundes s verwendet. Die Glocken des Eulen-
smid sind die einzigen im Bearbeitungsgebiet, die in dieser Zeit noch keine andere Zier als einfache Wülste
kennen.
Die unsignierte Glocke in Pettstadt von 1433, Nr. 50, mit Maßwerk und Zinnenfries, dürfte nach
Ausweis der zur Worttrennung verwendeten Lilien von Conrad Gnotzhamer in Nürnberg stammen20.
Auch bei ihm sind die Buchstaben mit Unterlängen noch ganz in die Schriftzeile gestellt. Dies scheint
auch für die ältere Glocke in Oberhaid, Nr. 57t, zu gelten. Auch die Steinfelder Glocke von 1497, Nr. 81,
und die beiden eng zusammengehörigen Glocken von Bischberg, Nr. 85, und Oberhaid, Nr. 104t, sind
Nürnberger Erzeugnisse, wie vor allem der Ornamentschmuck ausweist.
Der Adler der Reichsstadt Schweinfurt als Gußmarke, kleine Kännchen, die sich überkreuzenden
Girlanden des Kleeblatt-Bogenfrieses und die fehlenden Zinnen kennzeichnen die Erzeugnisse des Schwein-
furter Gießers Hans Zeitlos, der 1524 starb21. Ihm sind außer Nr. nof von 1507, 113 von 1510, 118 von
17 Vgl. Frantisek Muzika, Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets, Bd. 1, Hanau 1965,
391 f-
18 Libro... nel quäl s’insegna ä scriver ogni sorte lettera. Faksimile-Druck von Oscar Ogg, Three Classics of
Italian Calligraphy: Arrighi, Tagliente, Palatino, Toronto 1953, nach der Auflage von 1561, hier S. i86f. Auch
Vicentino (Arrighi) und Tagliente hatten Proben dieser Schrift gegeben; für die Italiener war die Schrift eine
„lettera francese“. Eine vorzügliche Abbildung aus Palatino bei Jan Tschichold, Meisterbuch der Schrift, Ravens-
burg 2I9Ö5, 91. Ebenda 69 eine ebenso gute Wiedergabe einer der älteren italienischen Schriften dieser Art, des
Titels von De pluris claris... mulieribus des Jac. Phil. Bergomensis, Ferrara, Laurentius de Rubeis de Valentia 1497.
19 Auf die äußerst dankenswerten Vorarbeiten, die in den bisherigen drei Bänden des Deutschen Glockenatlas
durch Frau Dr. Sigrid Thurm geleistet worden sind, sei hier nochmals ausdrücklich hingewiesen.
20 Vgl. Deutscher Glockenatlas, Mittelfranken 28 f.
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