Reformation bedingten — Zusammenbruch des Kunstschaffens die Produktion kirchlicher Kunst im
Kreisgebiet noch rege war. An seinem vermutlich originalen Standort erhalten geblieben ist nur das
Retabel der Spitalkirche in Weil der Stadt (nr. 100). Ein weiteres Spitzenwerk der spätgotischen Holz-
Skulptur in Weil, das Kruzifix in der Heiligkreuz-Kapelle, ist erst vor kurzem als Werk des Ulmer
Bildhauers Michel Erhärt erkannt worden123.
Es waren aber nicht diese Holzbildwerke, die den Namen von Weil der Stadt als eines bedeutenden
Kunstzentrums der Spätgotik anläßlich der Ausstellung „Spätgotik am Oberrhein“124 bekanntge-
macht haben, sondern es war das vergoldete Altarkreuz der kath. Stadtkirche (nr. 123). Sein künstle-
rischer Rang wird so hoch eingeschätzt, daß eine Entstehung in einer der Weiler Goldschmiede-
werkstätten auszuschließen ist, aber Datierung und Herkunft bleiben nach wie vor umstritten. Die
reiche Beschriftung der Kreuzarme und des Agnus-Dei-Medaillons in einer zur reinen Kapitalform
neigenden Frühhumanistischen Kapitalis bestätigt eine Ansetzung nicht vor dem letzten Viertel des
15.Jahrhunderts. Damit scheint auch die Frage der Priorität des Weiler Kreuzes vor oder nach dem
Altarkreuz der kath. Stadtpfarrkirche St. Stephan in Karlsruhe zu dessen Gunsten beantwortet. Neu-
erdings ist ms Bewußtsein gerückt, daß das Weiler Kreuz als Besitz der kath. Pfarrkirche nur bis 1752
zurückverfolgt werden kann; vorher scheint es sich in der Spital-Kapelle daselbst befunden zu haben,
also offenbar als Geschenk eines Pfründners. Da das Kreuz als jüngere Wiederholung des Altarkreu-
zes im Badischen Landesmuseum Karlsruhe gilt, sind diese beiden Hauptwerke der spätgotischen
Goldschmiedekunst nicht voneinander abzutrennen. Für das Karlsruher Kreuz kann neuerdings
wahrscheinlich gemacht werden, daß es sich um eine 1473 erfolgte Schenkung Kaiser Friedrichs III.
an seine Schwester Katharina, verheiratet mit dem Markgrafen Karl I. von Baden, handelt. Damit ist
der ursprüngliche Standort des Kreuzes in der Stiftskirche Baden-Baden zu vermuten. Für das Kreuz
in Weil wäre demnach eine Entstehung nach 1473 — also im letzten Viertel des 15.Jahrhunderts —
wahrscheinlich; die Frage seiner ursprünglichen Bestimmung bleibt nach wie vor ungelöst.
Da dem Kirchenschatz in der Reichsstadt Weil die Vernichtung der Vasa sacra nach 1537 erspart
geblieben ist, sind hier auch eine Hostienmonstranz (nr. 59) und zwei Kelche (nr. 23, 122) mit
Inschriften zu verzeichnen, die vielleicht mit Weiler Goldschmieden zu verbinden sind.
Problematisch sind die gemalten Wandinschriften, weil sie — oft mehrfach übermalt und wieder auf-
gedeckt — wenig originale Substanz zeigen. Aus mittelalterlicher Zeit sind nur zwei Katalognummern
erhalten: die Fragmente eines Johannes-Zyklus (nr. 19) des 14. Jahrhunderts in Leonberg und ein spät-
gotisches Weltgerichtsbild (nr. 166) in Ehningen. Die Fassadenmalerei (nr. 91) der Augustiner-Klo-
sterkirche in Weil der Stadt, begleitet von zahlreichen Inschriften, ist nur kopial überliefert. Dafür
sind eine Reihe von nachreformatorischen Kirchbaumaßnahmen der württembergischen Regierung
in Darmsheim, Malmsheim, Münklingen, Renningen und Schafhausen nicht nur durch Baum-
schriften (nrr. 242, 267, 285, 291, 318) bezeugt, sondern es sind noch Reste von Ausmalungen mit
lutherischen Bildprogrammen (nrr. 268, 321, 354) vorhanden. Das umfangreiche Wandmalerei-Pro-
gramm der Stiftskirche in Sindelfingen ist verloren. Am besten erhalten ist die umfangreiche Ausma-
lung von Chor und Langhaus der Pfarrkirche in Leonberg-Eltingen (nr. 354) aus dem Jahr 1617, die
ein spätgotisches Weltgerichtsbild in ihr Programm einbezogen hat und durch gemalte Inschriftkar-
tuschen bereichert ist. In Hildrizhausen hat sich em sehr persönliches Zeugnis eines 1622 aus dem
dortigen Pfarrdienst scheidenden Pfarrers Bartholomäus Eiselin erhalten, der eine Mahn- und Klage-
mschrift (nr. 364) hinterließ.
5.3 Die Glocken
Wenn man das romanische Tympanon von Hildrizhausen (nr. 1) als Einzelstück ausnimmt, setzen die
nachweisbaren Inschriften im 13.Jahrhundert ein, wobei die Glocken als die ältesten Inschriften-
Denkmäler des Landkreises noch vor den Grabmälern an der Spitze stehen (erhalten nrr. 2, 5, 12, 13,
verloren nrr. 4, 10, 11, 14, 15). Die älteste fest datierte und bereits mit einem Gießernamen signierte
Glocke ist die Glocke des Hemo von Tübingen von 1306 in Dätzingen (nr. 16); sie ist zugleich das
einzige Zeugnis für die Aktivitäten des Johanniterordens im Kreisgebiet. Insgesamt sind 61 Glocken-
123 Deutsch, W, Ein Kruzifix in Weil der Stadt und andere Werke Michel Erharts. In: Heimatverein Weil der Stadt,
Berichte und Mitteilungen 34 (1985) Nr. 3, 2 — 31.
124 Spätgotik am Oberrhein. Kat. d. Ausst. Karlsruhe 1970.
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Kreisgebiet noch rege war. An seinem vermutlich originalen Standort erhalten geblieben ist nur das
Retabel der Spitalkirche in Weil der Stadt (nr. 100). Ein weiteres Spitzenwerk der spätgotischen Holz-
Skulptur in Weil, das Kruzifix in der Heiligkreuz-Kapelle, ist erst vor kurzem als Werk des Ulmer
Bildhauers Michel Erhärt erkannt worden123.
Es waren aber nicht diese Holzbildwerke, die den Namen von Weil der Stadt als eines bedeutenden
Kunstzentrums der Spätgotik anläßlich der Ausstellung „Spätgotik am Oberrhein“124 bekanntge-
macht haben, sondern es war das vergoldete Altarkreuz der kath. Stadtkirche (nr. 123). Sein künstle-
rischer Rang wird so hoch eingeschätzt, daß eine Entstehung in einer der Weiler Goldschmiede-
werkstätten auszuschließen ist, aber Datierung und Herkunft bleiben nach wie vor umstritten. Die
reiche Beschriftung der Kreuzarme und des Agnus-Dei-Medaillons in einer zur reinen Kapitalform
neigenden Frühhumanistischen Kapitalis bestätigt eine Ansetzung nicht vor dem letzten Viertel des
15.Jahrhunderts. Damit scheint auch die Frage der Priorität des Weiler Kreuzes vor oder nach dem
Altarkreuz der kath. Stadtpfarrkirche St. Stephan in Karlsruhe zu dessen Gunsten beantwortet. Neu-
erdings ist ms Bewußtsein gerückt, daß das Weiler Kreuz als Besitz der kath. Pfarrkirche nur bis 1752
zurückverfolgt werden kann; vorher scheint es sich in der Spital-Kapelle daselbst befunden zu haben,
also offenbar als Geschenk eines Pfründners. Da das Kreuz als jüngere Wiederholung des Altarkreu-
zes im Badischen Landesmuseum Karlsruhe gilt, sind diese beiden Hauptwerke der spätgotischen
Goldschmiedekunst nicht voneinander abzutrennen. Für das Karlsruher Kreuz kann neuerdings
wahrscheinlich gemacht werden, daß es sich um eine 1473 erfolgte Schenkung Kaiser Friedrichs III.
an seine Schwester Katharina, verheiratet mit dem Markgrafen Karl I. von Baden, handelt. Damit ist
der ursprüngliche Standort des Kreuzes in der Stiftskirche Baden-Baden zu vermuten. Für das Kreuz
in Weil wäre demnach eine Entstehung nach 1473 — also im letzten Viertel des 15.Jahrhunderts —
wahrscheinlich; die Frage seiner ursprünglichen Bestimmung bleibt nach wie vor ungelöst.
Da dem Kirchenschatz in der Reichsstadt Weil die Vernichtung der Vasa sacra nach 1537 erspart
geblieben ist, sind hier auch eine Hostienmonstranz (nr. 59) und zwei Kelche (nr. 23, 122) mit
Inschriften zu verzeichnen, die vielleicht mit Weiler Goldschmieden zu verbinden sind.
Problematisch sind die gemalten Wandinschriften, weil sie — oft mehrfach übermalt und wieder auf-
gedeckt — wenig originale Substanz zeigen. Aus mittelalterlicher Zeit sind nur zwei Katalognummern
erhalten: die Fragmente eines Johannes-Zyklus (nr. 19) des 14. Jahrhunderts in Leonberg und ein spät-
gotisches Weltgerichtsbild (nr. 166) in Ehningen. Die Fassadenmalerei (nr. 91) der Augustiner-Klo-
sterkirche in Weil der Stadt, begleitet von zahlreichen Inschriften, ist nur kopial überliefert. Dafür
sind eine Reihe von nachreformatorischen Kirchbaumaßnahmen der württembergischen Regierung
in Darmsheim, Malmsheim, Münklingen, Renningen und Schafhausen nicht nur durch Baum-
schriften (nrr. 242, 267, 285, 291, 318) bezeugt, sondern es sind noch Reste von Ausmalungen mit
lutherischen Bildprogrammen (nrr. 268, 321, 354) vorhanden. Das umfangreiche Wandmalerei-Pro-
gramm der Stiftskirche in Sindelfingen ist verloren. Am besten erhalten ist die umfangreiche Ausma-
lung von Chor und Langhaus der Pfarrkirche in Leonberg-Eltingen (nr. 354) aus dem Jahr 1617, die
ein spätgotisches Weltgerichtsbild in ihr Programm einbezogen hat und durch gemalte Inschriftkar-
tuschen bereichert ist. In Hildrizhausen hat sich em sehr persönliches Zeugnis eines 1622 aus dem
dortigen Pfarrdienst scheidenden Pfarrers Bartholomäus Eiselin erhalten, der eine Mahn- und Klage-
mschrift (nr. 364) hinterließ.
5.3 Die Glocken
Wenn man das romanische Tympanon von Hildrizhausen (nr. 1) als Einzelstück ausnimmt, setzen die
nachweisbaren Inschriften im 13.Jahrhundert ein, wobei die Glocken als die ältesten Inschriften-
Denkmäler des Landkreises noch vor den Grabmälern an der Spitze stehen (erhalten nrr. 2, 5, 12, 13,
verloren nrr. 4, 10, 11, 14, 15). Die älteste fest datierte und bereits mit einem Gießernamen signierte
Glocke ist die Glocke des Hemo von Tübingen von 1306 in Dätzingen (nr. 16); sie ist zugleich das
einzige Zeugnis für die Aktivitäten des Johanniterordens im Kreisgebiet. Insgesamt sind 61 Glocken-
123 Deutsch, W, Ein Kruzifix in Weil der Stadt und andere Werke Michel Erharts. In: Heimatverein Weil der Stadt,
Berichte und Mitteilungen 34 (1985) Nr. 3, 2 — 31.
124 Spätgotik am Oberrhein. Kat. d. Ausst. Karlsruhe 1970.
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