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Weil der Stadt, kath. Stadtkirche St. Peter u. Paul
nach 1388
Grundsteinlegungsinschrift und Bauinschrift des Benczlm von Heimsheim und seines Sohnes. Signa-
tur ohne Datum. Außen an der Südseite des Westturms auf den Flächen von fünf Quadern aus rotem
Sandstein links vom Portal eingehauen. Die Inschrift von unterschiedlicher Breite umfaßt zwei lange
und vier kurze Zeilen, ist aber trotzdem einheitlich. Über der ersten Zeile ganz rechts ist ein kleines
Steinmetzzeichen eingehauen (Stz. nr. 1).
Abb. 11 Gesamtbreite 157, größte H. 68, Bu. 8 cm. - Gotische Minuskel
benczlin • von • haimczhin • leit / den • ersten • stain • an • disen / • tvrn • vnd /
sin • svn • / den • obrd/estena
Für die frühe Baugeschichte der Kirche sind keine festen Daten überliefert1. Nach einem romanischen
Vorgängerbau, dessen Osttürme aus der Zeit um 1220 erhalten sind, setzte der Neubau der heutigen
Kirche mit dem Turmbau ein. Der Baubeginn wird vor 1370 angenommen. 1492 schloß sich der
Neubau des Langhauses an. Der letzte Bauabschnitt war der Neubau des Chores, dessen Gewölbe erst
1519 verdingt wurde. Die Vollendung des Turmes mit Umgang, oberem Turmaufsatz erfolgte ver-
mutlich erst im 16. Jahrhundert; der Helm wurde nach dem Stadtbrand 1648 erneuert2.
Die Bauinschrift bezieht sich auf zwei Vorgänge innerhalb der Baugeschichte des Turmes: einmal auf
die Grundsteinlegung, zum andern auf den vorläufigen Abschluß der Bauarbeiten am Turm oberhalb
vom Glockengeschoß.
Die Amtsperson, die die Inschrift anbringen ließ, war der — nicht mit Namen genannte — Sohn eines
Benczlm von Heimsheim (Enzkreis). Der Vater legte den Grundstein zum Turmbau, der Sohn führte
den Turm bis zum „obersten Stern“ auf; zur Zeit der Entstehung der Inschrift war der Turmbau
offenbar zunächst abgeschlossen3. Ein Benzlm von Heimsheim ist weder als Steinmetz noch als Amts-
träger urkundlich nachweisbar. Doch nach Inhalt dieser Steinurkunde ist an seiner Eigenschaft als
Steinmetz nicht zu zweifeln4. Der Vorname benczlin wurde vielfach als henczlin — also Haenslin, Hans
— gelesen3. Der Anfangsbuchstabe des Namens unterscheidet sich jedoch deutlich von den beiden
Buchstaben h des Ortsnamens haimczhin Heimsheim, Enzkreis). Während bei benczlin das b unten
eindeutig geschlossen ist, ist das h unten deutlich offen und der senkrechte Teil des gebrochenen
Bogens em wenig unter die Grundlinie gezogen6. Das hier angebrachte Steinmetzzeichen ist so weit
verbreitet, daß es für eine Argumentation unbrauchbar ist7.
Die Schrift ist eine frühe Gotische Minuskel, im einzelnen präzis gearbeitet, aber unruhig im Schrift-
bild; sie bildet kaum Ober- oder Unterlängen aus und verzichtet auf Versalien. Auffallend ist, daß
kein langes s verwendet wird, auch nicht im Wortinnern. Die Worttrenner sind Vierkantpunkte. Die
Inschrift ist den Schriftformen nach einheitlich und macht nicht den Eindruck, in zwei Phasen ent-
standen zu sein. Die Ansetzung im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts wird gestützt durch die Nen-
nung eines „Bentzlin von Hemtzen“ unter den in der Schlacht bei Döffingen 1388 gefallenen Bür-
gern der Stadt8. Vermutlich handelt es sich hier um den mit der Grundsteinlegung befaßten, ersten
Architekten des Turmes. Damit erhält die Inschrift den Charakter einer Gedenkinschrift des Sohnes
für seinen Vater als Vorgänger im Amt des Werkmeisters der Kirche. Das Jahr 1388 des Städtekriegs
kann als terminus post quem für die Entstehung der Inschrift angesehen werden.
Unterhalb der Inschrift sind zwei Umrißzeichnungen von Formeisen für Hohlziegel unterschied-
licher Größe zu erkennen. Hiermit waren die Ziegelformen und ihre Maße für spätere Dachrepara-
turen exakt festgelegt9.
a So für obersten.
1 Zur Baugeschichte grundlegend Kiaiber, Pfarrkirche Weilderstadt 1929, 97-105; kurz zusammengefaßt bei Koepf,
Baukunst der Spätgotik in Schwaben 1958, 36-37; Einzelheiten aufgrund der Steinmetzzeichen revidiert durch
Hammer, Baumeister 1983, 55 — 60; zuletzt Laier-Beifuss, in: Hirsau 1991, 419 — 428.
2 Die einzelnen Bauphasen sind durch Inschriften belegbar; vgl. nrr. 104, 161, 243.
3 Vermutlich ist hiermit der Turmkörper bis zum Abschluß des unteren Turmoktogons gemeint. Der Turm erfuhr
noch einmal eine Erhöhung durch das obere Oktogon; diese Erhöhung erfolgte - wie Felix Hammer aufgrund der
Steinmetzzeichen nachwies - um 1430 und nicht erst nach 1500, wie bisher angenommen; vgl. Hammer (wie
Anm. 1), 55.
4 Em Amtsträger der Stadt würde auf eine Titulatur nicht verzichtet haben; daher scheint die Identifizierung mit
einem „Baumeister“ im Sinne eines Baurechners nicht zutreffend; dazu Hammer (Anm. 1) 55. — Die Bezeichnung
„von Heimsheim“ ist eine Herkunftsangabe, die gerade bei Werkmeistern oft den Charakter eines Eigennamens
annahm; vgl. die Namensfuhrung der Architekten Hans von Böblingen oder Matthäus von Ensingen.
5 So bei OABLeonberg 1852; dem folgen Keppler, Paulus (KdmNeckarkreis), Dannecker.
6 Die Identifizierung mit Benczlin von Heimsheim schon durch Kiaiber (Anm. 1) 98.
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Weil der Stadt, kath. Stadtkirche St. Peter u. Paul
nach 1388
Grundsteinlegungsinschrift und Bauinschrift des Benczlm von Heimsheim und seines Sohnes. Signa-
tur ohne Datum. Außen an der Südseite des Westturms auf den Flächen von fünf Quadern aus rotem
Sandstein links vom Portal eingehauen. Die Inschrift von unterschiedlicher Breite umfaßt zwei lange
und vier kurze Zeilen, ist aber trotzdem einheitlich. Über der ersten Zeile ganz rechts ist ein kleines
Steinmetzzeichen eingehauen (Stz. nr. 1).
Abb. 11 Gesamtbreite 157, größte H. 68, Bu. 8 cm. - Gotische Minuskel
benczlin • von • haimczhin • leit / den • ersten • stain • an • disen / • tvrn • vnd /
sin • svn • / den • obrd/estena
Für die frühe Baugeschichte der Kirche sind keine festen Daten überliefert1. Nach einem romanischen
Vorgängerbau, dessen Osttürme aus der Zeit um 1220 erhalten sind, setzte der Neubau der heutigen
Kirche mit dem Turmbau ein. Der Baubeginn wird vor 1370 angenommen. 1492 schloß sich der
Neubau des Langhauses an. Der letzte Bauabschnitt war der Neubau des Chores, dessen Gewölbe erst
1519 verdingt wurde. Die Vollendung des Turmes mit Umgang, oberem Turmaufsatz erfolgte ver-
mutlich erst im 16. Jahrhundert; der Helm wurde nach dem Stadtbrand 1648 erneuert2.
Die Bauinschrift bezieht sich auf zwei Vorgänge innerhalb der Baugeschichte des Turmes: einmal auf
die Grundsteinlegung, zum andern auf den vorläufigen Abschluß der Bauarbeiten am Turm oberhalb
vom Glockengeschoß.
Die Amtsperson, die die Inschrift anbringen ließ, war der — nicht mit Namen genannte — Sohn eines
Benczlm von Heimsheim (Enzkreis). Der Vater legte den Grundstein zum Turmbau, der Sohn führte
den Turm bis zum „obersten Stern“ auf; zur Zeit der Entstehung der Inschrift war der Turmbau
offenbar zunächst abgeschlossen3. Ein Benzlm von Heimsheim ist weder als Steinmetz noch als Amts-
träger urkundlich nachweisbar. Doch nach Inhalt dieser Steinurkunde ist an seiner Eigenschaft als
Steinmetz nicht zu zweifeln4. Der Vorname benczlin wurde vielfach als henczlin — also Haenslin, Hans
— gelesen3. Der Anfangsbuchstabe des Namens unterscheidet sich jedoch deutlich von den beiden
Buchstaben h des Ortsnamens haimczhin Heimsheim, Enzkreis). Während bei benczlin das b unten
eindeutig geschlossen ist, ist das h unten deutlich offen und der senkrechte Teil des gebrochenen
Bogens em wenig unter die Grundlinie gezogen6. Das hier angebrachte Steinmetzzeichen ist so weit
verbreitet, daß es für eine Argumentation unbrauchbar ist7.
Die Schrift ist eine frühe Gotische Minuskel, im einzelnen präzis gearbeitet, aber unruhig im Schrift-
bild; sie bildet kaum Ober- oder Unterlängen aus und verzichtet auf Versalien. Auffallend ist, daß
kein langes s verwendet wird, auch nicht im Wortinnern. Die Worttrenner sind Vierkantpunkte. Die
Inschrift ist den Schriftformen nach einheitlich und macht nicht den Eindruck, in zwei Phasen ent-
standen zu sein. Die Ansetzung im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts wird gestützt durch die Nen-
nung eines „Bentzlin von Hemtzen“ unter den in der Schlacht bei Döffingen 1388 gefallenen Bür-
gern der Stadt8. Vermutlich handelt es sich hier um den mit der Grundsteinlegung befaßten, ersten
Architekten des Turmes. Damit erhält die Inschrift den Charakter einer Gedenkinschrift des Sohnes
für seinen Vater als Vorgänger im Amt des Werkmeisters der Kirche. Das Jahr 1388 des Städtekriegs
kann als terminus post quem für die Entstehung der Inschrift angesehen werden.
Unterhalb der Inschrift sind zwei Umrißzeichnungen von Formeisen für Hohlziegel unterschied-
licher Größe zu erkennen. Hiermit waren die Ziegelformen und ihre Maße für spätere Dachrepara-
turen exakt festgelegt9.
a So für obersten.
1 Zur Baugeschichte grundlegend Kiaiber, Pfarrkirche Weilderstadt 1929, 97-105; kurz zusammengefaßt bei Koepf,
Baukunst der Spätgotik in Schwaben 1958, 36-37; Einzelheiten aufgrund der Steinmetzzeichen revidiert durch
Hammer, Baumeister 1983, 55 — 60; zuletzt Laier-Beifuss, in: Hirsau 1991, 419 — 428.
2 Die einzelnen Bauphasen sind durch Inschriften belegbar; vgl. nrr. 104, 161, 243.
3 Vermutlich ist hiermit der Turmkörper bis zum Abschluß des unteren Turmoktogons gemeint. Der Turm erfuhr
noch einmal eine Erhöhung durch das obere Oktogon; diese Erhöhung erfolgte - wie Felix Hammer aufgrund der
Steinmetzzeichen nachwies - um 1430 und nicht erst nach 1500, wie bisher angenommen; vgl. Hammer (wie
Anm. 1), 55.
4 Em Amtsträger der Stadt würde auf eine Titulatur nicht verzichtet haben; daher scheint die Identifizierung mit
einem „Baumeister“ im Sinne eines Baurechners nicht zutreffend; dazu Hammer (Anm. 1) 55. — Die Bezeichnung
„von Heimsheim“ ist eine Herkunftsangabe, die gerade bei Werkmeistern oft den Charakter eines Eigennamens
annahm; vgl. die Namensfuhrung der Architekten Hans von Böblingen oder Matthäus von Ensingen.
5 So bei OABLeonberg 1852; dem folgen Keppler, Paulus (KdmNeckarkreis), Dannecker.
6 Die Identifizierung mit Benczlin von Heimsheim schon durch Kiaiber (Anm. 1) 98.
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