Abb. 84
Abb. 89
206 Weil der Stadt, Spital, Scheunengebäude 1562
Bauinschrift der Spitalpfleger Hans Reitlin und Sebald Kepler sowie des Spitalmeisters Michel Scheie
im Innern des Baukomplexes des ehemaligen Spitals in der Stuttgarter Straße; hier an der Spitalscheuer
auf der Nordseite des Hofes, Südwand, zwischen den beiden Einfahrten. Quader aus rotem Sandstein,
dunkelrot gefaßt, Grund weiß, Buchstaben schwarz.
H. ca. 40, B. ca. 45, Bu. ca. 4-5 cm. - Gotische Minuskel mit Fraktur-Versalien
Die Spittel pfleger / Jn Ano 1562 Erb(ar) / Hans Reittlin • Sebolt • / Kepler •
Michel schele / der spitelmaister Gott / sei mit vns
Das Spital stößt im Osten an die ehemalige Stadtmauer an der Würm und umfaßt noch heute eine
Vielzahl von Gebäuden, die um einen Hof herum angeordnet sind. Die Gründung des Spitals geht auf
eine Stiftung von 1371 durch die Hail Brodtbegkm, Begine und Bürgerin von Weil, zurück. Von die-
sem Gründungsbau ist nur noch die Spitalkapelle Unserer Lieben Frau im Kern des heutigen Kirchen-
baues erhalten1. Die Profangebäude entstammen — wie mehrere Inschriften ausweisen2 — aus zwei
Neubauphasen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die als eine wirtschaftliche Blütezeit der
Stadt angesehen werden kann. Die erste Phase setzte 1562 mit dem Bau der riesigen Scheune em.
Der Spitalmeister wurde als Leiter des Spitals von zwei Spitalpflegern kontrolliert, die dem Rat an-
gehörten. Der Spitalpfleger Sebald Kepler war der Großvater des berühmten Astronomen und Mathe-
matikers Johannes Kepler, geboren 1547 in Weil der Stadt, gestorben 1630 in Regensburg. Sebald
gehörte als Handelsmann und Wirt zur Ehrbarkeit von Weil der Stadt; er war Ratsmitglied, Schultheiß
und von 1569 bis 1578 Bürgermeister3. Noch 1586 trat er als einer der Anführer der evangelischen
Partei bei den Weiler Religionsstreitigkeiten hervor4.
Die Schrift hält an den Gemeinen der Gotischen Minuskel fest, obgleich als Versahen ausgesprochen
dekorativ gestaltete Frakturbuchstaben mit Schlmgen-Verzierung verwendet werden. Als Worttrenner
zwischen den Eigennamen sind Lmienspiele eingeritzt, die hier durch Punkte angedeutet werden.
1 Zur Geschichte des Spitals vgl. Schütz, Hermann, Das Bürgerspital zu U. L. Frau in Weil der Stadt. Weil der Stadt
1924; OABLeonberg 1930, 1030; Hammer, Spital und Kapelle Weil der Stadt 1985, 2. — Zur Ausstattung der Spital-
kirche vgl. nr. 100.
2 Zu diesen vgl. nr. 249.
3 Zu den Kepler und ihren Beziehungen zu Weil der Stadt vgl. Walz, E., Johannes Kepler Leomontanus (Beiträge zur
Stadtgeschichte 3, Stadtarchiv Leonberg). Leonberg 1994; bes. 18f.
4 OABLeonberg 1930, 1081 u.ö.
OABLeonberg 1852, 247. — KdmNeckarkreis 1889, 309. — OABLeonberg 1930, 1031. — Hammer, F., Spital und Kapelle
Weil der Stadt (Schnell-Kunstführer Nr. 1537). München 1985, 3.
207 Weil der Stadt, kath. Pfarrkirche St. Peter u. Paul 1563
Grabplatte des Gabriel Lutz. Im Lauf der Restaurierung 1978 — 1983 im Bereich zwischen den Osttür-
men im Boden freigelegt, dann im nördlichen Seitenschiff an der Westwand aufgestellt. Rechteckplatte
aus rotem Sandstein, im oberen Drittel quer geteilt; oben fünfzeilige Inschrift, unten Vollwappen in
Relief. Oberfläche beschädigt (Buchstabenverlust).
H. 168, B. 98, Bu. 4,5 cm. — Kapitalis
ALLS • MAN ■ ZALLT • NACH • CHRISTI • GEB[VR]T • 1563a / AM •
22 • TAG IVNIJ • STARB • DER • ERNVEST • / VND • A[CHT]BAR •
GABRIEL ■ LVTZ • STASCREI/BER • ALHIE • APPROBIERTER ■
NOTARIVS / DEM • GOTT • GNEDIG • SEIN • WOLL • AMEN
Wappen: Lutz1
Ein Gabriel Lutz ist 1551 und 1553 als Stadtschreiber zu Calw belegt, 1560/1561 war er Stadtschreiber
und Bebenhausener Klosterpfleger zu Weil der Stadt2. Sein Todesdatum ist nicht bekannt, doch lautet
die beschädigte Jahreszahl wohl 1563. Seine Frau war Agathe Eisengrein von Stuttgart3. Beider Toch-
ter Agathe heiratete 1570 den Melchior Jäger von Gärtringen; an dessen Schloß in Höpfigheim (Stadt
Steinheim a. d. Murr, Lkr. Ludwigsburg) befindet sich das Wappen der Lutz als Teil des Allianzwappens
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Abb. 89
206 Weil der Stadt, Spital, Scheunengebäude 1562
Bauinschrift der Spitalpfleger Hans Reitlin und Sebald Kepler sowie des Spitalmeisters Michel Scheie
im Innern des Baukomplexes des ehemaligen Spitals in der Stuttgarter Straße; hier an der Spitalscheuer
auf der Nordseite des Hofes, Südwand, zwischen den beiden Einfahrten. Quader aus rotem Sandstein,
dunkelrot gefaßt, Grund weiß, Buchstaben schwarz.
H. ca. 40, B. ca. 45, Bu. ca. 4-5 cm. - Gotische Minuskel mit Fraktur-Versalien
Die Spittel pfleger / Jn Ano 1562 Erb(ar) / Hans Reittlin • Sebolt • / Kepler •
Michel schele / der spitelmaister Gott / sei mit vns
Das Spital stößt im Osten an die ehemalige Stadtmauer an der Würm und umfaßt noch heute eine
Vielzahl von Gebäuden, die um einen Hof herum angeordnet sind. Die Gründung des Spitals geht auf
eine Stiftung von 1371 durch die Hail Brodtbegkm, Begine und Bürgerin von Weil, zurück. Von die-
sem Gründungsbau ist nur noch die Spitalkapelle Unserer Lieben Frau im Kern des heutigen Kirchen-
baues erhalten1. Die Profangebäude entstammen — wie mehrere Inschriften ausweisen2 — aus zwei
Neubauphasen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die als eine wirtschaftliche Blütezeit der
Stadt angesehen werden kann. Die erste Phase setzte 1562 mit dem Bau der riesigen Scheune em.
Der Spitalmeister wurde als Leiter des Spitals von zwei Spitalpflegern kontrolliert, die dem Rat an-
gehörten. Der Spitalpfleger Sebald Kepler war der Großvater des berühmten Astronomen und Mathe-
matikers Johannes Kepler, geboren 1547 in Weil der Stadt, gestorben 1630 in Regensburg. Sebald
gehörte als Handelsmann und Wirt zur Ehrbarkeit von Weil der Stadt; er war Ratsmitglied, Schultheiß
und von 1569 bis 1578 Bürgermeister3. Noch 1586 trat er als einer der Anführer der evangelischen
Partei bei den Weiler Religionsstreitigkeiten hervor4.
Die Schrift hält an den Gemeinen der Gotischen Minuskel fest, obgleich als Versahen ausgesprochen
dekorativ gestaltete Frakturbuchstaben mit Schlmgen-Verzierung verwendet werden. Als Worttrenner
zwischen den Eigennamen sind Lmienspiele eingeritzt, die hier durch Punkte angedeutet werden.
1 Zur Geschichte des Spitals vgl. Schütz, Hermann, Das Bürgerspital zu U. L. Frau in Weil der Stadt. Weil der Stadt
1924; OABLeonberg 1930, 1030; Hammer, Spital und Kapelle Weil der Stadt 1985, 2. — Zur Ausstattung der Spital-
kirche vgl. nr. 100.
2 Zu diesen vgl. nr. 249.
3 Zu den Kepler und ihren Beziehungen zu Weil der Stadt vgl. Walz, E., Johannes Kepler Leomontanus (Beiträge zur
Stadtgeschichte 3, Stadtarchiv Leonberg). Leonberg 1994; bes. 18f.
4 OABLeonberg 1930, 1081 u.ö.
OABLeonberg 1852, 247. — KdmNeckarkreis 1889, 309. — OABLeonberg 1930, 1031. — Hammer, F., Spital und Kapelle
Weil der Stadt (Schnell-Kunstführer Nr. 1537). München 1985, 3.
207 Weil der Stadt, kath. Pfarrkirche St. Peter u. Paul 1563
Grabplatte des Gabriel Lutz. Im Lauf der Restaurierung 1978 — 1983 im Bereich zwischen den Osttür-
men im Boden freigelegt, dann im nördlichen Seitenschiff an der Westwand aufgestellt. Rechteckplatte
aus rotem Sandstein, im oberen Drittel quer geteilt; oben fünfzeilige Inschrift, unten Vollwappen in
Relief. Oberfläche beschädigt (Buchstabenverlust).
H. 168, B. 98, Bu. 4,5 cm. — Kapitalis
ALLS • MAN ■ ZALLT • NACH • CHRISTI • GEB[VR]T • 1563a / AM •
22 • TAG IVNIJ • STARB • DER • ERNVEST • / VND • A[CHT]BAR •
GABRIEL ■ LVTZ • STASCREI/BER • ALHIE • APPROBIERTER ■
NOTARIVS / DEM • GOTT • GNEDIG • SEIN • WOLL • AMEN
Wappen: Lutz1
Ein Gabriel Lutz ist 1551 und 1553 als Stadtschreiber zu Calw belegt, 1560/1561 war er Stadtschreiber
und Bebenhausener Klosterpfleger zu Weil der Stadt2. Sein Todesdatum ist nicht bekannt, doch lautet
die beschädigte Jahreszahl wohl 1563. Seine Frau war Agathe Eisengrein von Stuttgart3. Beider Toch-
ter Agathe heiratete 1570 den Melchior Jäger von Gärtringen; an dessen Schloß in Höpfigheim (Stadt
Steinheim a. d. Murr, Lkr. Ludwigsburg) befindet sich das Wappen der Lutz als Teil des Allianzwappens
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