Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0025
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die eroberten und erst kürzlich dem Evangelium zugeführten Pfarreien wieder verloren gingen: im
evangelischen Teil der Grafschaft Öttingen wurde - wie natürlich auch in der in kaiserliche Verwaltung
übernommenen Pfalz-Neuburg - wenigstens mit Erlassen alles evangelische Kirchenwesen beseitigt. In
den Reichsstädten wartete man damit, bis 1548 in Augsburg das Interim erlassen wurde. Bei der An-
wesenheit der kaiserlichen Truppen mußte dieses auch überall angenommen werden, doch legten eigent-
lich alle evangelischen Geistlichen ihr Amt nieder, um nicht die kaiserliche Zwischenreligion befolgen
zu müssen. Nur in Kempten beugte sich ihr ein einziger. In Augsburg, Dinkelsbühl, Kaufbeuren, Kemp-
ten und Memmingen wurde daher überall ganz der katholische Gottesdienst wieder eingeführt, wenn auch
in Augsburg und Kempten daneben Interimsformen gebraucht wurden. Nördlingen nahm das branden-
burgisch-nürnbergische Auctuarium in Gebrauch. Um diesen Sieg dauernd werden zu lassen und ihn
noch zu vergrößern, wurde vom Kaiser den Zünften jedes Recht der Selbstverwaltung und der Be-
teiligung am Stadtregiment genommen. Überall wurden an Stelle des bisherigen Rates neue Männer ein-
gesetzt, wobei es freilich doch nicht überall möglich war, die Evangelischen überhaupt auszuschalten,
weil es einfach nicht genug Männer gab, die sich auch nur wenigstens äußerlich zur alten Richtung
bekennen wollten20.
Im März 1552 aber begann der Aufstand der Fürsten. Mit dem Vormarsch ihrer Truppen erhiel-
ten Dinkelsbühl, Donauwörth, Augsburg, Memmingen, Kempten, Lindau wieder ihre evangelischen
Gottesdienste. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 sicherte sie ihnen, wenn der Kaiser sie auch in
Dinkelsbühl noch einmal verbot, so daßes erst noch sehr schwere Kämpfe kostete, bis seine Bestimmun-
gen tatsächlich durchgeführt wurden. Auch Kaufbeuren konnte erst 1557 sein Recht erhalten. Für Augs-
burg, Dinkelsbühl und Kaufbeuren wurde das Simultaneum im damaligen Sinn einer Gleichberechti-
gung beider Bekenntnisse eingeführt. Auch die Grafschaft Öttingen kam wieder in den früheren Stand.
Die Verfassungsänderung in den Reichsstädten wurde aber nicht wieder rückgängig gemacht; sie blieb
bestehen und brachte überall viele und ernste Schwierigkeiten. Andererseits entstanden so aber zum Teil
auch zunächst selbständige Kirchenregimente. Am weitesten kam es dabei in Dinkelsbühl. Hier wurde
gegen den streng katholischen Rat der Stadt vom Kaiser eine eigene evangelische Kirchenpflege zur
Handhabung der Kirchengewalt über die evangelische Gemeinde geschaffen - wohl das einzige Beispiei
eines von der staatlichen Gewalt völlig unabhängigen Kirchenregimentes auf lutherischem Boden. In
gleicher Weise schien sich die Kirchenpflege in Augsburg entwickeln zu wollen. Bevor es aber noch zu
einer Festlegung des errungenen Standes kam, erfolgte in schweren Kämpfen ein starker Rückschlag.
Die Kirchenfplege hatte seit 1591 (abgesehen von ihren innerkirchlichen Befugnissen) der Stadt gegen-
über nur noch ein Präsentationsrecht.
Von den Besitzen kleiner Herren, die vor dem Schmalkaldischen Krieg noch evangelisch geworden
waren, konntensich ein paar Dörfer Augsburger Bürger noch bis ins 17. Jahrhundert evangelisch
halten. Dann mußten auch sie sich beugen. Dauernd evangelisch blieb nur Burtenbach. Sein Herr - der
Augsburger Schertlin - konnte eine Zeitlang auch noch einige Dörfer am Ries - die Herrschaft Hohen-
burg -, solange sie ihngehörten, bei seinem Bekenntnis halten21.
Dafür wurden jetzt zwei andere noch evangelisch.Zwei Herren von Pappenheim aus der Stühlinger
Linie, der die Herrschaft Rotenstein gehörte, schlossen sich in der Schweiz der Reformation an und führ-
ten 1560 in ihren Pfarreien Grönenbach, Herbishofen und Theinselberg evangelische Gottesdienste ein22.
1570 wurde auf einer Wallfahrt nach Rom Konrad von Riedheim evangelisch. Er übernahm 1576 für
seine beiden Pfarreien der Herrschaft Angelberg-Tussenhausen und Zaisertshofen - die pfalz-neubur-
20 Ludw. Fürstenwerth, Die Verfassungscinderungen in den oherdeutschen Reichsstädten. Göttingen 1893.
21 Simon, FKGB 362.
22 Haggenmüller 2, 90f. 93. — Baumann 3, 394—399. — K. F. Stark. — J. Sedelmayer, Geschichte des Markt-
fleckens Grönenbach. Kempten 1910. - Sontheimer 3, 80—81.

9
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften