im übrigen Bereich des Schmalkaldischen Bundes diesem Entwurf, der in irgendeiner Form von allen
damaligen schwäbischen Mitgliedern übernommen wurde, nichts Ebenbürtiges an die Seite gestellt wurde.
Konnte schon die Antwort als solche30 nicht ohne eine ausführliche Vorlage in den wenigen Stun-
den geschaffen werden, gilt das noch viel mehr von der ihr einverleibten Zuchtordnung31. Sie stammt wohl
von Arnbr. Blarer. Von den verschiedenen Anderungen und Ergänzungen, die in Memmingen gebracht
wurden, läßt sich vorläufig nur eine einzige deutlich als solche und nach ihrem Urheber festlegen - die
beiden Schlußabschnitte ,,Von erkiesung der geistlichen gewalthaber“ und ,,Von dem ampt gemelter ge-
walthaber32“. Sie darf man als Beitrag des Ulmer Predigers Konrad Sam betrachten. Dieser griff damit
in einen seit ein paar Jahren in der Schweiz und in Straßburg, aber auch sonst in Süddeutschland33 ge-
führten, heißen Streit ein. Aber er gab damit nur die Anregungen weiter, die er von Ökolampadius und
seiner Baseler Ordnung34 und von Martin Bucer, der nach anfänglich anderer Einstellung von Öko-
lampadius für seine Ansicht gewonnen worden war35, erhalten hatte. Dieser Einschub ist im Entwurf ein
Fremdkörper und zeigt sehr deutlich das Bemühen, in ein rein demokratisches Verständnis der christ-
lichen Gemeinde, die ausschließlich von der sich als ihr Glied verstehenden weltlichen Obrigkeit geleitet
und vertreten wird, die Stimme des Geistlichen Amtes zur Geltung zu bringen - ein Bemühen, das in sei-
nem von wechselndem Erfolg begleiteten Bingen in Basel wie in Ulm besonders deutlich zu beobachten
ist36, und zeigt, wie hier zwei verschiedene Kirchenbegriffe miteinander rangen - die Kirche, die sich mit
der bürgerlichen Gemeinde identisch weiß wie diese sich mit ihr (wie in Zürich), und die Kirche, die sich
als Größe eigenen Bechtes, weil eigenen Auftrags in dieser bürgerlichen Gemeinde versteht (wie in Basel),
oder auch: die Kirche, in der die Gemeinde über dem geistlichen Amt steht, und die Kirche, in der sich
beide gegenseitig zugeordnet wissen. Auch in der Art, wie diese Anregungen dann übernommen wurden,
äußert sich dieser Kampf. Dabei wird sich zeigen, daß gerade die beiden äußersten Flügel ihre Vertreter
auf bayerischem Boden gefunden haben in Lindau (im Fahrwasser Zürichs) und in Memmingen (in
der Gefolgschaft Basels), während die übrigen Städte den Kompromißvorschlag des Memminger Tages
trotz seiner Unausgeglichenheit übernahmen - Konstanz37, Ulm38, Eßlingen39, Isny40 und wohl auch
Biberach11. Eine ähnliche Zuchtordnung schufen sich später (1546) Kempten42 und Ravensburg43.
Noch einen anderen bedeutsamen Beitrag leistete der Memminger Tag. Er forderte die Einführung
von Taufbüchern44. Es ist nicht unmöglich, daß diese Anregung für die Anordnung von Taufbüchern in
der Brandenburgisch-nürnbergischen Kirchenordnung von 153345 mitgewirkt hat.
Dieser schweizerische Einfluß fand aber nun sein Ende. Nördlich der Donau war, nachdem die
Grafschaft Öttingen schon gleich die Brandenburgische Ordnung übernommen hatte, schon vor dem
Schmalkaldischen Krieg durch die Beziehungen zu Brandenburg-Ansbach und Nürnberg und durch
den Übergang von Pfalz-Neuburg zu den fränkischen Gottesdienstformen die wittenbergische Bichtung
ganz zum Sieg gekommen. Nur scheint nach dem Interim überall - auch in Nördlingen - das Meßgewand
gefallen und nur das Chorhemd geblieben zu sein.
30 Jäger 436—452. 31 Jäger 452—487. 32 Jäger 480-486.
33 Vgl.für Bayern z.B. die Auseinandersetzung um den Bann in der Ausarbeitung der brandenburgisch-nürnbergi-
schen Kirchenordnung von 1533 (Sehling 11, 118ff.)!
34 Ordnung, so eine ersame statt Basel... ,fürohin zu halten erkannt. Basel 1529 (Endriß 88-92). — Anordnung des
Rates von Basel vom 14. Dez. 1530 (Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Bearbeitet von Ernst Staehelin.
2 (1934) 536ff.) — Auf diese Baseler Ordnung hatten auch die Straßburger Prediger die Memminger Versamm-
lung ausdrücklich hingewiesen (Briefe und Akten 2, 564.)
35 Ernst-Wilhelm Kohls, Aus Bucers Entwurf für die Ulmer Kirchenordnung, in: BlwKG 60161 (1960/61) 192
bis 195.
36 zu Basel: Köhler 1, 269-308. - Zu Uhn: Endriß 92ff. - Anrich 101-106.
37 Hauß. - Köhler 2, 106-111. 38 Endriß 92ff. - Anrich 101-106. - Köhler 2, 55-63.
39 O. Schuster, Kirchengeschichte von Stadt und Bezirk Eßlingen. Stuttgart 1946. 158f. - Köhler 2, 126-132.
40 Köhler 2, 215ff. 41 Rauscher 91. — Köhler 2, 229f. 42 Siehe unten g. 173.
43 Köhler 2, 336-339. 44 Jäger 444. 45 Sehling 11, 202. 281.
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damaligen schwäbischen Mitgliedern übernommen wurde, nichts Ebenbürtiges an die Seite gestellt wurde.
Konnte schon die Antwort als solche30 nicht ohne eine ausführliche Vorlage in den wenigen Stun-
den geschaffen werden, gilt das noch viel mehr von der ihr einverleibten Zuchtordnung31. Sie stammt wohl
von Arnbr. Blarer. Von den verschiedenen Anderungen und Ergänzungen, die in Memmingen gebracht
wurden, läßt sich vorläufig nur eine einzige deutlich als solche und nach ihrem Urheber festlegen - die
beiden Schlußabschnitte ,,Von erkiesung der geistlichen gewalthaber“ und ,,Von dem ampt gemelter ge-
walthaber32“. Sie darf man als Beitrag des Ulmer Predigers Konrad Sam betrachten. Dieser griff damit
in einen seit ein paar Jahren in der Schweiz und in Straßburg, aber auch sonst in Süddeutschland33 ge-
führten, heißen Streit ein. Aber er gab damit nur die Anregungen weiter, die er von Ökolampadius und
seiner Baseler Ordnung34 und von Martin Bucer, der nach anfänglich anderer Einstellung von Öko-
lampadius für seine Ansicht gewonnen worden war35, erhalten hatte. Dieser Einschub ist im Entwurf ein
Fremdkörper und zeigt sehr deutlich das Bemühen, in ein rein demokratisches Verständnis der christ-
lichen Gemeinde, die ausschließlich von der sich als ihr Glied verstehenden weltlichen Obrigkeit geleitet
und vertreten wird, die Stimme des Geistlichen Amtes zur Geltung zu bringen - ein Bemühen, das in sei-
nem von wechselndem Erfolg begleiteten Bingen in Basel wie in Ulm besonders deutlich zu beobachten
ist36, und zeigt, wie hier zwei verschiedene Kirchenbegriffe miteinander rangen - die Kirche, die sich mit
der bürgerlichen Gemeinde identisch weiß wie diese sich mit ihr (wie in Zürich), und die Kirche, die sich
als Größe eigenen Bechtes, weil eigenen Auftrags in dieser bürgerlichen Gemeinde versteht (wie in Basel),
oder auch: die Kirche, in der die Gemeinde über dem geistlichen Amt steht, und die Kirche, in der sich
beide gegenseitig zugeordnet wissen. Auch in der Art, wie diese Anregungen dann übernommen wurden,
äußert sich dieser Kampf. Dabei wird sich zeigen, daß gerade die beiden äußersten Flügel ihre Vertreter
auf bayerischem Boden gefunden haben in Lindau (im Fahrwasser Zürichs) und in Memmingen (in
der Gefolgschaft Basels), während die übrigen Städte den Kompromißvorschlag des Memminger Tages
trotz seiner Unausgeglichenheit übernahmen - Konstanz37, Ulm38, Eßlingen39, Isny40 und wohl auch
Biberach11. Eine ähnliche Zuchtordnung schufen sich später (1546) Kempten42 und Ravensburg43.
Noch einen anderen bedeutsamen Beitrag leistete der Memminger Tag. Er forderte die Einführung
von Taufbüchern44. Es ist nicht unmöglich, daß diese Anregung für die Anordnung von Taufbüchern in
der Brandenburgisch-nürnbergischen Kirchenordnung von 153345 mitgewirkt hat.
Dieser schweizerische Einfluß fand aber nun sein Ende. Nördlich der Donau war, nachdem die
Grafschaft Öttingen schon gleich die Brandenburgische Ordnung übernommen hatte, schon vor dem
Schmalkaldischen Krieg durch die Beziehungen zu Brandenburg-Ansbach und Nürnberg und durch
den Übergang von Pfalz-Neuburg zu den fränkischen Gottesdienstformen die wittenbergische Bichtung
ganz zum Sieg gekommen. Nur scheint nach dem Interim überall - auch in Nördlingen - das Meßgewand
gefallen und nur das Chorhemd geblieben zu sein.
30 Jäger 436—452. 31 Jäger 452—487. 32 Jäger 480-486.
33 Vgl.für Bayern z.B. die Auseinandersetzung um den Bann in der Ausarbeitung der brandenburgisch-nürnbergi-
schen Kirchenordnung von 1533 (Sehling 11, 118ff.)!
34 Ordnung, so eine ersame statt Basel... ,fürohin zu halten erkannt. Basel 1529 (Endriß 88-92). — Anordnung des
Rates von Basel vom 14. Dez. 1530 (Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Bearbeitet von Ernst Staehelin.
2 (1934) 536ff.) — Auf diese Baseler Ordnung hatten auch die Straßburger Prediger die Memminger Versamm-
lung ausdrücklich hingewiesen (Briefe und Akten 2, 564.)
35 Ernst-Wilhelm Kohls, Aus Bucers Entwurf für die Ulmer Kirchenordnung, in: BlwKG 60161 (1960/61) 192
bis 195.
36 zu Basel: Köhler 1, 269-308. - Zu Uhn: Endriß 92ff. - Anrich 101-106.
37 Hauß. - Köhler 2, 106-111. 38 Endriß 92ff. - Anrich 101-106. - Köhler 2, 55-63.
39 O. Schuster, Kirchengeschichte von Stadt und Bezirk Eßlingen. Stuttgart 1946. 158f. - Köhler 2, 126-132.
40 Köhler 2, 215ff. 41 Rauscher 91. — Köhler 2, 229f. 42 Siehe unten g. 173.
43 Köhler 2, 336-339. 44 Jäger 444. 45 Sehling 11, 202. 281.
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