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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0030
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gen Ständen dauerte es merkwürdig lang, bis sie sich zur Nachahmung dieser Beispiele bereit fanden.
Die Grafschaft Öttingen begann damit nach der Wiederherstellung des evangelischen Kirchenwesens
155252. Donauwörth53 und Nördlingen54 folgten 1579, Augsburg55 und Kempten56 1596. Bei Kauf-
beuren, dessen Kirchenbücher erst 1632 einsetzen, ist wohl sicher anzunehmen, daß ein älteres Buch
verlorengegangen ist57.
Das rasch zunehmende Erstarken des Katholizismus brachte auch in Schwaben harte Gegenrefor-
mationserscheinungen, wie den langjährigen Ausschluß der Evangelischen Dinkelsbühls von ihrem An-
recht auf den Religionsfrieden, und Kalenderstreitigkeiten in Augsburg 1582 und Kaufbeuren und
Dinkelsbühl 1602, die überall zur Einführung des neuen als päpstlich empfundenen Kalenders führten,
damit aber auch zur Entwicklung von Kirchenverfassungsformen, die einer weitgehenden Selbstverwal-
tung der Kirche unabhängig vom Staat gleichkamen. 1604 mußte die überwiegende evangelische Mehr-
heit Kaufbeurens die Pfarrkirche der geringen katholischen Minderheit überlassen. Donauwörth kam
1607, weil es keine katholischen Prozessionen benachbarter Gemeinden in seinen Mauern dulden wollte,
in bayerische Hand und wurde so wieder katholisch. Daß die teilweise in den Raum des Schwäbischen
Kreises hereinreichende Pfalz-Neuburg seit 1614 infolge des Glaubenswechsels ihres jungen Landes-
herrn der Gegenreformation verfiel, schwächte die Widerstandskraft der evangelischen Stände noch
weiter. Lindau erhielt über innerkirchliche Unruhen eine kaiserliche Besatzung, in Kaufbeuren wurde
überhaupt die völlige Rückkehr zur katholischen Kirche gefordert. Dinkelsbühl und die Grafschaft
Öttingen mußten gleichfalls schwere Einbußen entgegennehmen. Dann erlangte 1629 der Augsburger
Bischof Heinrich von Knöringen, der hinter dem allem als treibende Kraft stand, vom Kaiser das Re-
stitutionsedikt. Es entrechtete - weit über seinen buchstäblichen Gehalt hinaus ausgelegt - vor allen
Dingen die Evangelischen in Augsburg vollständig und beraubte sie aller ihrer Kirchen und Geist-
lichen. Öttingen verlor zahlreiche Pfarreien. Die Ankunft Gustav Adolfs brachte zwar im Jahr 1632
überall die Wiederherstellung der evangelischen Rechte. Doch gingen sie nach der Schlacht bei Nördlin-
gen in Dinkelsbühl und Augsburg wieder weitgehend verloren. Dafür verhalf dann der Westfälische
Friede zur dauernden Wiedereinsetzung in die alten Rechte, ja darüber hinaus auch zum Simultaneum
im politischen Leben. Alle Ämter mußten in Dinkelsbühl und Augsburg im Verhältnis von 1:1, in
Kaufbeuren sogar im Verhältnis von ungefähr 5:1 zugunsten der Evangelischen besetzt werden.
Waren damit auch nicht alle Reibungsflächen beseitigt, so gah es nun doch weiterhin eine ruhige
Entwicklung, die ihren Abschluß darin fand, daß alle diese Kirchengebiete in der napoleonischen Zeit
in Bayern und damit in die bayerische Landeskirche eingegliedert wurden. Sie haben in ihr an der
starken Eigenentwicklung der bayerischen Kirche des vorigen Jahrhunderts lebendig teilgenommen,
dabei aber auch gerade auf dem Gebiet der Kirchenordnungen alte Besonderheiten charaktervoll bei-
behalten.

52 Biebinger XVIII.
53 R. Hipper und A. Weißthanner, Pfarrbücherverzeichnis für das Bistum Augsburg (= Bayerische Pfarrbücher-
verzeichnisse 2). München 1951. 45.
54 Biebinger 244
55 Biebinger 21f. - Die zuletzt und da mit besonderer Lautstärke von Heinr. Börsting, Geschichte der Matrikeln
von der Frühkirche bis zur Gegenwart (Freiburg 1959) 87 aufgestellte Behauptung, es habe in Augsburg schon im
ganzen Mittelalter eine ausgezeichnete Kirchenbuchführung gegeben, beruht auf der Verwechslung von Kirchen-
büchern mit städtischen statistischen Zusammenstellungen von Geburten, Hochzeiten und Sterbefällen (M. Simon,
Zur Geschichte der Kirchenbücher, in: ZbKG 29 [ 1960] 10f.)
56 Biebinger 170.
57 Biebinger 169.

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