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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0036
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und Konrad von Adelmann leuchteten ihm darauf Ende 1519 mit ihrer ,,Antwort der ungelehrten Chor-
herrn“ gehörig heim.
Trotz der Feindschaft des Bischofs entwickelte sich das evangelische Leben unter dem Schutz des
Bürgermeisters Rehlinger weiter. Zwar ging Ökolompad 1520 weg; dafür fand er in Urban Rhegius6
einen nur entschiedeneren Nachfolger. Rhegius wurde freilich Ende 1521 verdrängt.
Die Mittelpunkte waren nun Frosch bei St. Anna und der Prediger Speiser bei St. Moritz. Peu-
tinger schrieb über dies Leben: ,, Von Laien - Männern und Frauen - wird viel in der Heiligen Schrift
und sonst gelesen, wie vorher nie geschehen“7. Die Laien griffen auch zur Feder - der Söldnerführer
Haug Marschalck8, der Organist Bernh. Rem9 und der leidenschaftliche Weber Utz Rychßner10.
Im Spätsommer 1523 kam es in Augsburg zu einer lebhaften Bewegung. Am 26. August trat der
Baseler Priester Jakob Grießbeutel in den Ehestand. Eine kirchliche Feier wurde vom Rat verboten.
Daher fand die Eheschließung in einer Wirtschaft statt, wobei der aus Augsburg stammende Pfarrer
Kaspar Adler, der im baierischen Jengen evangelisch gepredigt und geheiratet hatte und deshalb hatte
weichen müssen11, eine Ansprache hielt. Es ist die schlichteste Form einer evangelischen Trauung12.
Der Rat schritt gegen die Teilnehmer mit Gefängnis- und Geldstrafen ein. Adler, der jetzt eine in Em-
menhausen auf Wunsch des dortigen Dorfherren, eines Augsburger Patriziers, gehaltene Predigt in
Druck gab, wurde am 12. September auf der Reichsstraße durch den Bischof gefangen genommen und
als Gefangener nach Dillingen gebracht. Die Nachrichten von diesen Bedrängnissen mögen auf dem Weg
bis Wittenberg einige Übertreibungen erfahren haben. Darum fühlte sich Luther veranlaßt, den Augsbur-
ger Evangelischen am 11. Dezember 1523 einen Trostbrief zu schreiben13.
Evangelisch betätigen sich auch die Pfarrer von Heilig Kreuz (Joh. Schneid), bei St. Georg (Joh.
Seifried) und bei St. Ulrich (Joh. Schmid) 14.
Im April 1524 fand man auf dem Friedhof die Heiligenbilder verschmiert. Arn 8. Mcii wurde in der
Barfüßerkirche die Wasserweihe gestört. Der Urheber der Störung war der im Frühjahr 1524 nach Augs-
burg gekommene Lesemeister des Barfüßerklosters Joh. Schilling15. Er wurde dafür im August ausgewie-
sen. Darauf kam es zu einem ernsten Tumult. Zwei Bürger wurden enthauptet, aber die Ausweisung
mußte zurückgenommen werden16 . Um die Bewegung angesichts der bedrohlichen Haltung des Volkes in
geordneten Bahnen zu halten, holte der Rat sogleich Urban Rhegius zurück. Er stellte ihn als evangelischen
Prediger an. Schilling ging jetzt von selbst. Noch vor Ablauf des Jahres wurde in Michael Keller17 ein
zweiter Geistlicher von der Stadt angenommen; er sollte wie Rhegius bei den Barfüßern predigen18. Keller

6 * 1489 in Langenargen. - 1512 Ingolstadt Professor der Rhetorik in enger Freundschaft mit Dr. Eck, 1519 Kon-
stanz Domvikar, 1520 Augsburg Domprediger, 1521 freier evangelischer Prediger u. a. in Hall in Tirol, 1524
Augsburg Städtischer Prediger, 1530 Celle Prediger, 1531 auch Superintendent - † 1541 (Rein 2. - Gerh. Uhl-
horn, U. Rhegius. Elberfeld 1861. — Tschackert, in: RE 16, 734-741. - Roth 3 [Register]. - Schottenloher
17, 936-17964). 7 Roth 1, 125.
8 Roth 1, 134f. - Clemen, Marschalck. — Roth, Wer war Haug Marschalk?. - Schottenloher Karl, Phil. Ulhart
(München 1921) 37-54. 9 Roth 1, 114. 137. 148. 10 Roth 1, 135. 148f.
11 Seit 1527 Pfarrer und Superintendent in Saalfeld, † 1560 (Kawerau, in: RE 1, 759f. - Roth 1, 123f. 141f.).
12 Unsere Nr. I 1. — Roth 1, 115f.
13 WA Br 12, 221-227. 14 Roth 1, 128f.
15 Über eine wahrscheinlich von ihm, auf alle Fälle aber nicht von Mich. Keller gebrauchte „Offene Schuld“, die aber
nicht als Kirchenordnung im Sinne dieser Aufgabe gelten kann: Clemen Otto, Formular einer „Offenen Schuld“
von Mich. Keller in Augsburg 1524, in: BbKG 10 (1904) 223.
16 Roth 1, 157—169. - Wilh. Vogt, Joh. Schilling... und der Aufstand... im Jahre 1524, in: HVSchw 6 (1879)
1-35.
17 Aus Burgheim bei Neuburg. - Um 1522 Wasserburg Pfarrverweser, 1524 als evangelisch gewichen, Nov. 1524
Augsburg Prediger an der Barfüßerkirche, 1544 St. Moritz Pfarrer - † 1548 (Roth [Register]. - Rein 6. -
Roth, Keller. — Schottenloher 9671—9674. — ND B 3, 181. — Wolfg. Zorn, Mich. Keller, in: Lebensbilder aus
dem bayerischen Schwaben 7 [ 1959] 161-172). - Zu seiner Wasserburger Zeit: Matth. Simon, Die evangelische
Bewegung in Wasserburg..., in: ZbKG 30 (1961) 123-128. 18 Roth, 1, 128. 161-165.

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