Wie die Reformationsgeschichte Augsburgs überhaupt darunter leidet, daß sich die evangelische
Bewegung zunächst in ihren verschiedenartigsten Formen ohne jede leitende obrigkeitliche Hand, aber
auch ohne eine starke Führergestadt unter den Geistlichen wild entwickeln mußte, so fehlte gerade jetzt
ein solcher Mann. Bemühungen der Stadt, einen zu bekommen, schlugen mehrmals fehl. So dauerte die
Uneinigkeit unter den Geistlichen weiterhin an. Um wenigstens zu einer einheitlichen Kirchenordnung zu
kommen, rief man Martin Butzer, der auch am 18. Mai 1537 eintraf und bis zum 9. Juli verweilte20.
Butzer versuchte diese Ordnung zunächst dadurch zu schaffen, daß er von allen Geistlichen Ent-
würfe einreichen ließ. Dabei kam es aber zu so scharfen Auseinandersetzungen, daß vermutlich Butzer
den schließlich dem Rat vorgelegten Entwurf selbst erarbeiten mußte21. Vor allem um die ,,Lektion“ -
eine wissenschaftliche Bibelerklärung aus dem Urtext - wurde heiß gestritten. Die schweizerische Rich-
tung verlangte sie nach dem Vorgang von Straßburg, Zürich, Ulm, Memmingen usw22, während die
Lutheraner - doch nicht nur diese - dafür eine lateinische Vesper wünschten23. Die ,,Lektion“ wurde er-
reicht. Am 9.Juni erschien eine Verordnung über diese Wochengottesdienste, die sie festsetzte24. Sie er-
freute sich aber nur recht geringen Anklangs, so daß man schon im Dezember 1537 ernstlich an ihre
Abschaffung dachte25.
Das dem Rat am 12.Juli26 vorgelegte Stück der Kirchenordnung ist nicht erhalten, wohl aber die
gleichzeitig dazu dem Rat vorgelegte Übersicht27.
Aus ihr wurden zunächst die vor der Predigt zu verlesenden katechetischen Stücke samt dem All-
gemeinen Kirchengebet28 und die liturgischen Stücke (Taufe, Abendmahl, Trauung29) herausgenom-
men und gesondert veröffentlicht. In der nun verbleibenden Ordnung, die ohne Zweifel wörtlich die Vor-
lage wiedergibt30, wurde auf diese Drucke einfach verwiesen. Ein bestimmtes Datum für die Annahme
läßt sich nicht angeben. Sie muß also aber im Juli erfolgt sein.
Eine wichtige Ergänzung zur Abendmahlsordnung bringt der Bericht des Grafen von Waldeck über
eine Abendmahlsfeier in der Barfüßerkirche 154831. Besonders beachtlich ist dabei der Umstand, daß
sich nicht nur zwischen den durch die bekenntnismäßige Haltung ihrer Pfarrer geprägten Kirchen Un-
terschiede herausgebildet hatten, sondern daß es auch während der einzelnen Feiern verschiedene Formen
gab, so daß etwa abwechselnd ein Lutheraner sich Hostie und Kelch reichen lassen, ein Zwinglianer
beides selbst nehmen konnte. Die ,,Zehen gebot“ sind ein sehr beachtlicher Versuch, den an sich kahlen,
lehrhaften Zweck, zu dem er aus der mittelalterlichen übernommen worden war, gottesdienstlich zu ver-
tiefen und zu erwärmen. Dazu schob man hinter die Verlesung des Dekaloges eine offene Beichte mit Ab-
solution ein und vor das Vaterunser eine allgemeine Gebetsvermahnung mit Aufzählung der ver-
schiedensten Gebetsanliegen.
Am 22. Juli 1537 wurde ein Feiertagsmandat erlassen32. Es ließ außer den Sonntagen lediglich
6 Feiertage bestehen und von diesen waren zwei als Sonntage schon ohnehin Feiertage. Die Ordnung folgte
also hier ganz Zwinglis Gedanken33. Forster und Huberinus hätten zwar gerne noch mehr Feiertage bei-
behalten, vor allem den Epiphaniastag (6. Jan.). Letzterer war ursprünglich auch schon vom Rat be-
schlossen gewesen, dann aber doch noch gestrichen worden34.
Gesangbücher erschienen 1529, dann bald darauf in einem unbekannten Jahr, ferner 1533 und
20 Roth 2, 323-326. 21 Forster bei Germann 193-200.
22 Güter-Egli, Prophezei, in: RE 16, 108ff. 23 Forster bei Germann 194-196. - Roth 2, 324f.
24 Unsere Nr. I 7. 25 Germann 229—232. 26 Roth 2, 351. 27 Unsere Nr. I 8b.
28 Unsere Nr. 19.- Hans, Agenden 153-158. — Dieses Allgemeine Kirchengebet blieb in seiner Bedeutung bisher
noch ungewürdigt. Man kann angesichts seiner nicht sagen, daß erst die Württemberger Kirchenordnung von 1553
(Hauß-Zier 70f.) der evangelischen Kirche ein zusammenhängendes Gebet solcher Art geschaffen habe (Walden-
maier 129). 29 Unsere Nr. I 10. — Hans, Agenden 147—153.
30 Unsere Nr. I 8a. 31 Unsere Nr. I 13b. 32 Unsere Nr. I 11.
33 CR 89 (= Zwingli 2) 24 7. 34 Hans, Agenden 158.
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Bewegung zunächst in ihren verschiedenartigsten Formen ohne jede leitende obrigkeitliche Hand, aber
auch ohne eine starke Führergestadt unter den Geistlichen wild entwickeln mußte, so fehlte gerade jetzt
ein solcher Mann. Bemühungen der Stadt, einen zu bekommen, schlugen mehrmals fehl. So dauerte die
Uneinigkeit unter den Geistlichen weiterhin an. Um wenigstens zu einer einheitlichen Kirchenordnung zu
kommen, rief man Martin Butzer, der auch am 18. Mai 1537 eintraf und bis zum 9. Juli verweilte20.
Butzer versuchte diese Ordnung zunächst dadurch zu schaffen, daß er von allen Geistlichen Ent-
würfe einreichen ließ. Dabei kam es aber zu so scharfen Auseinandersetzungen, daß vermutlich Butzer
den schließlich dem Rat vorgelegten Entwurf selbst erarbeiten mußte21. Vor allem um die ,,Lektion“ -
eine wissenschaftliche Bibelerklärung aus dem Urtext - wurde heiß gestritten. Die schweizerische Rich-
tung verlangte sie nach dem Vorgang von Straßburg, Zürich, Ulm, Memmingen usw22, während die
Lutheraner - doch nicht nur diese - dafür eine lateinische Vesper wünschten23. Die ,,Lektion“ wurde er-
reicht. Am 9.Juni erschien eine Verordnung über diese Wochengottesdienste, die sie festsetzte24. Sie er-
freute sich aber nur recht geringen Anklangs, so daß man schon im Dezember 1537 ernstlich an ihre
Abschaffung dachte25.
Das dem Rat am 12.Juli26 vorgelegte Stück der Kirchenordnung ist nicht erhalten, wohl aber die
gleichzeitig dazu dem Rat vorgelegte Übersicht27.
Aus ihr wurden zunächst die vor der Predigt zu verlesenden katechetischen Stücke samt dem All-
gemeinen Kirchengebet28 und die liturgischen Stücke (Taufe, Abendmahl, Trauung29) herausgenom-
men und gesondert veröffentlicht. In der nun verbleibenden Ordnung, die ohne Zweifel wörtlich die Vor-
lage wiedergibt30, wurde auf diese Drucke einfach verwiesen. Ein bestimmtes Datum für die Annahme
läßt sich nicht angeben. Sie muß also aber im Juli erfolgt sein.
Eine wichtige Ergänzung zur Abendmahlsordnung bringt der Bericht des Grafen von Waldeck über
eine Abendmahlsfeier in der Barfüßerkirche 154831. Besonders beachtlich ist dabei der Umstand, daß
sich nicht nur zwischen den durch die bekenntnismäßige Haltung ihrer Pfarrer geprägten Kirchen Un-
terschiede herausgebildet hatten, sondern daß es auch während der einzelnen Feiern verschiedene Formen
gab, so daß etwa abwechselnd ein Lutheraner sich Hostie und Kelch reichen lassen, ein Zwinglianer
beides selbst nehmen konnte. Die ,,Zehen gebot“ sind ein sehr beachtlicher Versuch, den an sich kahlen,
lehrhaften Zweck, zu dem er aus der mittelalterlichen übernommen worden war, gottesdienstlich zu ver-
tiefen und zu erwärmen. Dazu schob man hinter die Verlesung des Dekaloges eine offene Beichte mit Ab-
solution ein und vor das Vaterunser eine allgemeine Gebetsvermahnung mit Aufzählung der ver-
schiedensten Gebetsanliegen.
Am 22. Juli 1537 wurde ein Feiertagsmandat erlassen32. Es ließ außer den Sonntagen lediglich
6 Feiertage bestehen und von diesen waren zwei als Sonntage schon ohnehin Feiertage. Die Ordnung folgte
also hier ganz Zwinglis Gedanken33. Forster und Huberinus hätten zwar gerne noch mehr Feiertage bei-
behalten, vor allem den Epiphaniastag (6. Jan.). Letzterer war ursprünglich auch schon vom Rat be-
schlossen gewesen, dann aber doch noch gestrichen worden34.
Gesangbücher erschienen 1529, dann bald darauf in einem unbekannten Jahr, ferner 1533 und
20 Roth 2, 323-326. 21 Forster bei Germann 193-200.
22 Güter-Egli, Prophezei, in: RE 16, 108ff. 23 Forster bei Germann 194-196. - Roth 2, 324f.
24 Unsere Nr. I 7. 25 Germann 229—232. 26 Roth 2, 351. 27 Unsere Nr. I 8b.
28 Unsere Nr. 19.- Hans, Agenden 153-158. — Dieses Allgemeine Kirchengebet blieb in seiner Bedeutung bisher
noch ungewürdigt. Man kann angesichts seiner nicht sagen, daß erst die Württemberger Kirchenordnung von 1553
(Hauß-Zier 70f.) der evangelischen Kirche ein zusammenhängendes Gebet solcher Art geschaffen habe (Walden-
maier 129). 29 Unsere Nr. I 10. — Hans, Agenden 147—153.
30 Unsere Nr. I 8a. 31 Unsere Nr. I 13b. 32 Unsere Nr. I 11.
33 CR 89 (= Zwingli 2) 24 7. 34 Hans, Agenden 158.
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