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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0046
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burgs überkamen ja nicht eine einzige mittelalterliche Pfründe eines Geistlichen. Alles mußten sie erst
neu schaffen und gestalten. Lediglich die von ihren letzten Mönchen der Stadt übergebenen Klöster gerie-
ten in evangelische Hand. Das Annakloster wurde Pfarrhaus der dortigen Pfarrkirche und Gymnasium19.
Das Barfüßerkloster nahm die Jakobspfründe - ein Altersheim bei der Jakobskirche - auf20.
Der Kampf um die Kirchenpflege.
Nach dem Religionsfrieden besaß die Stadt zunächst zwar nur eine zahlenmäßig recht gering-
fügige katholische Bevölkerung. Sie bestand aber aus den einflußreichsten Kreisen und hatte zudem im
Rat auf Grund der kaiserlichen Verfassung eine kleine Mehrheit1. Das Verhältnis dber wandelte sich
langsam. 1559 zählten alle katholischen Pfarreien zusammen kaum mehr als 800 Osterkommunikanten.
1599 aber kamen wieder 2500 zur Osterbeichte2. Vor allem aber wuchs die katholische Ratsmehrheit in-
folge der neuen Verfassung Kaiser Karls V. Um 1580 war der ganze Rat geschlossen katholisch3. Des-
halb ernannte er als Mittelglied zwischen sich und der evangelischen Gemeinde 2 Kirchenpfleger, zu
denen bald noch ein dritter kam4. Sie sollten mit den Geistlichen zusammen die Kirchenfragen behandeln.
Dieser Körperschaft wurde bald stillschweigend von der Stadt die Ernennung neuer Geistlicher über-
lassen. Darüber kam es, als das katholische Machtbewußtsein und der damit zusammenhängende Macht-
anspruch gewachsen waren, zu einer ernsten Auseinandersetzung, die um so schärfer war, als sie gleich-
zeitig mit einer anderen Frage zusammentraf und durch einen tragischen Vorfall besondere Verwicklung
erfuhr. Das geschah im sogenannten Kalenderstreit.
1582 führte Papst Gregor XIII. eine Kalenderreform ein.Das erste deutsche Gebiet, das ihm Folge
leistete, war das Hochstift Augsburg. Schon nach dem 13. Februar 1583 zählte man hier gleich den
24. Februar weiter, während die übrigen Hochstifte Bayerns und das Herzogtum Baiern erst im Laufe des
Jahres folgten5. Mit dem Bischof von Augsburg beschloß sogleich der (katholische) Rat der Stadt, den
Kalender anzunehmen. Der evangelische Teil der Stadt beschwerte sich beimReichskammergericht da-
gegen. Dieses wies den Rat auch an, bis zu einer Stellungnahme der Reichsstände zu warten. Der Rat
jedoch fuhr mit seinen Maßnahmen fort. Ebenso beharrten die Evangelischen auf ihrem Widerstand.
Und gerade in diesen Monaten griff der Rat noch weiter. Er erkannte zwei nach der bisherigen Übung be-
rufene evangelische Geistliche nicht an, sondern berief einfach ohne jede Beteiligung der evangelischen
Kirchenpfleger und Geistlichen zwei andere Geistliche. Diese nahmen die alten Geistlichen unter Füh-
rung ihres Superintendenten Georg Müller6, in dem die evangelische Gemeinde gerade einen allgemein
anerkannten, überragenden Führer besaß, nicht als Amtsbrüder auf.
Am 18./28.Mai 1584 wurde nun, nachdem das Kammergericht auf kaiserliche Weisung sein Ur-
teil geändert hatte, den Evangelischen befohlen, den päpstlichen Kalender anzunehmen, während gleich-
zeitig die evangelischen Kirchenpfleger bis auf weiteres in ihren Häusern festgehalten wurden. Die
Führung ruhte daher allein in den Händen Müllers. Dieser erklärte sich zu weiteren Verhandlungen be-
reit. Nur müßten die unmittelbar bevorstehenden Feste Himmelfahrt und Pfingsten noch nach dem alten
Kalender begangen werden, da diese sonst von den Evangelischen in diesem Jahre überhaupt nicht ge-
feiert würden. Seine Vorschläge wurden nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Die evangelischen Geist-

19 Schiller, Annakirche. 20 Th. Herberger, Die St. Jakobspfründe in Augsburg. Augsburg 1848.
1 Gertrud Schiller.
2 Simon, EKGB 362. - Im Jahr 1635 hatte die Stadt 12017 evangelische und 4415 katholische Einwohner (Stetten
2, 419).
3 Roth 4, 682 - Stetten 2, 768f. - Gertrud Schiller. 4 Roth 4, 570.
5 H. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung. Hannover 19052. 26.
6 * Augsburg 1548. — 1572 Augsburg Heilig Kreuz Diakonus, 1579 St. Anna Prediger, 1580 auch Superintendent,
1584 entlassen, 1585 Wittenberg Professor, 1589 Jena Professor, 1601 auch Oberpfarrer, 1603 Wittenberg Professor
und Superintendent - † 1607 (Rein 65. - Radlkofer, Kalenderstreit. - AD B 23, 142f.

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