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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0051
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I 2. Das frugebet,
so man anstatt der bäpstischen meß haltet.
Zum leeser.

Der hailig evangelist Sant Lucas in geschichten
der Aposteln im 4. capitel [32] schreibt, das der
menig deren, so glaubig waren worden, sei gewesen
ain herz und ain seel, welche zwai allein aus Gottes
wort und Gaist in ainigkait durch den glauben ge-
bracht werden; dann si baide, ja der ganz mensch
mit dem, das er hat und ist, von anfang an in boden
also verderbt sein, Gene. 6 [5], Jere. 17 [9]. Darumb
dann David fragt: Warmit wirt ain jüngling sein weg
besseren? als wolt er sagen: So sich iemant von ju-
gent auf, ja von geburt an also verderbt befindet,
wamit wirt dann diser mangel und geprest, o
Herre, gerainigt, gebessert und widerpracht? Ant-
wort David: Wenn er sich helt, Herre, nach deinen
worten. Deshalben Lucas gleich darvor im andern
capitel [Ap.-G. 2, 42] sagt: Sie, die glaubigen, be-
liben bestendig in der apostellere, in welcher (wie
Christus spricht, Joan. 5 [39]) zeugnus von dem wil-
len Gottes und Christo über unsere herz und gemüt
erforschet, erlernet und gefunden wird.
Und nennet also Lucas [Ap.-G. 2, 42] vier stuck
mit ausgetruckten worten gerad nackainander wie,
das diejenigen, so zum gelauben beruofen und sich
für jungern Christi darstelleten, bliben bestendig
zum ersten in der apostel leer, zum andern in der ge-
mainschaft oder handraichung der armen, zum
dritten im brotbrechen, zum vierten im gebet.
Und der apostel stellet vornen an am ersten die
leer, daraus dann das herz und gemüt in ainigkait
des glaubens in Gott und Ckristum gefüret wirt.
Druckvorlage: Die WA 35, 350f. beschriebene
älteste Ausgabe von 1529 ist nach Mitteilung der
Deutschen Staatsbibliothek in Berlin seit dem 2.
Weltkrieg nicht mehr vorhanden. Als Vorlage wurde
daher eine wohl aus dem Jahre 1530 stammende Aus-
gabe benützt (Stuttgart Landesbibhothek, Theol.
8°. 5377). Form vnd ordnung / gaystlicher Gesang
vnd Psalmen, welche Got / dem Herren zuo lob / vnd
eer gesungen werden. Auch das Fruegebett, an stat
der Bäbstlichen / Meß zuo halten. Alles von newem
Corrigiert / gemert und gebessert. (Ohne Druckort
und Jahr).

Darnach die gemainschaft oder handraichung der
armen etc., aines waren glaubens unzertailiche
frücht, in den nächsten und dürftigen fließend.
Zum dritten die brotbrechung, von Paulo 1. Cor.
11 [20] des Herren nachtmal genant, des unschul-
digen todes und teuren bluotvergießens Christi ain
hailig sacrament, symbolum und widergedächtnus
und danksagung.
Zum vierten das gebet, darin unser mangel und
prest1, baider, seel und leibs, von Gott unserm
Vater (wie uns Christus lernet Math. 6 [9-13]) er-
suocht und erbeten soll werden; dan nicht allain,
wie Paulus sagt 1. Timoth. 2 [1], sollen wir bitten
für uns, sonder für alle menschen, für künig, für
oberkait etc.
Welcke vier stuck aus langwiriger verdunklung und
finsternus der menschen gesatz und guotdunken bald
nach den zeiten der aposteln verplendt und verkert
worden, nun aber aus der gnad Gottes durch den
glast2 des aufgegangen evangelii widerumb herfur-
bracht und an tag kommen sein, also das man hin-
für an anstat der erdichten und zuosamengeflickten
meß an vil christlichen orten dise obgenannte stuck,
bei den aposteln anfenglich in iren versamlungen
preuchlich, in ain christlichs fruegebet gewendet und
zuo ieben für die hend genommen hat, darin man
dise mergenante stuck nach rechter ordnung von
den apostlen gebraucht mit ernstlichem fleiß und
christlicher andacht zur glori Christi und Gottes umb
merung des glaubens, wachsung und zuonemung der
Entgegen der Erwartung, die der Titel erweckt,
kommt das Fruegebet zuerst, bereits auf der Rück-
seite des Titelblattes, 8 Seiten. (Beschreibung:
Wackernagel, Bibliographie Nr. 291. — WA 35,
351). Nach einem Register der folgenden Lieder
schließen sich dann mit besonderem Titel zuerst 84
Psalmenverdeutschungen und dann die übrigen Ge-
sänge an. Den Beschluß bildet noch einmal ein Lied
mit gesondertem Titelblatt. — Vgl. oben S. 22!
1 = Gebrechen (Schmeller 1, 367. - Grimm 2,
372 f.).
2 = Glanz (Schmeller 1, 977. - Grimm 4 1 4, 7696).

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