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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0056
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I 4. Form und ordnung des Herren nachtmal betreffend,
wie die gehalten worden ist, durch die diener des ewangelions zu sant Anna.
1530

Hernach volgend die ermanung1:
Ir geliebten! Sant Paulus ermant uns 1. Corinth.
am 11. [28], wir sollen uns vor probieren und aldann
zu Gottes tisch geen. Darumb soll eur lieb zum er-
sten sehen, warinen die prob stande, damit man nit
das gerucht esse und trink. So muessen wir nun mit
ernst bedenken, was man hie tue, was da sei und
was hie gesucht soll werden. Man soll zum ersten an-
sehen, was Christus getan hab und uns zu tun be-
volhen, nemblich: wir sollen sein gedenken, sein
hailsamen tod verkünden, hinz2 er kompt. Hie ist
nit ain bauchmal, sonder ain speis und trank zu
ainem neuen leben, darinnen uns Christus will spei-
sen mit seinem waren leib und trenken mit seinem
waren plut, so hie zugegen seind umb seines worts
willen, wie er seine jünger gspeiset und trenket im
ersten abentmal, durch wölichen leib und sein plut
er uns am creuz mit seinem tod vom ewigen tod er-
kauft, ablaß der sünd erworben und zwischen Got
dem Vater und uns den gnadenbund aufgericht und
bestätiget hat, das wir durch Cristum und in Cristo
sollen kinder Gottes werden und Got unser Vater
sein. Darumb suchen wir hie nit irdisch, zergenklich
ding, sonder ewigs. Wir seien krank und suchen erz-
nei des lebens. Wir seien hungerig und durstig und
suchen das lebentig prot, das von himel kompt:
Jesum Cristum, den prunnen des ewigen lebens. Wer
in in vertraut, wirt ersettiget und das ewig leben
haben. Das vertrauen ist, das wir nit sollen zweifeln,
der sun Gottes Jesus Cristus sei aus dem gnedigen
willen seines und unsers himlischen Vaters für uns
arme sünder gestorben und habe uns dem himli-
schen Vater wider versönt. Das ist der recht christlich
glaub.Wer sich solichs nit zu Cristo versicht, nem-
Druckvorlage : Originalhandschrift des Stadt-
schreibers Matthias Hayden (Augsburg Stadt-
archiv). -Vgl. oben 8. 23!
1 Die hier gebrauchteEinleitungwar offensichtlich nicht
als eine auch andere Geistliche verpflichtende Vorlage
gedacht. Ihre Gestaltung stand vielmehr völlig im
Belieben des jeweiligen Geistlichen. Deshalb wurden

lich: das er unser hailand sei, der uns von allem übel
helfen will und kan (denn er ist warer Got und umb
unsertwillen mensch worden), der were unglaubig
und esse im selbs das gericht. Darumb sollen wir
sehen, das man hie nit den leiblichen, sonder den
gaisthchen hunger und durst bießen3 soll. So be-
vilcht uns nun Cristus,wirsollen das nachtmal hal-
ten im zur gedechtnus, und Paulus sagt, wir sollen
den tod des Herren verkinden, bis er kompt.
Do müssen wir nun drei ding für uns nemen, zum
ersten: ursach sehen, warumb Cristus gestorben sei;
zum andern: die liebe Gottes und gnad im tod seines
aingepornen Suns zu herzen nemen; zum dritten:
besehen, wie uns Cristus mit sein tod nit allain er-
lost hat, sonder auch ain exempel hat gelassen, dar-
bei wir lernen, was treue und liebe ain jeglicher
crist seinem nebenmenschen schuldig sei. Können
wir uns nun selbs recht in disen dreien stucken er-
innern und finden uns darzu berait oder zum weni-
gisten begirig, das wir im glauben und liebe gern
wollten wandeln, so besteet die prob davon sant
Paulus sagt [1. Kor. 11, 28].
Zum ersten merkt, das Cristus ist gestorben umb
unser sund willen. Es muß freilich nit ain klaine ur-
sach sein, das Gottes Sun von himel selbs soll komen
in dise welt und sich in den verschmechten tod des
creuz gibt. Dabei merken wir die große und schwere
unserer sünd, die nit mocht gebueßt rverden, es
neme si dann ain soliche unendliche person auf sich,
Jesa. am 53. [4f.].Wie grausam ist das urtail Gottes
uber die sund und sunder! Wie mordlich ist der schad
unsere sund, das der aingeporn allerliebst Sun Gottes
soll ain vermaledeiung werden und sterben, auf
das wir von dem ewigen fluch und tod erlöst wurden.
auch einige andere solche Vermahnungen, meist von
Urban Rhegius, aufbewahrt.. (Joh. Fille, Zur Refor-
mationsgeschichte Augsburgs, in: Jahresbericht des
Historischen Vereins Dillingen 8 [1895] 39). Sie sind
aber jetzt. verloren.
2 = bis (Schmeller 1, 1139. - Grimm 2 II 1547).
3 = bessern, ausfüllen (Schmeller 1, 296f.).

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