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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0121
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Forma. / Wie vom hailigen tauf . . . . zu reden. 1555

Erstlich: Dieweil wir sehen, das schwachhait,
krankhait, allerlai jamer und elend den menschen
anhangen, darauf auch entlich der tod volget, sollen
wir wol beherzigen, was derselben ursach sein müg.
Dieselb aber leeret uns allain Gottes wort und nit
die vernunft oder menschliche weishait, welche den
tod natürlich haltet, nemlich, da der apostel Paulus
zun Römern am fünften sagt (R: Roman. 5 [12]),
der tod sei durch die sünd in die welt kommen, und
Rom. 6 (R: Roman 6, [23]), der tod sei der sünden
sold. Also hören wir, das die sünd, darinnen wir alle-
sampt empfangen und geboren werden und alle täg-
liche sünd daher fließen, allerlai krankhait, des tods
und alles übels ain ursach sei, damit wir solches
täglich verdienen und, dieweil wir auch sehen, das
solches jamers und des tods niemand erlassen, son-
der jetz an dem morgen an ainem andern ist, wie
auch Sirach schreibt (R: Sirach 38 [21 ff.]): Gedenk,
du must auch sterben! Gestern was an mir; heut
ists an dir. So ist gewiß und augenscheinlich, das
wir allesampt mitainander sünder seind, wie auch
Paulus sagt (R: Roman. 5 [12]), der tod sei zu allen
menschen durchgetrungen, dieweil si alle sünder
seind, und Rom. 3 [23]: Si seind allzumal sünder
und manglen des rums, den si an Got haben solten,
und Psal. 14 [3]; 53 [4] sagt dis schrift: Es ist kainer,
der guts tu, auch nit ainer, und Psal. 116 [11]: Alle
menschen seind lugner etc. Zu dem, dieweil krank-
hait und tod ain große qual und leiden seind, wie
wir an den kranken sehen und selbs auch erfaren
werden, so bedenk ain jeder des fleißiger wie schröck-
lich Gottes zorn über und wider die sünd sei. Und so
wenig wir uns des tods selbs abhelfen oder der
krankhaiten erwören künden, vil weniger hetten wir
Gottes schröcklichen zoren ertragen künden, der
ewig über uns ergeen het sollen und noch über die
sünder, die nicht buoß tuon, ergeen wird und, wie
schrockenlich und scheutzlich krankhaiten und tod
seind vor unsern augen, so vil mehr schröckenlicher
und unflätiger seind unsere sünd vor Gott, ob si
schon vor uns geringes ansehens seind; dann nie-
mand ist, der seine sünd zur zeit achte, wie si vor
Got seind, bis si im offenbart werden und ers im
creuz fület. Item so ist alle schwachhait, auch der
leiblich tod selbs, so schröcklich er ist, nun ain figur
und ebenbild, darin wir ain wenig sehen mügen den

ewigen tod, welches ewige qual und leiden kain zung
aussprechen noch begreifen mag, wie solches die
historia vom reichen man wol anzaiget (R: Luce 16
[19-31]) und Christus mit wenigen worten deutet, so
oft er von solchem ewigen tod reden tut. Es wird sein
zanklaffen und heulen etc. [Matth. 8, 12],
Solche stücklen sollen wir erstlich fleißig und wol
bedenken, so oft und vil wir bei den kranken oder
sterbenden menschen seind, derhalben uns von her-
zen demütigen under die gewaltige hand Gottes,
wie uns Sanct Peter vermanet (R: 1. Pet. 5 [6]) und
uns für arme sünder erkennen, dieselben uns lassen
von herzen laid sein, davon ablassen und fromm
werden, damit uns barmherzigkait widerfare und
nicht so sicher noch frävel sein, wie die böse welt,
welche sich kainer sünden scheuet und lebet nit an-
ders, als were kain zoren Gottes, tod noch ver-
dammnus, darumb si auch in solchem jamer ewig
bleibet. Das ist das erst.
Zum andern sollen wir auch herzlich bedenken,
was uns für gnaden widerfaren seind durch Christum,
damit wir unsern glauben sterken und uns bei zeit
schicken, auf das, wenn das stündlin kompt und wir
auch in schwachheit fallen und endlich sterben sol-
len, wir der sünden halben nit verzagen, sonder
durch den glauben wider die sünd, den tod, Teufel
und alle seine anfechtung den sig durch Christum
behalten und hindurch in das ewig leben tringen mü-
gen; dann erstlich ist das, das wir uns von herzen
trösten und vestiglich glauben sollen, das: dieweil
es der ganzen welt unmüglich war, das si solte
und möchte mit irem tun Gott gefallen, sondern
hette müssen ewig verloren sein umb der sünd wil-
len, wie gehört, das Gott der Vater in ewigkait aus
unaussprechlicher liebe nach seinem haimhchen rat
seinen lieben Sun Jesum Christum gesant hab, das
er uns ain ewige erlösung von aller feindschaft und
zorn Gottes und allen demjenigen, so wir mit der
sünd verdient hetten, erfunde, Hebr. 9 [12].
Solche erlösung aber ist also zugangen, das Jesus
Christus, Gottes Sun in ewigkait, nach dem willen
des Vaters empfangen vom Hailigen Gaist, warer
mensch von der rainen junkfrauen Maria in die welt
geboren und kommen ist und hat der ganzen welt
sünd auf sich geladen, darfür gestorben und mit
seinem bluot ausgelescht die handschrift, so wider

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