Zunächst kam freilich ein jäher Umschwung. Ende März 1552 erschienen Kurfürst Moritz von
Sachsen und Markgraf Albrecht Alcibiades in Dinkelsbühl. Schon am 3. April fand in der Spitalkirche
wieder evangelischer Gottesdienst statt. Am 13. Mai wurde auch die Georgskirche von den Evangelischen
in Besitz genommen6.
Nach dem Passauer Vertrag jedoch erzwang der Kaiser - wenn auch diesem zuwider - die erneute
Unterdrückung der Evangelischen. Sie durften nur die Spitalkirche behalten. Aber am 6. Januar 1556
wurde auch der letzte evangelische Geistliche entlassen. Das konnte geschehen kaum ein Vierteljahr,
nachdem am 25. September 1555 der Religionsfriede zu Augsburg ausdrücklich festgelegt hatte, daß in
Reichsstädten, in denen zu seiner Zeit beide Religionen in Übung seien, das weiterhin so bleiben solle,
und durch einen Rat, der nur eine sehr geringe Minderheit vertrat. 1559 wurde die Spitalkirche den
Evangelischen überhaupt genommen.
Wer einen evangelischen Gottesdienst besuchen wollte, mußte es auswärts tun. Über 1000 Personen
taten das jeden Feiertag.
Die Wiedererstehung des evangelischen Kirchenwesens 1567.
Erst im Jahre 1566, als Maximilian II. Kaiser geworden war, brachte es Dinkelsbühls eifrigster
Freund, der neuburgische Kanzler Walter Drechsel1 - ein Bruder des 1565 verstorbenen katholischen
Bürgermeisters von Dinkelsbühl! - soweit, daß wenigstens eine Bittschrift an den Kaiser um Gewährung
der aus dem Religionsfrieden von 1555 fließenden Rechte gestattet wurde. Nach Prüfung der Rechtslage
kam im Dezember 1566 der Oberste des Fränkischen Kreises, GeorgLudwig von Seinsheim, um als kaiser-
licher Bevollmächtigter den Evangelischen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Er ließ die Spitalkirche für sie
öffnen. Pfalz-Neuburg stellte einstiveilen in Johann Knauer2 einen evangelischen Geistlichen. Er hielt
am 5. Januar 1567 wieder den ersten Gottesdienst. Da Knauer aus pfalzneuburgischem Dienst kam und
in Dinkelsbühl eigentlich alles neu geschaffen werden mußte, ist es verständlich, daß er die ihm vertraute
dortige neuburgische Kirchenordnung3 in Dinkelsbühl einführte. Doch zeigte sich sofort, daß nicht
alles vergessen war. Die täglichen ,,Kapitel“ wurden wieder eingeführt, und auch sonst wurden allerlei Er-
gänzungen zur neuburgischen Ordnung gemacht4.
Da der Religionsfriede nur den Bekennern der Augsburger Konfession galt, mußte man dem katho-
lischen Rat von vornherein jede Möglichkeit nehmen, das evangelische Kirchenwesen dadurch zu stören,
daß man ihm Abweichungen von diesem Bekenntnis vorwarf. Eine solche bedeutete aber der Kalvinis-
mus, der seit 1559 von der Rheinpfalz aus in der bayerischen Oberpfalz mit Gewalt eingeführt wurde und
in Pfalz-Neuburg und die Grafschaft Öttingen heimlich eindrang und gegen den der Kaiser5gerade da-
mals streng einschreiten wollte. Um hier jedem Einspruch zuvorzukommen, wurden in Dinkelsbühl nach
6 Bürckstümmer 1, 142f.
1 Er wurde 1579 in die 1566 erfolgte Aufnahme seines Bruders Melchior (beim Reichskammergericht) in den Adels-
stand einbezogen. Nachkommen wurden 1817 in den bayrischen Grafenstand erhoben. (E. H. Knetschke, Neues
allgemeines Deutsches Adelslexikon. Leipzig 1929 [Neudruck] 2, 572f. - J. Gr einer, Beiträge zur Geschichte
der Familie von Drechsel-Deufstetten, in: Alt-Dinkelsbühl 21 [1934] 9-43 [bes. 19ff. 33]. — Hans Joach. König,
Neues zur Geschichte der Familie Drechsel, in: Alt-Dinkelsbühl 42 [1962] 14).
Eine von ihm in mächtigen 6 Foliobänden zusammengestellte Dokumentensammlung zur Dinkelsbühler Reforma-
tionsgeschichte (beim Stadtarchiv Dinkelsbühl) ist eine der wichtigsten Quellen für diesen Zeitraum (Bürck-
stümmer 1, 155).
2 Geb. um 1528. - 1552 Pfarrer in Seiboldsdorf, dann in Zell bei Neuburg a. D,, 1561 Neuburg a. D. Unser
Frauen Pfarrer, 1566 Dinkelsbühl Pfarrer - † 1577 (Wolfgang Ammon, Leichpredigt über dem Begrebnis des...
J. Knaurn. 1578.) —- Über ein ihm 1575 verliehenes Wappen: Neuburger Kollektaneenblatt 93 (1928) 35.
3 Kirchenordnung, wie es mit der christlichen leer, raichunge der sacramente... in unser Wolfgangs, .. .fürstenthumb
gehalten werden soll, 1557 (Richter 2, 194—197) in ihrer Ausgabe von 1560.
4 Siehe unsere Nr. II 9 S. 146ff. 5 Vgl. S. 13.
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Sachsen und Markgraf Albrecht Alcibiades in Dinkelsbühl. Schon am 3. April fand in der Spitalkirche
wieder evangelischer Gottesdienst statt. Am 13. Mai wurde auch die Georgskirche von den Evangelischen
in Besitz genommen6.
Nach dem Passauer Vertrag jedoch erzwang der Kaiser - wenn auch diesem zuwider - die erneute
Unterdrückung der Evangelischen. Sie durften nur die Spitalkirche behalten. Aber am 6. Januar 1556
wurde auch der letzte evangelische Geistliche entlassen. Das konnte geschehen kaum ein Vierteljahr,
nachdem am 25. September 1555 der Religionsfriede zu Augsburg ausdrücklich festgelegt hatte, daß in
Reichsstädten, in denen zu seiner Zeit beide Religionen in Übung seien, das weiterhin so bleiben solle,
und durch einen Rat, der nur eine sehr geringe Minderheit vertrat. 1559 wurde die Spitalkirche den
Evangelischen überhaupt genommen.
Wer einen evangelischen Gottesdienst besuchen wollte, mußte es auswärts tun. Über 1000 Personen
taten das jeden Feiertag.
Die Wiedererstehung des evangelischen Kirchenwesens 1567.
Erst im Jahre 1566, als Maximilian II. Kaiser geworden war, brachte es Dinkelsbühls eifrigster
Freund, der neuburgische Kanzler Walter Drechsel1 - ein Bruder des 1565 verstorbenen katholischen
Bürgermeisters von Dinkelsbühl! - soweit, daß wenigstens eine Bittschrift an den Kaiser um Gewährung
der aus dem Religionsfrieden von 1555 fließenden Rechte gestattet wurde. Nach Prüfung der Rechtslage
kam im Dezember 1566 der Oberste des Fränkischen Kreises, GeorgLudwig von Seinsheim, um als kaiser-
licher Bevollmächtigter den Evangelischen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Er ließ die Spitalkirche für sie
öffnen. Pfalz-Neuburg stellte einstiveilen in Johann Knauer2 einen evangelischen Geistlichen. Er hielt
am 5. Januar 1567 wieder den ersten Gottesdienst. Da Knauer aus pfalzneuburgischem Dienst kam und
in Dinkelsbühl eigentlich alles neu geschaffen werden mußte, ist es verständlich, daß er die ihm vertraute
dortige neuburgische Kirchenordnung3 in Dinkelsbühl einführte. Doch zeigte sich sofort, daß nicht
alles vergessen war. Die täglichen ,,Kapitel“ wurden wieder eingeführt, und auch sonst wurden allerlei Er-
gänzungen zur neuburgischen Ordnung gemacht4.
Da der Religionsfriede nur den Bekennern der Augsburger Konfession galt, mußte man dem katho-
lischen Rat von vornherein jede Möglichkeit nehmen, das evangelische Kirchenwesen dadurch zu stören,
daß man ihm Abweichungen von diesem Bekenntnis vorwarf. Eine solche bedeutete aber der Kalvinis-
mus, der seit 1559 von der Rheinpfalz aus in der bayerischen Oberpfalz mit Gewalt eingeführt wurde und
in Pfalz-Neuburg und die Grafschaft Öttingen heimlich eindrang und gegen den der Kaiser5gerade da-
mals streng einschreiten wollte. Um hier jedem Einspruch zuvorzukommen, wurden in Dinkelsbühl nach
6 Bürckstümmer 1, 142f.
1 Er wurde 1579 in die 1566 erfolgte Aufnahme seines Bruders Melchior (beim Reichskammergericht) in den Adels-
stand einbezogen. Nachkommen wurden 1817 in den bayrischen Grafenstand erhoben. (E. H. Knetschke, Neues
allgemeines Deutsches Adelslexikon. Leipzig 1929 [Neudruck] 2, 572f. - J. Gr einer, Beiträge zur Geschichte
der Familie von Drechsel-Deufstetten, in: Alt-Dinkelsbühl 21 [1934] 9-43 [bes. 19ff. 33]. — Hans Joach. König,
Neues zur Geschichte der Familie Drechsel, in: Alt-Dinkelsbühl 42 [1962] 14).
Eine von ihm in mächtigen 6 Foliobänden zusammengestellte Dokumentensammlung zur Dinkelsbühler Reforma-
tionsgeschichte (beim Stadtarchiv Dinkelsbühl) ist eine der wichtigsten Quellen für diesen Zeitraum (Bürck-
stümmer 1, 155).
2 Geb. um 1528. - 1552 Pfarrer in Seiboldsdorf, dann in Zell bei Neuburg a. D,, 1561 Neuburg a. D. Unser
Frauen Pfarrer, 1566 Dinkelsbühl Pfarrer - † 1577 (Wolfgang Ammon, Leichpredigt über dem Begrebnis des...
J. Knaurn. 1578.) —- Über ein ihm 1575 verliehenes Wappen: Neuburger Kollektaneenblatt 93 (1928) 35.
3 Kirchenordnung, wie es mit der christlichen leer, raichunge der sacramente... in unser Wolfgangs, .. .fürstenthumb
gehalten werden soll, 1557 (Richter 2, 194—197) in ihrer Ausgabe von 1560.
4 Siehe unsere Nr. II 9 S. 146ff. 5 Vgl. S. 13.
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