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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0193
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Primus Trubers Kirchenordnung 1553

und absolvirt; aber dises volk alhie, wie ich bericht
und selbs zum tail merke, kan so bald ohne zertren-
nung nicht dahin gebracht werden,
darumb so sollen die communicanten von stund
an nach der vesper fur den altar oder in chor alle
treten; neben und bei inen sein müessen die kirchen-
diener, schulmaister, zechmaister und andere got-
selige, fromme männer, welchen der communicanten
glauben, leben, wandel und beruf zum tail ist be-
kant20,
dieselben, die communicanten nacheinander
fleißig übersehen und abzelen21 und, wo darunder
junge, ungeschickte personen weren, an denen man
zweifelt, ob sie den catechismum wissen oder ver-
stuenden, und ob etwan ainer oder mer da weren,
die mit groben sünden, als gotteslesterung, zaube-
rei, langwiriger feindschaft oder neid gegen ihren
nechsten, hurerei, ehebruch, wucher, fillerei und der-
gleichen mit öffentlichen lastern beschuldiget und
überwiesen. Dise sambt der jugent sollen insonder-
heit von ainem kirchendiener befragt, unterwisen
und vermant werden zu rechtschaffner bueß und
nach gelegenheit der sachen zugelassen oder aus-
geschlossen werden bis auf ain zeit.
Es sollen auch die eltern, alle hausherren und
hausfrauen von uns predigern treulich zu ofter-
malen werden vermant, daß si auf ire kinder und
hausgesind guet achtunng haben und vergewiß
sein, daß si den catecismum, das ist die fur-
nembste articul unsers waren christlichen glau-
bens, wissen und recht versteen, daß si irem be-
ruf treulich und fleißig auswarten; wa aber die
ältern sehen oder merken, das ir jung hausvolk im
glauben nit wol underricht oder sonst unchristlich
gegen Got und den menschen sich halten, als dann
uns kirchendienern zueschicken (ain tag oder zwen
zuvor, dann si zum sacrament geen). Dieselbigen sol-

20 Dieser Gedanke in Anschluß an Luthers Vorschlag
in der Formula missae 1523 (WA 12, 216), wie er
auch in Wertheim lebendig war (Sehling 11, 713).
21 Nämlich zur genauen Bemessung der benötigten
Hostien - ein sonst damals in diesem Raum fremder
Gedanke, wie er auch in der Württembergischen
Kirchenordnung von 1553 im Unterschied zu der
von 1536 (Richter 1, 268) fehlt.

len von uns, wie sichs gebirt, nach noturft under-
wisen werden; wa aber in dem die eltern nachlässig
sein, davon geben si rechenschaft am jüngsten ge-
richt.
Und wenn nun die communicanten übersehen,
abgezelt und, die es bedürfen, insonderhait under-
richt, sollen si abermals in der gemain treulich ver-
manet werden zum ernstlichen fürsatz, ir leben hin-
für zu bessern, zur offentlicher bekantnus des waren
glaubens, zu christlicher liebe und gedult
und die offen beucht vorgesprochen und absol-
viert werden22.
Zu morgen am suntag nach der predig soll das
nachtmal gehalten werden nach der württembergi-
schen23 ordnung auf ainem altar und, daß männer
am ersten, darnach die frauen nacheinander werden
gespeist.
Item man mag dem mösmer mit dem gloggen-
leuten auch ain ordnung geben, sonderlich, wann ain
leuch vorhanden, und am sontag nach der litanei,
daß er leute mit ainer klainen gloggen auf das jeder-
mann in der stat kan wissen, wann man anfahe zu
predigen24, und das auch die, weliche mit geschäften
beladen oder nicht fruer aufsteen oder sonst nit gern
lang in der kuerchen und beim gottesdienst sein,
dannocht zur rechter zeit zur predig kommen mögen.
Ende der kirchenordnung
Ain soliche und dergleichen kuerchenordnung
(doch daß alles auf e[ur] e[rbarn] w[eisheit] und ander
gottseligen, verstendigen christen weiter bedenken
soll gestelt sein bis auf ain vergleichung der evange-
lischen theologen, fürsten und stätt, wie obgemelt)
mag allhie über etlich wochen angericht werden, dar-
wider meins achtens kain verständiger, guetherziger
christ mit grund der warheit nit röden kan.

22 Diese Stücke nach Württemberg 1553 (Richter 2,
136. - Hauß-Zier 51—54).
23 Richter 2, 137f. - Hauß-Zier 54-61.
24 Ein solches Glockenzeichen zwischen zwei Teilen
des Gottesdienstes kennt auch die Württembergische
Kirchenordnung von 1536 (Richter 266).

12 Sehling, Bd. XII, Bayern II: Schwaben

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