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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0217
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Almusenordnung in der statt Lindaw. 1533

allso auch am selbigen ort befunden wirt, das Gottes
bevelch zuwider und den cristen nit wol anstendig
ist, das der armen halb nit pesser acht gehapt dan,
das gedult und zugesehen wirt, das selbige armen
das hailig almusen alle tag von haus zu haus selbst
samblen muessen6, darbei der recht notdurftig arm
dannocht wol hunger und mangl, aber etwan die
leichtfertigen, starken pettler uberfluß haben mu-
gen, indem ain jeder comun, kirch oder gemaint
pillich ordnung machen und cristenlichs einsechen
tun soll, als dann gefunden wird, solchs zu der apo-
stel7 und nachvolgenden zeiten bei den fromben
alten cristen alweg geschechen und gehalten wor-
den sein,
darumb so ist angesechen und geordnet, das
nun hinfuro weder burger noch frembd, jung noch
alt, gar niemands hie in diser statt offentlich petlen
noch das almusen vor noch in den heusern samblen,
sonder soliches hiemit genzlich abgestelt und ver-
poten sein [soll]. An des statt ist aber ain cristenlich
almusen, darin alle armen diser statt, auch aller de-
ren flecken, die in diser statt pfarkirchen her gen
Lynndaw pfärrig sind8, begriffen und des tailhaftig
sein sollen, angesechen und furgenommen, wie her-
nach volgt, nemlich:
So sind vier bettelmaister verordnet und gesetzt,
nemblich Connrate Lanngensee, Hans Töller, Mei-
ster Endrißen9 und Gangolfen Hunlin, dieselbigen
mitsampt herr Thomann10, predicanten, oder, so
der nit darbei sein kunt, ain anderer prediger11 an
seiner statt allen sachen dies almusens halb getreu-
lich und vleißig auswarten und ob sein, wie si des
gegen Gott dem Hern verantwurten und darumb
von ime der belonung gewärtig sein wöllen, und
sollen iren drei oder die zwen, so die andern nit all-
weg darbei sein möchten, in sachen furfaren.
Und soll das almusen gesambelt werden, nemb-
6 Gedacht ist wohl an Jak. 2, 16.
7 Ap.-Gesch. 2, 41; 4, 32; 6, 1 ff.
8 Nämlich die in die Pfarreien Aeschach und Reutin
eingepfarrten Orte.
9 Magister Andreas Hünlin: Sproß einer alten Lin-
dauer Patrizierfamilie, Benefiziat in Lindau, seit der
Reformation Kirchengutspfleger (Wolfart 1 I 299).-
Die übrigen hier genannten Männer scheinen nicht
besonders hervorgetreten zu sein.
10 Thomas Gaßner (vgl. Einleitung S. 181).
11 Außer Gaßner waren damals Johann Mock aus

lich alle sonntag und feirtag durch ir vier, die mit
säcklin allweg, so die predig halb fur ist, in der
kirchen herumbgan sollen, und, wem die pettelmai-
ster all sonntag und feirtag die säcklin geben und
bevelchen, damit zu samlen, der soll das jedesmals
tun on widerred. Es sollen auch dieselbigen samler
nach der predig vor jeglicher kirchtur ainer ston und
daselbst auch das almusen in die säcklen samblen al-
weg, bis das volk gar aus der kirchen kombt. Dar-
nach soll jeglicher das gesambelt gelt und säcklin
dem almusenmaister, der ihm die sach bevolchen
hat, von stund an uberantwurten.
Darzu sollen die kästen und stöck alle auch in dis
almusen gehen und die pettelmaister dieselben, so
oft si not und gut bedunkt, aufschließen und, was da-
rin gefunden wirt, auch under die armen austailen,
Solich gesambelt almusen soll dann durch die
pettelmaister auf ainen bestimpten tag in der wu-
chen, nemblich alwegen am dornstag12 zu dreu
uren, nachdem man vesper verleut hat, ausgeteilt
[werden]. Das soll aber also gehalten werden. Das
alsdann alle arme leut, mann und weib, jung und
alt, was leibskrankhait oder sonst redlicher verhin-
derung halb nit doran verhindert wird, in Sant
Steffans pfarkirchen kommen, da inen ain predig
und vermanung aus dem wort Gottes auf ain halbe
stund lang ungevarlich beschechen13, dornach das
almusen erst ausgetailt werden soll jeglichem nach
gestalt der sachen und, nachdem man auch damit
auskommen mag, und damit jetzt an dornstag14 an-
gefangen werden.
Insonderhait sollen aber die allenmusenmaister
ain fleißig aufsechen haben, das si das almusen sonst
niemands geben dann denen, die sich, wie obstat15,
angezaigt haben und am zettel begriffen sind, auch
jung und alt leuchtfertig, die stark sind zu arbeiten,
weisen und inen nichts geben.
Bregenz (1525-1534. - Wolfart 1 I 259. 298), Jo-
hannes Hyrenbach aus Lindau (1525-1536. - Wol-
fart 1 I 297f.) und Jeremias Lins aus Feldkirch
(1527-1558. - aaO. 298) Prediger.
12 = Donnerstag ( Grimm 2, 1300).
13 Eine solche Verpflichtung zum Kirchenbesuch war
von den Seelspenden, die für die Besucher der Jahr-
tagsgottesdienste gemacht waren, her der Bevölke-
rung wohl vertraut.
14 = 11. Sept. 1533.
15 Merkwürdigerweise fehlt diese Bestimmung aber.

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