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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0229
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Agenda, Das ist Ordnunge in der Pfarrkirchen zu Lindaw

Gebet nach einer leichtpredigt24.
Allmechtiger, barmherziger Gott und Vater, gib
uns gnad und verstand, das wir an disem fürbild des
verstorbenen und hinbelaiteten bruoders erinnert
werden, unser menschlichs elend zu betrachten, war-
zuo wir in dise welt geboren, wie hinfellig und zer-
genglich unser leben und was unser aller ende sein
werde, das wir also warhaftig gedemütigt, allen
hochmuot, hoffart, aigen wolgefallen und falsches
vertrauen auf uns selbs von herzen absterben und
uns in ein ernsthafte buoß und besserung unsers le-
bens begeben, in vestem glauben und brüderlicher
liebe wachen, auf daß, so du uns, geliebter Vater, aus
disem sterblichen leben auch abfordern wirst, wir,
als deine treue diener und dienerin erfunden, mit di-
sem abgestorbnen bruoder in der auferstehung der
gerechten, bei dir ewigs leben zu haben, aufgenom-
men werden, durch Jesum Christum unsern Herren.
Amen.
Vater unser der du bist etc.u
Einsegnung der ehleut für dem altar
in der kirchen25.
vDieweil ir zu dem hailigen stand der ehe greifen
woltv, damit ir das nicht ohne verstand des worts
Gottes tuot wie die ungläubigen,
so höret zum ersten das wort Gotes, wie der eeliche
stand von Gott ist eingesetzt worden! Im ersten
buch Mose am andern capitel [18. 20-24] stehet also
geschriben:
Gott der Herr sprach: Es ist nicht guot, das der
mensch allein sei. Ich wil ihm ein gehülfen machen,
die sich zuo im halte. Da ließ Gott der Herr ein
tiefen schlaf fallen auf den menschen und er ent-
schhef und nam seiner rippen aine und schloß die
stette zu mit flaisch. Und Gott der Herr bauet ein
weib aus der rippen, die er von dem menschen nam,
und bracht sie zuo ihm. Da sprach der mensch: Das
ist doch bain von meinen bainen und fleisch von
meinem fleisch. Man wird sie mennin haißen, dar-
v-v 1555: Dieweil ir willen, zu dem hailigen stand der
ehe zu greifen,
24 Solche wurden sehr bald auch - bereits 1582 - ge-
legentlich gedruckt (Wolfart 2, 328). - Zu den
Leichenpredigten vgl. oben Nr. 148 Anm. 24!.

umb das sie vom mann genommen ist. Darumb wirt
ein mann seinen vater und muoter lassen und an
seinem weib hangen,und sie werden sein ein flaisich.
Zum andern so höret auch das hailig evangelon,
wie ir als christliche eheleut ainander verpflicht und
verbunden sein solt. Matth. am 19. cap. [3-6] lesen
wir also:
Zu der zeit traten die phariseer zu Jesu, versuch-
ten ihn und sprachen zuo im: Ist es auch recht, das
sich ein mann schaide von seinem weib umb irgend
aine ursach ? Er antwort aber und sprach zu ihnen:
Habt ir nicht gelesen, das der im anfang den men-
schen gemacht hat, der machet, das ein mann und
ein weib sein solte und sprach: Darumb wirt ein
mann vater und muoter lassen und an seinem weib
hangen, und werden die zwai ein fleisch sein. So
sind sie nun nicht zwei, sonder ein flaisch. Was nun
Gott zusamenfügt, das soll der mensch nicht schai-
den.
Zum dritten so höret auch das gebot Gottes, wie
ir euch gegen ainander solt halten! Dann also spricht
der hailig Paulus zun Ephesern am fünften capitel
[25-29. 22 ff.]:
Ir männer, liebet eure weiber, gleich wie Christus
gehebet hat die gemaine und hat sich selber für sie
gegeben, auf das er sie hailiget, und hat sie gerainiget
durchs wasserbad im wort, auf das er sie ihm selbst
zurichtet aine gmaine, die herrlich sei, die nicht hab
einen flecken oder runzel oder des etwas, sonder das
sie hailig sei und unsträflich. Also sollen auch die
männer ihre weiber lieben als ire aigne leib. Wer sein
weib liebet, der liebet sich selbs; dann niemand hat
jemals sein aigen flaisch gehasset, sonder er nehret
es und pflegt sein gleich wie auch der Herr die ge-
maine.
Die weiber seien undertan iren männern als dem
Herren; dann der mann ist des weibs haupt, gleich
wie auch Christus das haupt ist der gemaine, und er
ist seines leibs hailand. Aber wie nun die gemaine
Christo ist untertan, also auch die weiber iren men-
nern in allen dingen.

25 Bis auf die Umstellung von Psalm 128 und die Trau-
formel fast genau wie Brandenburg-Nürnberg 1533
(Sehling 11, 201f.).

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