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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0243
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verkennen, daß man dabei als Nebenabsicht verfolgte, gerade den Geistlichen ihre Konkubinen zu ver-
treiben und sie so zur Eheschließung und damit auch sonst zu einer evangelischen Haltung zu veran-
lassen6.
Zu weiteren evangelischen Gottesdienstübungen außer den Predigten - vor allem zu Abendmahls-
feiern - kam es aber noch nicht. Doch wurde am 18. Mai die Messe im Spital eingestellt. Die Kon-
kubinen der katholischen Geistlichen zu beseitigen, gelang dem Rat trotz seines Erlasses vom 4. September
1528 nicht.
Im Laufe dieses Jahres 1528 entspann sich dann eine immer heftigere Auseinandersetzung zwi-
schen dem lutherisch gesinnten Schweizer Gugy und den zwinglisch gerichteten Predigern Schenck und
Wanner, der seit kurzem dauernd hier wirkte. Am 14. September untersagte der Rat dem Gugy bis auf
weiteres die Predigt. Zugleich wandte er sich zur Beilegung dieser Wirren an den Reformator von Kon-
stanz, Ambrosius Blarer7, der von nun an eine ausgedehnte Tätigkeit in ganz Schwaben entfaltete. Am
9. November traf er in Memmingen ein, um dann einige Monate dort zu wirken8. Trotz der Bemühun-
gen eines vollen Vierteljahres gelang es aber doch nicht, zu einem Ausgleich zu kommen. Gugy wurde
deshalb am 26. Februar entlassen.
Dafür aber gab Blarers Anwesenheit die Gelegenheit zum Abschluß der Reformation. Am 9. De-
zernber 1528 traten nach wiederholten Besprechungen die Elfer der Zünfte zusammen.Von 132 erschienen
104. Von diesen wieder beschlossen 92 die sofortige Abstellung der Messe; 7 - die Vertreter der Ge-
schlechter - enthielten sich der Stimme; 5 stimmten dagegen. Auch die ganzen Kirchenornate wurden
sofort beseitigt. Dem Pfarrer der Frauenpfarrei wurde überdies auch das Predigen verboten. Der Bi-
schof beschwerte sich sehr entschieden darüber; darauf stellte der Rat aber nur auch noch die Messe im
Franziskanerinnenkloster ab. Die Nonnen hielten sich hier aber trotzdem treu zu ihrer alten Kirche.
Die Stadt kam durch ihren Beschluß in das Geschrei, als habe sie mit der Messe auch das Heilige
Abendmahl abgeschafft. Das war zwar gewiß nicht ihre Absicht. Tatsächlich aber wurde - zunächst wenig-
stens, auch an Weihnachten - keine Abendmahlsfeier mehr gehalten, offensichtlich aber nur, weil man
sich noch nicht über deren Form schlüssig war.
Ungeahnte Schwierigkeiten waren die Folge. Am 15. Februar 1529 wurde der Vertreter Memmin-
gens wegen der Abschaffung der Messe aus der Versammlung des Schwäbischen Bundes ausgeschlossen.
Auch Luther hielt es für angebracht, der Stadt eine ernste Vermahnung zu schicken9. Eck sandte eine
Schrift über die Messe. Blarer widerlegte sie in öffentlicher Versammlung. Eck wurde eingeladen, seine
Meinung in Memmingen ebenfalls persönlich zu vertreten, er verzichtete aber darauf. Daher schrieb
Blarer auch noch eine für den Druck bestimmte Verantwortung. Die Abstellung der Messe in den
Landgemeinden unterblieb in Zusammenhang mit diesem Sturm. Doch wurde am 26. August 1528 die
Orgel aus der Martinskirche entfernt10.
Inzwischen hatte Memmingen freilich schon Klarheit über sein Wollen geschaffen. Ambrosius
Blarer hatte eine neue Abendmahlsordnung und Gottesdienstform erstellt11. Nach ihr wurde am Oster-
sonntag (27. März 1529) erstmals eine öffentliche Abendmahlsfeier, an der etwa 200 Personen teil-
nahmen, gehalten.
Während nun bisher sonst im deutschen Gebiet überall der mittelalterliche Meßgottesdienst nur von
seinen unevangelischen Bestandteilen gereinigt, im übrigen aber ziemlich unverändert beibehalten wurde,
schaffte hier also Memmingen nach Zwinglis Vorgang den sonntäglichen Meßgottesdienst überhaupt ab.
An seine Stelle trat ein Predigtgottesdienst, wie ihn das Mittelalter nur als Nebengottesdienst gekannt
6 Dobel 2, 51. 7 Vgl. Einführung 6. 8 Pressel 173-176. - Schieß 1 XVI-XX u.ö.
9 WA Br 5, 73f. 10 Dobel 2, 60f. - Westermann 84ff.
11 Unsere Nr. VII 2. — Dobel 3, 18f. — F. Braun, Confessio Tetrapolitana 19ff. — Waldenmaier 34ff. — Köhler
2, 158ff.

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