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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0257
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Ordnung und Brauch deß Herrennachtmals

Ich habe es von dem Herrn empfangen, das ich
euch geben hab. Dann der Herr Jesus in der nacht,
da er verraten ward, nam er das brot, dankt und
brachs und sprach: Nemet, esset! Das ist mein leib,
der für euch gebrochen wird. Solches tuet zuo mei-
nem gedechtnus! Desselbengleichen auch den kelch
nach dem nachtmal und sprach: Dieser kelch ist ain
neu testament in meinem bluot. Solchs tuet, so oft
ir trinkt, zuo meinem gedechtnus!
Dann, so oft ir von disem brot esset und von disem
kelch trinket, sollt ir des Herrn tod verkündigen,
bis daß er kompt. Welcher nun unwirdig von diesem
brot isset oder von dem kelch des Herren trinket,
der ist schuldig an dem leib und bluot des Herren.
Der mensch brüfe aber sich selbs und also esse er
von dem brot und trinke von dem kelch; dann wel-
cher unwirdig isset und trinket, der isset und trin-
ket im selber das gericht, damit daß er nit under-
schaidet den leib des Herren6.
Darumb seind auch also vil kranken und ungesun-
den unter euch, und ein guot tail schlafen. Dann so
wir uns selber richteten, so wurden wir nit gerich-
tet; wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir
von dem Herren gezüchtiget, auf das wir nicht sampt
der welt verdampt werden. Darumb, mein lieben
bruoder, wenn ir zusamenkumpt zuo essen, so harr
ainer des andern. Hungert aber jemand, der esse
dahaimen, auf das ir nit zum gericht zusam-
menkommet. Das ander will ich ordnen, wenn ich
komme.
Darnach spricht der vorgenger mit ainem diacon
nachvolgends lob, ain vers umb den andern7.
Der vorgenger: Eer sei Got in den höhinen8.
Der diacon: Den menschen ain recht gemüt9.
Vorgenger: Wir loben dich, wir breisen dich.
Diacon: Wir beten dich an, wir vereeren dich.
6 Hier endet in Zürich die Lesung entsprechend dem
Abschluß der (erst mit Vers 23 beginnenden) Fron-
leichnamsepistel der mittelalterlichen Messe. -
Memmingen führt auch die Gründonnerstagsepistel
der mittelalterlichen Messe um die Verse 33 und 34
weiter.
7 Wie in Zürich (auch in der gleichen Übersetzung)
(Smend 197. - CR 91, 688f.).
8 Zürich hat hier noch als eigene Verszeile ,,und frid uf
erden“ (Smend 197. - CR 91, 689). Man möchte
meinen, daß sie hier nur versehentlich fehlt.
9 Hier wird zwar — wie in Zürich - die von Luther über-

Vorgenger. Wir sagen dank umb deiner großen
eeren und guottat willen, o Herr Gott, himlicher
künig, Vater almechtiger.
Diacon: O Herr, du aingeborner Sun Jesu Christe,
und Hailiger Gaist.
Vorgenger: O Herr Gott, du lamb Gottes, Sun des
Vaters, der du hinnimbst die sünd der welt, erbarm
dich unser!
Diacon: Der du hinnimbst die sünd der welt, nim
an unser gebet!
Vorgenger: Der du sitzest zuo der gerechten des
Vaters, erbarm dich unser!
Diacon: Wann du bist allain hailig.
Vorgenger: Du bist allain der Herr.
Diacon: Du bist aliain der höchst, o Jesu Christe,
mit dem Hailigen Gaist in der eer Gottes des Vaters.
Amen10.
Vorgenger: Damit wir das hailig evangelium, so
man jetz lesen wirt, fruchtbarlich hören, laßt uns
beten11!
Allmechtiger, ewiger Gott, Herr himlischer Vater,
deß wort ain kerz ist unsern füßen und ain licht un-
sern wegen, tuo auf, und erleucht unsere gemüt, das
wir dein wort rain, lauter und hailiglich verstanden
und nach dem, so wir das recht verstanden haben,
unser leben gestalten, auf das [wir] deiner majestat
nimmer mißfallen, durch Jesum Christum deinen
Sun, unsern lieben Herren, der mit dir in ainigkait
des Hailigen Gaists lebt und regiert, Gott in ewig-
kait. Amen.
Diaconus: Das jetzt gelesen wird, beschreibt der
hailig evangelist Johannes am 6. cap. [47-63]12:
Warlich, warlich ich sag euch, wer an mich glaubt,
der hat das ewig leben. Ich bin das brot des lebens.
Euere väter haben himelbrot geessen in der wüsten
und seind gestorben. Dis ist das brot, das von himel
setzte Lesart benützt, aber in dem durch die Vulgata-
Lesart üblich gewordenen Sinn übersetzt.
10 Zürich hat hier noch den Friedensgruß auf Diakon
und Volk verteilt (Smend 198. — CR 91, 689).
11 Zürich hat hier kein Gebet.
12 Zürich läßt hier das Volk antworten: ,,Got sei lob!“
Die folgende Lesung ist das Fronleichnamsevan-
gelium der mittelalterlichen Messe, wie in Zürich,
aber wieder in Luthers Übersetzung und wird - mit
Zürich gegen die mit Vers 59 schließende Meßlesung-
über Vers 59 hinaus weitergeführt.

16 Sehling, Bd. XII, Bayern II: Schwaben

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