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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0274
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Memmingen

gung seiner ehelichen geburt, in zucht, erbarkait,
ehrlichen, gottseligen studiis, zugebrachten lebens
nach gehaltnem examen oder verher10 und erkant-
nus seiner geschicklichkait zuo ainem pfarrherr und
vorsteher alheer verordnet, derowegen er als ain
presbyter, elterer und mitarbeiter im schnit Christi
in besteetige aus befelch ainer oberkait, ime befel-
chent dise herd, weliche Christus mit seinem rosen-
farben bluot erleset, derselbigen vorzusteen mit rai-
ner, hailsamer lehre, dareichung der heiligen sacra-
menten, christlichem, uneigerlichem fürbild des le-
bens, haimsuochung und trost in krankhait, in an-
fechtung und sterben, wie er das vor Gott am jüng-
sten tag, vor seiner oberkait, vor ainem convent
und vor allen frommen christen verantwurten will,
und solches alles mit auflegung der henden und ge-
bet, wie es in der agenda11 nachainander gesezt
solle werden.
Zum dritten soll der pfarrherr gegen ainer ge-
maind sich des obgemelten alles mit aignem mund
und worten erbieten mit anruefung göttlicher gna-
den.
Zum vierten soll der gesandt und verordnet von
ainen ersamen rat bede tail, den pfarrherren und ge-
maind, vermanen, das sie obangehertem Gottes ord-
nung, befelch und ieren erbieten nach gehorsamlich,
getreulich und geflissen geleben mit vermeldung,
wo an dem pfarrherr falsch, untreu, unfleiß oder
ainicherlai fel, mängel und clag oder bei den schäf-
lin verachtung seiner person, lehre oder ampts be-
funden und gespürt wurde, ain ersamer rat ernst-
lichs einsechen haben und gebürliche strafe für-
nemen welle und werde.
Es solle aber umb gemelter ursachen willen die
ordinatio auch gehalten werden mit den dienern der
kierchen in der statt dergestalt, das nach gehaltener
predig vor dem altar im die hand aufgeleget und ain
gebet gesprochen werde.
Vom catechismo oder kinderlehr.
In der alten kierchen, do die christliche kierech
aus den alten, beden juden und haiden, so zuo iren
verstand kommen, versamlet wurde und den haili-
10 = Verhör.
11 Diese Ordnung ist nicht erhalten.
12 Luthers Kleiner Katechismus (Bekenntnisschrif-

gen tauf begerten, ist gar großer fleiß und sorg fürge-
wendet worden, das, die da begerten, der cristlichen
kirchen glider zu werden, der hailsamen und allain
seligmachenden lehr ainen kurzen grundlichen be-
griff, bericht und verstand hetten, wurden dero-
wegen sonderliche versamlungen angestellt und
aigne lehrer verordnet, welche die anhebende cri-
sten mit der milch speisen und tränken sollten, wie
solichs auch der hailig apostel Paulus gedenket,
Gal. 6 [6], da er spricht: Der aber underrichtet wirt
durch lebendige stime mit dem wort, der teile mit
allerlai guots dem, der in underrichtet, und 1 Cor. 2
[richtig: 3, 2]: Milch hab ich euch geben etc. So will
cristliche ordnung und notwendigkait erhaischen,
daß nit weniger fleiß, müe und arbeit von lehrern,
schuolmaistern, vatern und muoter mit denen für-
genommen werde, weliche schon durch den hailigen
tauf in göttlichen bund und kindschaft kommen und
denselben, damit sie Gottes gnad und huld nit ver-
lieren, erkennen, bekennen und gemäß leben sollen.
Demnach soll anfenklich in unserer statt und
land kierchen einerlai catechismus in erzelung und
erklärung der haubtstucken gleichförmig gehalten
und gebraucht werden als namblich der, den D. M.
Luter zusamengezogen12 und dem meisten teil in
statt und land gemein und bekannt ist, zu vermei-
den unrichtigkait.
Zum andern soll fürohin nit allain am mitwoch,
sonder auch am sonntag zu mittag (zuo welicher zeit
die minder- und mitteljugent heufiger pflegt zuo-
samenzukommen) nach verlesung und kurzer suma
des sontäglichen evangelii die stuck des catechismi
ausgelegt, erkläret und in etlichen predigen ausgefie-
ret, absolviert, imer wider angefangen und repetiert
werden und zu end aines jeden artikels und predig,
die auslegung D. M. Luters angehenkt und den zu
höreren wol eingescherpft werden. Und allwegen
nach vollendter predig und gebet die sechs haubt-
stuck aus geschribnen oder getruckten büchlein13
in ainerlai form und worten ordenlich, verstendlich,
teüthch fürgelesen werden, damit alte und junge bei
im selbs die wort nachsprechen und in gedecht-
nus trucken mügen.
ten 501-527). Über die in Memmingen später ver-
wendete Zählung der Zehn Gebote vgl. oben S. 233.
13 Solche sind aus Memmingen nicht bekannt.

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