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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0282
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Memmingen

1. ob der pfarrherr zum kierchenampt taugenlich,
ob er desselbigen warte, zu gebürhcher zeit pre-
dige und sacramenten raiche,
2. ob er die kranken besuche, so er erfordert wiert,
3. ob er die jugent den catechismum lehre und
darinnen verhere,
4. was er für ain leben und wandel füere, wie er
sein hausgesind, weib und kind regiere.
5. ob er mit der kürchen und die kierch mit im wol
eins,
6. und soll man von ime erfordern und besechen
die register der geteuften kindern und der einge-
füerten eheleüten.
7. item, wie er seine predigen colligiere, disponiere
und zusamentrage,
8. letzlich, ob er die kirechenordnung in allen punc-
ten selber halte und bei seinen pfarkindern hand-
habe.
Wie er dem uf ainen oder andern fal befunden
wiert, also werdent sich die visitatores gegen ime
wissen zu halten und zu erzaigen.
Den pfarrherren und, so mans für guot ansechen
wirt, die amptleüt soll man fragen, wie die under-
tonen eins,
1. ob nit etwan freundschaften in ainander ge-
hetzent seind - die sollen sie verainigen und zum
frid vermanen -,
2. ob personen seiend in offenthchen sünden und
lastern behaft, welche eben erzelet und be-
nambset,
3. ob zauberei getriben werden und segenwerk,
4. ob etliche weren, welche die predig nit besuo-
chen, die sacramenta nit nießen, und aus was
ursach sie das tuen - us verachtung oder das sie
ainer sectischen lehre anhengig52 -,

52 Memmingen hatte es gerade damals mit Anhängern
des schlesischen Spiritualisten Kaspar Schwenckfeld
(† Ulm 1561) zu tun (Rob. Dollinger, Memminger
Sektenhewegungen im 16. und 17. Jahrhundert, in:
ZbKG 12 [1937] 139-147).

5. ob freventhche leut, welche die kirchendiener
trutzen, schmähen, bochen und betreuen - dise
alle sollen sie nach gelegenhait abmanen, strafen
und bedrauen -,
6. wie es ain gestalt habe mit der schuol,
7. ob kinder weren, die vater und muotter bochten
und schliegen,
8. ob etliche eheleut im unainigkait leben oder gar
vonainander gelofen - die sollen sie zusamen-
tädigen53-,
9. wie die armen - frembd und haimisch - versorgt,
10. von gebeien der kierchen und von des hailigen
guot,
11. ob an den amptleüten gefarliche saumseligkait,
als wenn sie nit ernstlich hielten ob den satzun-
gen, sonderlich zucht und erberkait betreffent.
So es die nodturft erhaischen wurde, sollen die
visitatores etliche jungen im catechismo und die
alten, so im verdacht weren, als hielten sie wenig
von Got und von der waren lere, fürstellen und ver-
heren.
Und damit, was in vorgeender visitation gehand-
let, nit vergessen und in der nachgeenden, wer sich
gebessert oder nit gebessert, befunden und ainen er-
samen rat von schweren, wichtigen sachen, welche
den visitatoribus bedenklich, berichtet, beschechen
möge, so soll von jeder visitation ein regüster der
fürnembsten fürgefallnen und abgehandleten sachen
geschriben und verwaret werden.
[Schlußbestimmung. ]
Dise kirchenordnung, solle zu mehrer erinnerung
und gedechtnus im jar einmal oder zwai auf zeit und
tag, von der oberkeit bestimet, dem volk fürgelesen
werden.

53 = Durch Verhandlungen zusammenbringen
(Schmeller 1, 585. - Grimm 11 I 1. 234f.).

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