Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0355
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung von 1579

[5]: Das wir tüchtig sind, ist von Gott. Darbei aber
erfordert Gott gleichwol das wir treue diener seien,
wie S. Paulus sagt [1. Kor. 4, 2]: Hoc requiritur, ut
fideles simus.
1. Das begreift nun in sich erstlich, das die kir-
chendiener die lehre selbst recht lernen und ver-
stehen; dann ein arzt, der sein kunst nit kan, ist nit
treu, sondern ein betrueger, so er sich der kunst rüh-
met.
2. Zum andern ist treue, das si bestendig in rech-
ter lehr sein.
3. Zum dritten, das die kirchendiener fleißig seien,
der kirchen zue gewonlicher zeit und irem ampt
vleißig und embsig abwarten und sonst züchtiglich
leben etc.
Nach disem soll ein christenliche zusag von ime,
dem ordinando, genommen und alsdann die ritus
ordinationis verricht werden, darbei sich dann der
ordinand zum gebet und zur communion beraiten
und soll die forma ordinations gehalten werden, wie
herr D. Martinus Lutherus dieselbe gestellt8, nem-
lich: die lectio, das gebet, uflegung der hände und
bevelhung des ministerii.
Weiter sollen keine ceremonia oder pflicht darzue
geton werden; dann dise ordinatio ist ain offenliche
zeugnus bei der kirchen, das die ordinirte person be-
ruefen sei und bevelch hab, das evangelium zu pre-
digen und die sacramente zu raichen, und ist recht
und hailsam, das die ganze versamblung im anfang
dises großen werks und so hohen beruefs den lieben
Gott anruefe und für die ordinirte person und im
gemein umb erhaltung des ministerii und der chri-
stenlichen kirchen ernstlich und andächtig pite.
Dann dises haben die heiligen apostel auch also ge-
halten und ist ohne zweifel dise weise und form zu-
vor bei der ersten vetern auch gewesen.
[Vom Kirchengericht.]
Zum andern gehören zue dem ministerio die kirch-
gericht, welche gleichwol ein großen und weiten
underschaid haben von den weltlichen gerichten
und strafen, jedoch von dem Herrn Christo selbst
8 WA 38, 401-433 (in der Mecklenburger Kirchen-
ordnung von 1552: Sehling 5, 193).
9 Diese zwei Sachen wie in der Mecklenburger Ord-
nung von 1552 (Sehling 5, 193f.).

auch verordnet sind, Mathei am 18. [15-20], und
ohne zweifel auch zuvor in der ersten veter kirchen
dergleichen besondere kirchengericht auch gewesen.
Darein gehören fürnemblich zweierlei sachen9.
1. Erstlich strit und irrungen in und von der
lehre und was demselben in doctrinalibus und cere-
monialibus abhängig.
2. Zum andern erkanntnus, urteil und strafen
wider diejenigen, so in eußerlichen sünden leben und
nicht ablassen wöllen. Von solchen gerichten redet S.
Paulus zun Corintheren [1. Kor. 5, 9 - 6, 8].
3. Es seien aber zum dritten hernach in primitiva
ecclesia etliche fäll in ehesachen in dise gericht ge-
zogen worden; dann dieweil die haiden offentlich un-
zucht und muetwillige ehetrennung zugelassen, hat
die christenliche kirch sich derselben sachen müessen
annemen10.
Solchen nach haben wir selbst auch in diser un-
serer obrigkait und christenlichen gemaind für ein
notturft gehalten, ain ordenlich consistorium zu be-
stellen, dasselbig auch mit theologen und politischen
personen besetzt und, soviel sich leiden und gebüren
wöllen, denselben das kirchengericht vertraut, be-
volhen und undergeben, jedoch unser inspection,
censur und autoritet darneben unbegeben, sondern
in allweg vorbehalten, und referiren uns in sunder-
heit uf die nachbeschribene superattendenz- und
eheordnung. Demselben und bishero üeblichen her-
kommen gemeß werden beede, das consistorium und
ministerium, in sachen und fäHen, dem kirchen-
gericht zugehörig, sich aller gebür wissen zu verhal-
ten oder, da je was wüchtige und beschwerliche
handlungen fürfallen, sich bei uns gebürenden be-
schaids und beistands erholen und getrösten.
Und11 nachdem dem alten sprichwort nach des
hausvaters augen und fueßtrit den acker faist ma-
chen, dadurch wir erinnert werden, das in aller re-
gierung nötig ist, das die personen, welchen fürnem-
lich die administration und regierung befohlen,
selbst vleißig ufsehen und merken sollen, wie man
haushalte, also und dieweil wir für hochnotwendig
und nuzlich erachten und im werk befunden, das zu
10 Ähnlich wie Mecklenburg 1552 (Sehling 5, 193f.).
11 Ähnhch wie Mecklenburg (Sehling 5, 195).

22'

339
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften