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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0361
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Kirchenordnung von 1579

clagende person dem antworter5 in costen und schä-
den fellig erkennt und darzue der mann vierzehen
tag in turn am boden mit wasser und brot und die
frau acht tag in einer frauengefangnus gestraft wer-
den.
Welche verlobte personen deren verspruch gleich-
wol unstrittig, sich gleicher gestalt unerbarer weis
vor dem offenlichen christlichen kürchgang und
hochzeittag mit leiblicher vermischung zusammen-
gehalten oder gar einander geschwängert, die sollen
zugleich vor dem kirchgang gefengelich eingezogen
und die mannsperson acht tag im turen mit brot und
wasser und die frau vier tag in einer frauengefäng-
nus gestraft werden. Darzue soll inen hiemit ernst-
lich gepoten sein, das si nach solcher begangner
schand ebenmeßig ohne jungfräulich zierd, auch
ohne hochzeitliche spil und einiche gastung an ei-
nem tag, da sonsten kein hochzeit gehalten würde,
in kürchen gehen und sich einsegnen lassen sollen.
Da aber dergleichen personen, so also ergerlicher
weis flaischliche gemainschaft gebraucht, underm
jungfräulichen schein oder dero zierde sich einsegnen
und hernach ir begangne schand offenbar würdet,
dieselbige will ein erbarer rat mit zwifacher straf an-
fassen und den mann vierzehen tag mit brot und
wasser und das weib acht tag in gepürender gefäng-
nus ohne gnad strafen lassen.
Von der sip - oder bluetsfreundschaft
und mag- oder schwägerschaft
Nachdem es sich ein zeitlang je länger je mehr zu-
getragen, das etlich unverschämbte personen unge-
achtet, das si mit sipt- und bluetfreundschaft oder
mag- und schwagerschaft ainander dermaßen ver-
wandt, das si göttlicher, auch natürlicher zucht und
erbarkeit oder sonst rechtmeßigen sazungen halben
keine rechte, ordenliche und göttliche ehe miteinan-
der besitzen mögen, sich ehlich zusamen zu ver-
pflichten understanden, welches dann vor Gott
5 = Dem Beklagten, da dieser nach germanischem
Recht dem Kläger auf dessen Fragen vor dem Rich-
ter unmittelbar antworten mußte (Richard Schrö-
der, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte.
Berlin 19226. 91f. 844f.). 6 3. Mos. 18, 6-18.
7 Corpus juris civilis Digestorum lib. 23, tit. 2; Codex
Justinianus lib. 5, tit. 5, 4. 5.

greulich und abscheulich, auch daraus vil ergernus
und sonst aherhand unrat ervolget,
so ist deshalben eins erbarn rats ernstlicher will,
meinung und befelch, welchen personen, das gött-
lich natürlich gesetz6, auch kaiserliche geschribne
recht7 von wegen der bluets- oder sipfreundschaft
und mag- oder schwagerschaft die ehe verpieten,
das dieselben keineswegs bei vermeidung der ernst-
lichen straf, so derhalben die gemeine geschribne
recht dem ubertreter uferlegen8, sich zusammen eh-
lich zu verpflichten understeen sollen.
Und dieweil in der eheverlobung nicht allein, was
frei gelassen, sonder auch, was gebürlich und ein
wolstand ist, angesehen werden sollen, so ist verner
aus vilen bewegenden ursachen eins erbarn rats mei-
nung und bevelch, das hinfüro alle die personen, so
in andern und dritten grad9 der bluetverwandnus,
dergleichen auch der schwagerschaft verwant sein,
bei vermeidung eines erbarn rats ungnad und ernst-
licher straf sich keinswegs miteinander ehlich ver-
loben oder noch weniger beieinander schlafen sollen.
So aber jemand der burgereinwohneren, under-
tanen und zugewanten sich hierinnen ungehorsam-
lich halten wurde, als dann sollen dieselben parteien
von eins erbarn rats pfarrherrn nit verkündigt noch
eingesegnet, sonder für derselben consistorium,
einen gebürlichen beschaid zu erholen, gewisen wer-
den und, so von den parteien obgehörter gestalt of-
entlich und wissentlich wider die natürliche erbar-
kait und rechtmeßige satzungen gehandelt worden
were, will ein erbarer rat dieselben personen ganz
ernstlich nach gestalt der sachen zu strafen vorbe-
halten haben.
Keinem soll auch zugelassen sein, sein angenom-
men, adoptiert kind noch auch, das in seiner ver-
pflegung oder vervogtung ist, ime selbst oder sein,
des pflegers oder vormunders sohn oder tochter,
anderst dann die recht zulassen, bei eins rats ernst-
licher straf, zu verehlichen.
Da sich auch begeben würde, das ein jungfrau
8 Corpus juris civilis, Digestorum lib. 23, tit. 2; Codex
Justinianus lib. 5, 6.
9 Das war die seit Luther („Welche personen verboten
sind zu ehelichen“ [1522] [WA 10 II 263-266] und
,,vom ehelichen leben“ [1522] [aaO. 267-304]) in
evangelischen Gebieten übliche Grenze.

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