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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0369
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Kirchenordnung von 1579

ir disem kind (disen kindlein) tun werdet, es sei bös
oder guets, das ir das Gott selbst und unserm Herrn
Christo tun werdet. Derhalben euch keine müehe
noch arbeit reuen soll, die ir darzue ankeret ein je-
der nach seinem beruef und verwandschaft mit di-
sem kind (disen kindlein), das es (sie) dem Herrn
wol auferzogen, und erwisen und gelehret werde
(werden), zu halten alles, was uns der Herr zu halten
bevolhen hat, daran ir eltern, verwanten und ge-
vatter fur euch selbs kein vleiß sparen solt und das
kind (die kindlein), so es sein (sie ire) jar erraicht
(erraichen), in die kürchen zue dem catechismo ge-
treulich fürdern, damit es (sie) wol und gründlicher
kennen lerne (lernen), was großer, unaussprechlicher
gnaden und gab ime (inen) von Gott in der heiligen
tauf geschenkt und ubergeben seie und aus dem
dann seinen (iren) glauben in der gemein Gottes
selbst gerne und von herzen bekenne (bekennen)
und verjehe (verjehen), sage (sagen) würklich und
mit der tat ab dem Teufel und der welt mit allem
iren werken und lüsten, ergebe (ergeben) und stelle
(stellen) sich dar dem Herrn und seiner heiligen
kürchen in ganzem gehorsam seines heiligen evange-
lions, bleibe (bleiben) und lebe (leben) bei unserm
Herrn Christo bis ans ende und bringe (bringen) als
ein lebendig glid (lebendige glüder) Christi und
fruchtbare reben, die an dem rebstock Christi ge-
sund bleibet, vil frucht zue dem preis Gottes und
besserung seiner heiligen kürchen (Joh. 15 [1-7]).
Amen.
Zum beschluß spreche der kürchendiener
Der Herr gesegne euch und behüte euch! Der
Herr erleucht sein angesicht uber euch und sei euch
gnedig! Der Herr erhebe sein angesicht uf euch und
gebe euch den friden! Amen.
Von der gahetauf.
Dieweil bisher in der christlichen gemein ein löb-
lich und wolgegründt gewonheit gehalten ist, das
alle christlich personen und sonderlich die hebam-
men in ansehung, das auch die weiber miterben des

6 Zu diesem Brauch der katholischen Kirche vgl. S.
99!
7 Dieser Abschnitt in Anlehnung an Veit Dietrichs
Agendbüchlein 1545 (Sehling 11, 507).

reichs Christi sein (1. Pet. 3 [1-7]) und die not der
gemeinen regul und ordnung nit underwürflich ist,
zur zeit der not in abwesen der menner, die kindlein
getauft haben, welches man gahetauf genennet hat,
so wöllen wir dieselben auch nicht aufheben, sonder
in irer kraft bleiben lassen.
Es sollen aber die kürchendiener die hebammen
aufs vleißigist underrichten:
Erstlich das sie kein kind, so noch in muetterleib
und nicht ganz an die welt geboren ist6, gahe taufen
sollen; dann, nachdem die tauf ein sacrament der
widergeburt ist, erfordert die natur dises sacra-
ments, das das kind, so das sacrament der wider-
geburt empfahen solle, vorhin an die welt geboren
sei. Jedoch sollen die, so in solchen noten darbei
sein, baid muetter und das kind, dem allmechtigen
Gott durch die treulich fürpüt bevelhen, das Gott
der muetter helfe und das kindlein ime gnediglich
laß bevolhen sein7.
Darnach, das sie auch, nachdem das kindgeboren,
außerhalb der höchsten not des kinds schwachheit
nicht gahetaufen sollen, sonder, wo sie ein kürchen-
diener oder sonst ein christlichen mann in der eil
haben mögen, denselbigen beruefen und ine das
kind taufen lassen. Aber, so dasselb von schwacheit
wegen des kinds je nicht gesein möcht, alsdann
solle die hebamme oder, welchs gegenwertigs
christlichs weib sich des taufens underfangen will,
zwe oder drei personen so vorhanden, zum zeugnus
beruefen und erfordern8, damit uf zwaier oder
draier kundschaft (Deute. 17 [6]; 19 [15]) die taufe
bestendig sei und zuvor das gebet Vater unser spre-
chen, darauf das kind mit wasser taufen und spre-
chen:
Ich tauf dich im namen Gottes des Vaters und des
Sohns und des Heiligen Geists.
Wer nun also, wie jetzt vermeldet, gahetauft ist,
der soll nit anderwerts wider getauft werden, sonder
soll bei der empfangnen tauf bleiben. Jedoch, so das
kind lebendig bleibt, soll man es in die kürchen tra-
gen umb nachgesetzter ursach willen.
8 Die Erforderung von Zeugen nach der württem-
bergischen KO 1553 (Richter 1, 270; 2, 134).

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23 Sehling, Bd. XII, Bayern II: Schwaben
 
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