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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0468
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Reichsstadt Regensburg

B. Erclerung und verordnung eines
erbarn rats, welchen als unbueßfertigen,
ergerlichen christen nach Gottes wort
die christenlichen ceremonien der
leichpredig und leichgesänge nit mögen
zugelassen werden und wie deshalb
ordenlich zu procedirn.
Nachdem leichpredig und leichgesäng so vil auf
ihnen haben, das die kirche den verstorbenen damit
fur ir glied erkent, ihm damit christlichs lebens und
sterbens ir zeugnus gibt, ir selb domit auch so vil
auflegt, daß sie mit ihme zu gleichem gericht fur Gott
steen will auf eben den glauben, welchen der ver-
storbene bekant und im leben erzaigt hat (so vil si
wais oder wissen kan), so sind die bemelten beede,
leichpredig und leichgesang nit jederman also gar
one unterscheid mitzutailn als ein adiaphoron oder
weltlich ding und freundschaft, sondern Gottes, ge-
wissens und christenlicher zueht halb mit vleiß zu er-
wegen, wem si mitzutailn oder nit mitzutailn sind.
Und erstlich halten wir one allen zweifel, das si
recht und christlich mitgetailt werden allen, die sich
zu reiner lehre göttlichs worts und der waren augs-
purgischen confession also bekennen, daß sie auch
derselben predig besuechen, woe si können, sacra-
ment empfahen, darnach ir leben richten, so vil Gott
genad gibt, und es darinne one offenliche unbueß-
fertigkait enden.
Zum andern, so volgt hinwider auch aus dem ge-
gentail, das, welche derselben unser lere und bekant-
nus nit sind, mit der tat verlaugnen, den offenlichen
gottesdienst und sacrament imerhin verachten oder
sonsten ein unchristlich leben füren und one bueß
also dahinsterben, das denen christlichs lebens oder
sterbens darauf nit mag zeugnus geben werden.
Doch woe es begert wirdet, mag man si nichts weni-
gers nach stand und gelegenhait eines jeden ehrlich
austragen und auf gemainen freithof legen - allein
der ceremonien, so das christentumb betreffen, hie-
von ausgeschlossen.

5 = Abdecker (Schmeller 2, 519).
6 Siehe in unserer Nr. III 16 S. 444!

Zum dritten. Weil es alzeit fur ein sonderbare,
hohe sünde und unbußfertigkait ist geachtet wor-
den, sich selb fursetzlich und verstendiglich zu ent-
leiben, aus was ursachen es sei, so wirdet darauf
auch altem herkommen nach fur billich angesehen,
das dieselben personen nit auf den gemainen freithof
gelegt, sondern außerhalb freitshof dem nachrichter
oder schlegel5 zu begraben oder zu verbrennen be-
volhen werden, andern zum schrecken und zum
exempel.
Zum vierten: Do sich dann sondere fälle zuetra-
gen, das einer unfursehener ding umbkombt, er-
trinkt, erfelt, entleibt wirdet oder, wie das zuegehen
mag, so soll man erst auf das vorig sein leben sehen,
ob das christlich oder unchristlich gewesen, darnach
auf das ende, ob sich da sondere offenliche sunde und
unbußfertigkait zugetragen oder nit, und, wie sich
dann dasselbig findet, also mag er darauf mit cere-
monien bestettigt werden oder nicht. Doch soll in
disem fall, woe er mit ceremonien bestettigt wirdet,
in der leichpredig voriges seines gueten wandels, auch
christlichen abschids meldung gescheen. Desgleichen
soll des gueten abschids meldung gescheen, woe der
vorige wandl nit guet gewesen, das offenlich gemain
ergernus etwas abzuwenden.
Damit aber dennoch one billiche erkantnus der
unbueßfertigkait niemands die ceremonien gewai-
gert, niemands sich auch der waigerung gegen den
kirchendiener allein zu beschwern habe, so sollen die
fälle, si seien, wie si wöllen, so oft sich einer zuetregt,
das einem darauf möchten die ceremonien gewaigert
werden, alsbald für eines erbarn rats verordnete
consistoriales oder censores gebracht, also ingemain
beratschlagt und von inen der entschid6 gegeben
werden, wie si7 das fur Gott und der kirchen verant-
worten wöllen und zu verantworten haben.
Auch soll den kirchendienern und dem custor
darauf der bevelch gegeben werden, so der begreb-
nus und leichpredig halb, ehe etwas an si gelangt, da
vermuetlich davon geratschlagt möchte werden, das
si dasselbig bei iren gewissen von stund an an den
pfarrherr berichten, der pfarrer weiter die verord-
neten herrn consistoriales oder censores zusamen-
7 die Ratsherrn nämlich.

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